Hamburg. Lutz Vollrath, Leiter der Sportfördergruppe Hamburg, über das Image der Armee, den Umgang mit Stars und den Umzug nach Dulsberg.
Er spielte höherklassig Handball, genoss in seiner aktiven Karriere aber keine Leistungssportförderung. Nun ist Lutz Vollrath seit Januar 2019 Leiter der Sportfördergruppe Hamburg der Bundeswehr, der aktuell 77 Athletinnen und Athleten angehören, und versucht diesen das bestmögliche Umfeld zu schaffen.
Im Abendblatt-Gespräch beschreibt der 43 Jahre alte Oberstabsbootsmann, welchen Stellenwert die Spitzensportförderung in der Armee hat und welche Effekte sich die Bundeswehr in Zukunft davon verspricht.
Hamburger Abendblatt: Herr Vollrath, die Bundeswehr unterstützt aktuell 850 deutsche Topathletinnen und -athleten, ist damit neben Bundespolizei/Zoll der wichtigste deutsche Leistungssportförderer. Warum?
Lutz Vollrath: Weil wir aus Überzeugung dabei mithelfen wollen, dass deutsche Sportlerinnen und Sportler unser Land international erfolgreich repräsentieren können. In den 60er-Jahren gab es den parlamentarischen Auftrag, das Image des Landes über den Sport zu verbessern. Diesen Auftrag hat die Bundeswehr erhalten, wir erfüllen ihn bis heute mit Stolz und haben ein gutes System entwickelt, um unsere Soldatinnen und Soldaten bestmöglich zu unterstützen.
Wie sieht diese Unterstützung aus?
Vollrath: Unser wichtigster Beitrag ist, dass sich die Geförderten zu 100 Prozent auf den Sport konzentrieren können. Sie brauchen keinen Nebenjob, sondern erhalten monatlich den ihrem Dienstgrad entsprechenden Sold. Außerdem sind wir 24/7 für unsere Soldatinnen und Soldaten erreichbar und bieten Unterstützung in allen Lebenslagen.
Bundeswehr: Soldaten sollen Arbeitgeber repräsentieren
Was erwarten Sie dafür von denen, die in die Sportfördergruppe eintreten?
Vollrath: Wir erwarten, dass die Soldatinnen und Soldaten zu ihrem Arbeitgeber stehen und diesen nach außen repräsentieren. Außerdem müssen sie regelmäßig Lehrgänge absolvieren. Ein vierwöchiger Lehrgang pro Jahr ist die Regel, dazu kommt meist eine Woche an unserem Standort in Appen im Kreis Pinneberg.
Müssen die Sportlerinnen und Sportler ihren Trainingsplan mit der Bundeswehr abstimmen oder Bericht erstatten über ihre sportlichen Aktivitäten?
Vollrath: Tatsächlich bekomme ich jeden Monat die Trainingspläne, aber das ist im Prinzip wie ein Dienstnachweis, im Übrigen der einzige, den wir verlangen. Und ich kontrolliere natürlich nicht die genauen Trainings- und Wettkampfinhalte.
Soldaten sollen in Ausgehuniform auftreten
Die meisten Menschen wissen nicht, dass so viele Spitzensportler Sportsoldaten sind. Wie könnte die Sichtbarkeit der Bundeswehr im Hinblick darauf erhöht werden?
Vollrath: Das ist ein sehr wichtiger Punkt für uns. Tatsächlich weiß der Großteil der Bevölkerung nicht, welche Rolle die Bundeswehr im Spitzensport spielt. Deshalb wünschen wir, dass unsere Soldaten überall dort, wo es möglich ist, in Ausgehuniform auftreten, zum Beispiel bei der Hamburger Sportgala am 25. April.
Tatsächlich ist die Uniform des Sportlers ja eher das Trikot, einige fühlen sich in Bundeswehrkleidung unwohl.
Vollrath: Das kann ich absolut nachvollziehen, es ist schließlich ungewohnt, in Deutschland in Bundeswehruniform in der Öffentlichkeit aufzutreten, wenn man es nicht als Berufssoldat jeden Tag tut. Aber da sehe ich meine Verantwortung, durch Vorbild zu führen. Ich möchte vermitteln, dass man die Uniform mit einem gewissen Stolz tragen kann. Meist ist es auch nur der erste Moment, in dem es ungewohnt ist.
Keine Sonderbehandlung für Olympiasieger
Wie wichtig ist es, dass auch namhafte Sportlerinnen und Sportler sich zur Bundeswehr bekennen? Oder ist Ihnen gerade wichtig, keinerlei Unterschiede zwischen den Soldaten zu machen?
Vollrath: Beides ist wichtig. Natürlich freue ich mich, wenn wir Stars wie Kira Walkenhorst oder Torben Johannesen, die großartige Erfolge bei Olympischen Spielen vorweisen können, in den Medien als Angehörige der Bundeswehr präsentieren können. Dennoch gibt es für niemanden eine Sonderbehandlung. Die Olympiasiegerin wird genauso behandelt wie ein Perspektivkaderathlet. Wir haben aber auch niemanden, der irgendwelche Starallüren an den Tag legt.
Müssen Sie für die Sportfördergruppe noch werben, oder bewerben sich die Athletinnen und Athleten bei Ihnen?
