Hamburg. Nach drei Jahren Pause kämpfen Spring- und Dressurreiter wieder in Klein Flottbek um Titel – und der Vermarkter um den Fortbestand.
Die Pandemie und ihre Folgen haben in den vergangenen gut zwei Jahren sehr viele Menschen zum Nachdenken über elementare Dinge gezwungen. Volker Wulff, Geschäftsführer der Vermarktungsagentur En Garde, mit der er seit der Jahrtausendwende und vertraglich fixiert noch bis 2024 das Deutsche Spring- und Dressurderby in Klein Flottbek veranstaltet, hat sich vor einigen Wochen eine interessante Frage gestellt. Hätte er, wenn ihm bewusst gewesen wäre, wie lange Corona die Welt in die Isolation zwingen würde, durchgehalten oder aufgegeben? „Ich glaube, ich hätte hingeworfen“, sagt der 65-Jährige ehrlich.
Nun jedoch, da nach drei Jahren Pause vom 25. bis 29. Mai das legendäre Pferdesportfestival sein Comeback feiert, ist Volker Wulff glücklich darüber, Stehvermögen bewiesen zu haben. „Die Vorfreude ist riesengroß“, sagte er am Mittwochabend beim traditionellen Derbytalk im Landhaus Scherrer. Nachdem 2020 überhaupt nichts und Ende August 2021 immerhin unter Teilzulassung von Zuschauern die Etappe der Millionenserie Global Champions Tour (GCT) stattfinden konnte, sollen die 91. Auflage des Spring- sowie die 62. Austragung des Dressurderbys die Rückkehr in die Normalität markieren.
Derby-Veranstalter En Garde musste Etat erhöhen
„Stand heute wird es keinerlei Beschränkungen mehr geben. Wir dürfen alle Tickets verkaufen und werden auch keine Maskenpflicht haben“, sagt Wulffs Ehefrau Andrea, die für das Ticketing zuständig ist. Weil alle für die 2020er-Auflage verkauften Eintrittskarten ihre Gültigkeit behielten, ist die Haupttribüne mit 5000 Plätzen für den Derbysonntag bereits ausverkauft. Für den Sonnabend, wenn mit der GCT der sportlich hochwertigste Wettbewerb ansteht, sind nur noch rund 80 Karten erhältlich. Stehplätze gibt es für alle Tage noch ausreichend, von Mittwoch bis Freitag ist auch auf der Tribüne noch Luft.
Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf sind für En Garde überlebenswichtig, schließlich ist der Gesamtetat um 200.000 auf 3,8 Millionen Euro angewachsen; 1,38 davon entfallen auf Preisgelder. „Alles ist teurer geworden, das spüren wir deutlich“, sagt Volker Wulff, „in einigen Bereichen fangen wir nach der langen Pause wieder bei Null an.“
Beim Weltcupfinale in Leipzig Anfang dieses Monats, das ebenfalls von En Garde ausgerichtet wird, habe der Tribünenbau beispielsweise zwei Tage länger als gewohnt gedauert, da das erfahrene Personal nicht mehr verfügbar war. „So geht es vielen Dienstleistern, die in der Pandemie massiv Personal verloren haben, und diese Kosten müssen wir tragen“, sagt Wulff.
Einige Derby-Aussteller haben Corona nicht überstanden
Umso glücklicher ist er, dass es gelungen sei, die 20 Mitarbeiter umfassende Belegschaft in der eigenen Agentur bislang ohne Verluste durch die Pandemie gebracht zu haben. „Wir haben zwar unsere Rücklagen anfassen müssen, sind aber wirtschaftlich, auch dank staatlicher Finanzhilfen und der Unterstützung der Stadt Hamburg, mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt er. Die Ticketpreise nicht zu erhöhen, sondern auf dem Stand von 2019 zu halten, sei ein wichtiges Zeichen an die Reitsportfans, „dass wir ihre Treue und Unterstützung sehr honorieren“.
Für die Besucher, die das Derby so kennen, wie es bis 2019 ausgetragen wurde, soll sich so wenig wie möglich verändern. Das Bewirtungszelt auf der Ausstellungsfläche bleibt der offene Pavillon, den es im vergangenen Jahr erstmals gab. Einige Aussteller haben die Pandemie nicht überstanden, neue rücken nach.
Bei den Geldgebern herrscht weitestgehend Kontinuität. Albert Darboven bleibt mit seiner Marke Idee Kaffee Presenting-Sponsor des Springderbys. Der Vertrag läuft allerdings in diesem Jahr aus, Gespräche über eine Fortsetzung laufen Erfolg versprechend. Longines und die DKB sitzen als Hauptsponsoren weiter im Sattel. Neu dabei ist das Bauunternehmen CG Elementum, dafür fährt Mercedes sein Engagement etwas zurück. Das Namensrecht am Dressurstadion erwarb ein Finanz- und Versicherungsberater, der das Derby in der „Anrecht-Investment Dressurarena“ reiten lässt.
Studenten erstellen Planung für neues Derby-Stadion
Einen neuen Weg schlagen Wulff, die Stadt und der Norddeutsche und Flottbeker Reiterverein (NFR), der den Derbypark bis 2024 plus Option auf 15 Jahre von der Familie von Jenisch gepachtet hat, im Thema Neubau des Stadions ein. Weil sich die 2018 vorgestellten Pläne für eine 15 Millionen Euro teure neue Haupttribüne als finanziell nicht stemmbar erwiesen, soll nun eine Gruppe von Architekturstudenten der Hochschule 21 in Buxtehude kostengünstigere Ideen entwickeln. Erste Ergebnisse werden im Juni erwartet.
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Zum Teilnehmerfeld gibt es bislang wenig Konkretes, der britische Tokio-Olympiasieger Ben Maher (39) hat sein Kommen ebenso zugesagt wie in der Dressur die Finnin Emma Kanerva (39), die 2018 das 60. Derby gewonnen hatte. Als TV-Partner bleiben der NDR, der von Donnerstag bis Sonntag täglich sendet, und das ZDF, das die Entscheidung im Springderby live überträgt, dabei. Alles auf Anfang also, und doch vieles beim Alten.