Hamburg. Trotz Weiterentwicklung zum kombinierten Turnier wechselt 2024 der Herren-Lizenzpartner. Welche Auswirkungen das haben kann.

Müde, aber glücklich – so trat Sandra Reichel am Sonntagmittag in den Katakomben des Tennisstadions am Rothenbaum vor die Presse. „Es waren unglaubliche neun Tage. Wir sind sehr glücklich, wie optimal der Versuch, ein kombiniertes Turnier zu spielen, funktioniert hat“, resümierte die Turnierdirektorin der Hamburg European Open das erstmals seit 1978 wieder als gemeinsames Damen- und Herrenevent ausgerichtete Traditionsturnier.

Mit 55.000 Zuschauern könne man angesichts der Umstände – zwei extreme Hitzetage plus weiter angespannte Corona-Lage – sehr zufrieden sein, man erwarte finanziell eine schwarze Null.

Tennis: 2024 wird alles anders am Rothenbaum

Auch Dietloff von Arnim, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), der die Lizenz des Herrenturniers hält und an Sandra und ihren Vater Peter-Michael Reichel vermietet hat, lobte die Weiterentwicklung als „sehr gelungen“. Ob 2023 vom 22. bis 30. Juli erneut gemischt aufgeschlagen werde, sei nicht bestätigt, sagte Sandra Reichel, nach Gesprächen mit den Dachorganisationen WTA (Damen) und ATP könne man aber optimistisch sein.

Schöne Worte waren das, die man – die Kritik an etwas überhöhten Eintrittspreisen nicht vergessend – allesamt unterschreiben kann. Umso trauriger ist, dass von 2024 an wieder alles anders werden wird am Rothenbaum. Auch wenn Sandra Reichel und Dietloff von Arnim das Thema Zukunft galant zu umschiffen versuchten: Fest steht, dass der DTB nach Ablauf des Kontrakts mit den Reichels im kommenden Jahr einen neuen Partner einbinden wird.

Tennium zahlt deutlich höhere Lizenzsumme

Dem Vernehmen nach handelt es sich um die belgische Agentur Tennium, die Partnerschaft soll in den kommenden Wochen offiziell besiegelt werden. Als Hauptgrund wird angegeben, dass Tennium dem Verband eine deutlich höhere Lizenzsumme zahlt.

Um die Hintergründe der Überlegungen zu verstehen, muss man die Pläne der ATP für die kommenden Jahre kennen. Diese sehen vor, die neun Premiumturniere der 1000er-Serie (ehemals Masters), zu denen auch Hamburg bis 2008 zählte, massiv aufzuwerten. Eine Maßnahme dazu wird sein, dass die Events in Rom (Italien), Madrid (Spanien) und Shanghai (China) künftig ebenso auf zwei Wochen ausgeweitet werden, wie es in Indian Wells und Miami (beide USA) bereits der Fall ist. Nur Monte Carlo, Toronto, Cincinnati und Paris (einziges Hallenmasters) würden dann binnen einer Woche ausgespielt. 2025 dann sollen Toronto, das jährlich mit Montreal wechselt, und Cincinnati von zwei auf drei Wochen ausgeweitet werden.

Massive Auswirkungen werden befürchtet

Das bedeutet, dass in drei Jahren vier Wochen weniger für die Turniere der 500er- (500 Weltranglistenpunkte für den Sieger) und 250er-Serien zur Verfügung stehen. Die Sandplatzsaison zwischen den Grand-Slam-Events in Wimbledon und den US Open, in der Hamburg 2023 bereits mit Bastad (Schweden), Gstaad (Schweiz), Umag (Kroatien) und Kitzbühel (Österreich) sowie den Hartplatzturnieren in Atlanta, Washington (beide USA) und Los Cabos (Mexiko) konkurriert, wird auf zwei Wochen zusammengestrichen. Massive Auswirkungen auf die Teilnehmerfelder stehen zu befürchten.

Das wiederum wirft die Frage auf, inwieweit ein Sandplatzturnier im Juli von 2025 an noch attraktiv ist. Eine Möglichkeit, dem Abhilfe zu schaffen, wäre die schon oft diskutierte temporäre Umrüstung auf Hartplatz, die im September bei der Daviscup-Zwischenrunde praktiziert und vom DTB mit großem Interesse verfolgt wird. Die Frage, ob das Teilnehmerfeld dadurch signifikant besser würde, bleibt allerdings offen. Die deutlich inter­essantere Variante wäre, sich mit Hamburg für eine 1000er-Lizenz zu bewerben.