Vollrath: Der Zulauf ist groß, Werbung müssen wir unter den Aktiven nicht mehr machen. Direkt bei uns bewerben können die sich aber nicht, das geht über die Fachverbände, die ihre jeweiligen Kontingente selber besetzen. Wofür wir werben müssen, ist die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Viele sehen den Schriftzug Bundeswehr auf den Trikots, aber wissen gar nicht, warum der dort zu sehen ist. Daran müssen wir arbeiten, da haben wir Nachholbedarf. Ich wünsche mir mehr Möglichkeiten zur Außendarstellung.
Wahrnehmung hat sich positiv entwickelt
Bei internationalen Großveranstaltungen ist Werbung für den Arbeitgeber oder eigene Sponsoren verboten. Worauf setzen Sie?
Vollrath: Auf die nationalen Wettkämpfe. Ich möchte, dass wir aktiv auf jeder deutschen Meisterschaft vertreten sind. Und überall dort, wo es international möglich ist. Das beste Beispiel ist die Beachvolleyball-WM 2019 in Hamburg, wo wir in bester Lage mit einem Stand am Rothenbaum vertreten waren und den Menschen vermitteln konnten, was wir tun. Dass 90 Prozent der deutschen WM-Starter Sportsoldatinnen und -soldaten waren, wusste niemand.
Glauben Sie, dass die Bundeswehr mit der Unterstützung für den Spitzensport ihr Image aufpolieren kann?
Vollrath: Ich denke nicht, dass das grundsätzlich gilt. Aber für meinen Bereich in Hamburg kann ich sagen, dass unsere Wahrnehmung sich sehr positiv entwickelt hat. Wir haben, auch dank unserer Sportlerinnen und Sportler, einen sehr guten Kontakt zur Stadt. Es ist uns sehr wichtig, nach außen zu tragen, dass wir Themen haben, die für den Großteil der Bevölkerung interessant sein können.
Bundeswehr seit Kriegsbeginn positiver bewertet
Der furchtbare russische Angriffskrieg in der Ukraine hat den Fokus auf die Bundeswehr gerichtet. Haben Sie das Gefühl, dass die Armee im Zuge der Diskussionen über künftige Einsatzgebiete und die drastische Erhöhung der finanziellen Mittel in einem besseren Licht dasteht?
Vollrath: Nach der Amtshilfe in der Corona-Pandemie und durch die Ereignisse in der Ukraine habe ich das Gefühl, dass die Bundeswehr wohlwollender bewertet wird. Aber das kennen wir auch schon von anderen Begebenheiten wie zum Beispiel bei Flutkatastrophen. Wenn wir Hilfe leisten können, stehen wir gut da, wenn die Hilfe nicht mehr benötigt wird, rücken wir schnell wieder in den Hintergrund. Das ist sehr situationsabhängig. Dennoch freue ich mich über die Diskussionen, die angestoßen wurden.
Wird die Erhöhung des Wehretats Auswirkungen auf die Sportförderung haben? Und müssen Athletinnen und Athleten im Gegenzug fürchten, sich im Falle neuer Bündnisverpflichtungen vermehrt in Auslandseinsätzen wiederzufinden?
Vollrath: Finanzielle Auswirkungen auf die Sportförderung erwarte ich keine. Und kein Mitglied der Sportfördergruppe muss befürchten, in Einsätze in Krisengebieten geschickt zu werden. Die Ausübung ihres Sports ist die absolute Kernaufgabe. Daran würde nur gerüttelt, wenn der Verteidigungsfall einträte. Dann würden die Sportfördergruppen aufgelöst. Aber dann würde in Deutschland auch kein Spitzensport mehr getrieben.
"Nur ein kleiner Bestandteil der Spitzensportfamilie"
Der Deutsche Olympische Sportbund als oberste Instanz im deutschen Sport hatte in den vergangenen Monaten mit sich selbst zu tun, es gab viele Wechsel in Führungspositionen. Hat das die Zusammenarbeit erschwert? Was wünschen Sie sich als einer der wichtigsten Förderer vom DOSB?
Ich bin nicht in der Position, mir vom DOSB etwas zu wünschen oder ihm Ratschläge zu erteilen. Wir sind ein kleiner Bestandteil der Spitzensportfamilie und bewegen uns in diesem großen Rad des DOSB nur am Rande.
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Wenn große Sportereignisse wie die Fußball-WM oder Olympische Spiele an aus westlicher Sicht nicht ganz lupenreine Demokraten vergeben werden, ist es dann Aufgabe der Bundeswehr, beim DOSB Kritik daran zu hinterlegen? Schließlich treten Sie für den Erhalt der Demokratie als Staatsform ein.
Dazu eine verbindliche Aussage zu treffen, das überstiege meine Kompetenz. Ich habe dazu sicherlich als Privatmann eine Meinung. Aber das ist ein zu großes Politikum, als dass ich diese in der Zeitung kundtun würde.
Bundeswehr: Umzug soll realisiert werden
Dann verraten Sie uns doch bitte zum Abschluss noch, welches in den kommenden Jahren das wichtigste Ziel ist, das die Sportfördergruppe Hamburg erreichen möchte.
Über allem steht für uns, dass wir auf Hamburger Stadtgebiet ansässig sein möchten. Wir arbeiten deshalb sehr auf einen Umzug an den Olympiastützpunkt in Dulsberg hin, wenn dieser in den kommenden Jahren endlich umgebaut werden kann. Das wäre für uns ein großer Wunsch und absolut zielführend für unsere Arbeit. Es ist bis dahin noch eine Menge zu tun, um alle Beteiligten davon zu überzeugen. Aber ich hoffe sehr, dass wir dieses Projekt innerhalb dieser Dekade realisieren können.