Hamburg. Die Ruder-Bundestrainerin benennt vor der Europameisterschaft Probleme und künftige Aufgaben.
Vor der Heim-EM, die von Donnerstag bis Sonntag im Rahmen der European Championships in München auf der olympischen Regattastrecke von 1972 in Oberschleißheim ausgetragen wird, spricht die neue Chefbundestrainerin Brigitte Bielig (64) über die Probleme im deutschen Rudern und die Kritik von Welt- und Europameister Oliver Zeidler (26/Ingolstadt). Bielig sagt über ...
... die Kritik von Zeidler (bezeichnete die Ergebnisse 2021 als „Debakel“): „In Teilen hat er recht, aber insbesondere den Vorwurf der Unprofessionalität halte ich für viel zu hart. Oliver beansprucht für sich das Sonderrecht, in München zu trainieren anstatt am Bundesstützpunkt der Skuller in Hamburg/Ratzeburg. Solche Sonderregelungen sorgen in einem Gesamtsystem für Probleme, aber er bekommt sie, weil wir ihn für ein ausgesprochenes Talent mit hoher physischer Veranlagung halten. Ich schätze seine Leistungen außerordentlich, aber auch er muss noch einige Dinge lernen. Deshalb würde ich mir manchmal etwas mehr Zurückhaltung seinerseits wünschen.“
… die Frage, ob es allgemein an Klasse oder an Einstellung fehlt: „Weder noch. Zwar lässt sich nicht verhehlen, dass es bisweilen an der Bereitschaft fehlt, die eigene Komfortzone zu verlassen. Aber die Leistungsbereitschaft der allermeisten ist hoch. Wir erreichen allerdings noch nicht oft genug das nötige Leistungsniveau. Wir müssen in der technischen Ausbildung, in der Physiologie aufholen.“
… ihr Idealbild für den DRV: „Mein Idealbild wären zwei Stützpunkte, einer für Männerskull und -riemen und einer für Frauenskull und -riemen. Wir haben die Trainingslager schon zusammengeführt, weil ich es für zielführend halte, viel gemeinsam zu trainieren. Da sind andere Nationen viel flexibler als wir, bei den Niederlanden zum Beispiel gibt es Ruderinnen, die im Doppelzweier und im Achter antreten. Da haben wir noch Reserven.“
... die Förderung in Deutschland: „Grundsätzlich halte ich die Förderung in Deutschland für längst nicht so schlecht, wie sie manchmal dargestellt wird. Wir fördern eben mehr in der Breite und nicht nur ganz oben. Allerdings muss ich leider feststellen, dass dort Einschnitte nötig werden. Wir haben von den vom Bundesinnenministerium avisierten Geldern nur einen Bruchteil erhalten. Der DRV ist da in Vorleistung getreten, aber das geht nicht dauerhaft. Das ist eine sehr schwierige Situation. Ich sage aber auch: Wer wegen des Geldes rudert, ist fehl am Platz. Um in unserem Sport nach oben zu kommen, braucht es vor allem intrinsische Motivation.“
... die Dominanz des Achters: „Der Männerachter ist das Aushängeschild, hat dank seiner Sponsoren diese Ausnahmestellung auch verdient. Man hat am Stützpunkt in Dortmund allerdings vergessen, eine zweite Reihe aufzubauen. Ich habe nie verstanden, warum der Zweier und Vierer dort nicht mehr beachtet wurden.“
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... die Heim-EM und die WM Ende September in Tschechien: „Wir nehmen die Heim-EM sehr ernst. Aber wir haben in der Vorbereitung in den Weltcups vieles ausprobiert und sind sicherlich noch nicht so weit, wie wir gern wären. Nach der EM schauen wir, welche Boote bereit sind für die WM und welche Athletinnen und Athleten lieber in Urlaub gehen und dann im Oktober in die Vorbereitung auf die Saison 2023 starten. Denn da geht es um die Olympiaqualifikation, und da wollen wir das Maximum an Startplätzen herausholen. Aber wir werden uns daran gewöhnen müssen, nicht mehr in allen 14 olympischen Klassen zu starten.“