ATP garantiert großen Gewinn

Tatsächlich, so hat es ATP-Chef Andrea Gaudenzi (48/Italien) angekündigt, plant die ATP, 2025 eine zehnte Lizenz für ihre Topserie auszugeben. Gespielt werden soll in der Rasensaison vor Wimbledon, da bislang kein 1000er-Event auf Rasen ausgetragen wird. Im „Tennis Magazin“ erklärte Gaudenzi Deutschland als Wunschstandort dafür, allerdings müssen die Pläne zunächst von den ATP-Gremien beschlossen werden. „Es ist unsere Pflicht als Verband, uns um eine 1000er-Lizenz zu bemühen“, sagte von Arnim.

Schließlich sind alle Topspieler in der höchsten ATP-Serie zum Antreten verpflichtet, zudem garantiert die ATP dank hoher Sponsoringgelder allen 1000er-Standorten einen satten Gewinn. Halle (Westfalen), das seit 2015 ein 500er-Event auf Rasen beherbergt, hat sich proaktiv für eine Aufwertung beworben – ohne dass es einen Beschluss der ATP geschweige denn eine Ausschreibung gibt.

München und Berlin schon raus

Sowohl in der ATP als auch im nationalen Verband ist das Vorpreschen wenig wohlgelitten. Die ATP möchte ihre Premiumturniere laut Gaudenzi in „ikonischen Städten“ austragen, was die westfälische Kleinstadt ausschließt. Im DTB, der seinen Verbandssitz in Hamburg hat, wäre die Hansestadt der Favorit. München als Standort eines 250er-Herrenevents auf Sand und Berlin, das ein 500er-Damenturnier auf Rasen offeriert, haben bereits abgewinkt.

Die Rhein-Ruhr-Region mit Düsseldorf als Standort wäre eine Alternative. Allerdings hat der DTB der Stadt Hamburg bereits signalisiert, dass sie das Zugriffsrecht bekäme, sollte sie die Möglichkeiten schaffen, ein Rasenturnier am Rothenbaum auszuspielen.

Club an der Alster ist Eigentümer des Stadions

Der Club an der Alster, der bis 2049 das Erbpachtrecht für die Anlage besitzt und Eigentümer des Stadions ist, ist grundsätzlich gesprächsbereit. „Dafür müssen wir aber erst einmal wissen, ob die ATP überhaupt eine neue 1000er-Lizenz ausschreibt und was dafür notwendig wäre“, sagt Clubpräsident Carsten Lütten. Denkbar sei, die Anlage, die mindestens sechs Matchcourts bieten müsste (1000er-Turniere haben 64er-Startfelder, 500er nur 32er-Felder), temporär mit Rollrasen umzurüsten. Auch die Pläne, die es seit vielen Jahren und zuletzt für die Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2024 gab, zusätzliche Trainingsplätze auf dem Unigelände am Turmweg zu installieren, könne man reaktivieren, um ausreichend Platz zu schaffen.

Sollte man keinen Standort in Deutschland finden oder sich die ATP doch gegen ein weiteres 1000er-Turnier entscheiden, wäre für den DTB auch denkbar, die 500er-Lizenz, die in Kürze für 15 Jahre bestätigt werden soll, zu behalten und zu versuchen, das Herrenturnier in Hamburg so werthaltig wie möglich durchzuführen.

Tennis: Zukunft des Rothenbaums ist ungewiss

Was mit dem Damenturnier passieren würde, an dem die Reichels die Lizenz halten, ist extrem fraglich. Ein kombiniertes Turnier mit zwei verschiedenen Veranstaltern ist unrealistisch. Zudem hat der DTB das Angebot, den Daviscup über mehrere Jahre in Hamburg auszuspielen. Das jedoch wäre nicht vollumfänglich möglich, wenn Damen und Herren wieder in getrennten Wochen spielen würden.

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Grund dafür ist die begrenzte Zahl an Veranstaltungstagen, die am Rothenbaum erlaubt sind. Mit zwei Tennisturnieren plus einer Daviscup-Woche wäre kein Beachvolleyball mehr möglich. Der jedoch ist Schwerpunktsport in Hamburg und genösse Vorrang vor einer dritten Tenniswoche. Schon in diesem Jahr muss der Daviscup an einem von sechs Veranstaltungstagen wohl mit maximal 1500 Zuschauern gespielt werden, da die zulässige Grenze – 18 plus vier Aufbautage – überschritten ist. Eine Farce angesichts eines innerstädtischen Filetstücks wie dem Rothenbaum, die seit vielen Jahren für Unverständnis sorgt, aber unlösbar erscheint.

Klar ist leider nur eins: Die Zukunft des Rothenbaums ist unklarer denn je.