Berlin. Durch Platz drei bei der Heim-Europameisterschaft entfachte die DBB-Auswahl eine Euphorie. Doch wie nachhaltig ist dieser Erfolg?
Es war ein letzter Gruß an die Vergangenheit, den Dennis Schröder nach dem Gewinn der Bronzemedaille vom Pressepodium der Berliner Mercedes-Benz-Arena adressierte. „Robin Benzing braucht eine Medaille. Ich schaue mal, ob wir noch eine auftreiben können. Wenn nicht, dann kriegt er auf jeden Fall meine, weil er eigentlich der Kapitän dieser Mannschaft ist", sagte Schröder, einen schwarzen Designer-Anglerhut tief ins Gesicht gezogen, über seinen Vorgänger als Anführer der deutschen Basketballnationalmannschaft.
Benzing (33) hatte 167 Länderspiele bestritten, war von Bundestrainer Gordon Herbert (63) vor der EM im eigenen Land, die mit dem 82:69-Sieg gegen Polen im Spiel um den dritten Platz triumphal zu Ende ging, aber aus sportlichen Gründen aus dem Kader gestrichen worden.
Basketball: Schröder sieht Franz Wagner als seinen Nachfolger
Dann widmete sich Schröder, dessen grandiose Leistungen in der Endrunde ihm einen Platz im All-Star-Team dieser EM einbrachten, der Zukunft – die eigentlich schon die Gegenwart ist. „Franz wird dieses Nationalteam übernehmen, er hat einen unglaublichen Charakter“, sagte der 29 Jahre alte Aufbauspieler der Los Angeles Lakers im Stil eines Elder Statesman über Franz Wagner.
Besonders im Fall des 21 Jahre alten Flügelspielers dürfte der Gewinn der Bronzemedaille eine wegweisende Bedeutung haben. Dass der Berliner, der erst in diesem Sommer für Deutschland debütierte, gleich bei seinem ersten Turnier fürs Nationalteam nicht nur durchschlagenden Erfolg hatte, sondern auch ein Gemeinschaftsgefühl erlebte, dürfte ihn angefixt haben, künftig Sommer für Sommer, so wie einst Dirk Nowitzki, für sein Land zu spielen. Dass Wagner der Hall-of-Fame-Karriere des größten deutschen Basketballers jemals folgt, ist freilich unrealistisch. Der Aufstieg unter die besten 20, 25 Profis der Welt scheint für den Akteur der Orlando Magic aber vorgezeichnet zu sein. Davon wird auch die Nationalmannschaft massiv profitieren.
DBB-Auswahl will bei WM 2023 an EM-Erfolg anknüpfen
„Wir haben so viel Potenzial für die nächsten drei, vier Jahre", so Schröder. Herbert hat sich mit dem Team einen Dreijahresplan gesetzt, die EM soll hierbei erst der Anfang gewesen sein. Nächste Stationen: Die WM 2023 in Japan, Indonesien und auf den Philippinen, deren Qualifikation bereits geglückt ist, sowie die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Dass Deutschland auch dann um die Medaillen spielen kann, ist keine Utopie. Abgesehen von den USA, dem logischen Topfavoriten, besitzt kein weiterer Rivale eine höhere Qualität als die Europäer. Vor allem basiert die Medaillenhoffnung aber nicht auf der Schwäche der anderen, sondern der eigenen Stärke.
Der NBA-Kern um Schröder, Wagner und Daniel Theis (Indiana Pacers) bleibt erhalten. Dazu kommen die zu häufig unterschätzten EuroLeague-Stars Maodo Lo, Johannes Thiemann (beide Alba Berlin), Johannes Voigtmann (Emporio Armani Mailand) und Andreas Obst (FC Bayern München). Wie nah das europäische Spitzenniveau mittlerweile an der Weltklasse dran ist, hatte die EM eindrucksvoll unterstrichen. Reihenweise kam es zum Favoritensterben der Mannschaften mit den Superstars.
Deutschland hat viele Stars noch in der Hinterhand
Auf diese ist ein deutsches Team, das perfekt aufeinander abgestimmt ist, nicht zwingend angewiesen. Dass bei den nächsten Turnieren Franz Wagners ebenfalls in Orlando spielender Bruder Moritz, der sich kurz vor der EM am Knöchel verletzt hatte, sowie Isaac Bonga vom FC Bayern wieder dabei sein dürften, hilft jedoch. Auch Maxi Kleber (Dallas Mavericks), der absagte, um sich auf die NBA-Saison vorzubereiten, kann Herbert durch seine Stärke von der Dreipunktelinie und als Verteidiger am Korb eine weitere Dimension im Spielsystem verleihen. Der eigenwillige Center Isaiah Hartenstein (New York Knicks) sowie mit Abstrichen sein seit Jahren im Nationalteam abstinenter Positionskollege Tibor Pleiß (Anadolu Efes Istanbul) seien Informationen dieser Zeitung zufolge mannschaftsintern dagegen unerwünscht.
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Wie sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft symbiotisch miteinander vereinbaren lassen, bewies indes der neue Europameister Spanien, der die favorisierten Franzosen im Finale mit 88:76 besiegte. Unter dem spätestens jetzt legendären, italienischen Trainer Sergio Scariolo sowie dem 37 Jahre alten Kapitän Rudy Fernandez feierten die Iberer den vierten EM-Titel der gemeinsamen Ära. Dazu kommen ein WM-Titel für Scariolo und sogar zwei für Fernandez. Auch die aktuelle Generation besteht aus einem Mix aus NBA- und EuroLeague-Akteuren. Und die Zukunft? Auf 30.000 Nachwuchsbasketballer in Deutschland kommen 150.000 in Spanien.
Der Dauerchampion wird so schnell nicht verschwinden. Aber Deutschland mit dieser bronzenen Generation: genauso wenig.