Hamburg. Vorbildlich: Die Hockey Pro League will bis 2025 klimaneutral sein. Eine neue Firma startet im Juni 2022 ein grünes Modellprojekt.
Neben einer großen Stärke am Glas auf Titelfeiern wird dem
Hockeysport nachgesagt, eine hohe Affinität zu Innovationen zu haben. Insofern überrascht es nicht, dass der Deutsche Hockey-Bund (DHB) am Donnerstagmittag die Nachricht, dass die Nationalteams der Damen und Herren in der Saison 2022 je zwei Duelle in der Weltserie Hockey Pro League (HPL) mit dem Erzrivalen aus den Niederlanden am 11./12. Juni in Hamburg bestreiten werden, mit der Vorstellung eines Vorhabens verband, das mittelfristig großen Einfluss auf den gesamten Sport nehmen wird.
In Kooperation mit dem gemeinnützigen Netzwerk „Green Events Hamburg“ will die HPL bis 2025 klimaneutral werden. Sie hat sich deshalb für 2022 als eins von 19 Events – darunter aus dem Sport auch der Hamburg Wasser Triathlon, der hella Halbmarathon und die Tennisturniere am Rothenbaum – für ein Pilotprojekt angemeldet, das wichtige Erkenntnisse für die Organisation nachhaltiger Veranstaltungen liefern soll.
Sport Hamburg: Vorbild in Sachen Klimaschutz
Treiber hinter dieser Idee sind die beiden Hamburger Jörg Schonhardt und Olaf Schirle. Ex-Bundesligaspieler Schonhardt (48) und der mit der Deutschen Hockey-Agentur im Veranstaltungsmanagement erfahrene Schirle (58) hatten sich während der Lockdownphase der Corona-Pandemie intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst.
„Unser Eindruck war, dass zwar alle schon davon gehört hatten, wie wichtig dieser Bereich für die Zukunft werden wird, aber sich bislang niemand darum gekümmert hat“, sagte Schonhardt. Im Ergebnis gründeten sie Ende 2020 das Unternehmen „Green Sports“, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kunden aus den vier Bereichen Vereine, Verbände, Veranstalter und Sportstädte beim Aufbau von Nachhaltigkeitskonzepten zu beraten.
Active-City-Konzept kommt Anfang 2022
Konkret bedeutet das, dass im ersten Schritt eine Ist-Analyse inklusive Beratung erfolgt, um zu eruieren, auf welchen Feldern im Bereich Nachhaltigkeit, zu dem die Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales zählen, der Kunde Optimierungspotenzial aufweist. Im zweiten Schritt wird ein Konzept dafür entwickelt, diese Potenziale zu heben, im dritten Schritt wird dieses Konzept umgesetzt. „Insgesamt ist das ein Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nimmt, und für den die meisten Player im Sport aktuell keine personellen Ressourcen haben“, sagte Schonhardt.
Warum es allerdings höchste Zeit ist, sich um diesen Bereich nachhaltig zu bemühen, verdeutlichte eine Aussage von Sportsenator Andy Grote, der bei der Präsentation der HPL-Spieltermine in der Handelskammer herausstrich, dass „ein schlüssiges Nachhaltigkeitskonzept in Zukunft unerlässlich für alle ist, die finanzielle Zuschüsse der Stadt beantragen.“
Dies werde, ebenso wie der Schritt zur Klimaneutralität, als Ziel im neuen Active-City-Konzept verankert sein, das Anfang 2022 die bisherige Dekadenstrategie ablöst. „Dazu kommt, dass viele Unternehmen künftig nur noch in Sportsponsoring investieren werden, wenn die Begünstigten ein schlüssiges Nachhaltigkeitskonzept vorweisen können. Insofern müssen sich alle so schnell wie möglich damit befassen“, so Schirle.
„Green Events“: Kein Papier und keine Einwegware mehr
Wichtig ist den Firmengründern die Feststellung, dass es ihrem Unternehmen keinesfalls um Greenwashing gehe, das seit Jahren von vielen Unternehmen praktiziert werde, die ihre klimaschädlichen Produkte mit einer Art Ausgleichszahlung als nachhaltig zu verkaufen versuchen, was wohl jeder beim Kauf von Flugtickets schon erlebt hat. „Es geht darum, ein komplett neues Bewusstsein zu schaffen und das Handeln grundlegend zu verändern“, sagte Schirle, „auf diesem Weg müssen alle eingebunden werden, sonst funktioniert es nicht.“
Am Beispiel des HPL-Events lässt sich darstellen, was er meint. Für die Ist-Analyse wurde in Kooperation mit den Projektleiterinnen Anna Kliemann und Nina Laible von „Green Events“ in einem 350 Fragen umfassenden Katalog erarbeitet, auf welchen Feldern Handlungsbedarf besteht. So wird im kommenden Jahr durch den Verzicht auf Plakate, Flyer und ein Programmheft sowie die Umstellung auf mobile Tickets der Papierverbrauch fast auf Null heruntergefahren.
Im Bereich Gastronomie wird Einwegware verboten, den Anbietern wird kostenfrei die Reinigung ihres Geschirrs offeriert. Auch der Gastgeber der vier Länderspiele – der Club an der Alster, der auf seiner Wellingsbütteler Anlage am Pfeilshof eine mobile Tribüne für 3000 Zuschauende errichtet –, trägt zur Nachhaltigkeit bei, weil er sein gesamtes Abwassersystem aus Regenwasser speist, das vor dem Versickern per Filteranlage gereinigt wird.
Einnahmen werden in Nachaltigkeitsprojekte investiert
Der Clou des Modellprojekts ist allerdings die Einführung eines „Green Tickets“. Wer vom 1. Dezember an auf der Internetseite hockeyticket.de Eintrittskarten ordert, der kann unter Angabe des Verkehrsmittels für die Anreise seine CO2-Emission ermitteln lassen. Wer zu Fuß oder per Fahrrad kommt, erhält eine Reduktion des Eintrittspreises; wer Auto fährt, zahlt etwas mehr. Um den Anreiz zu erhöhen, aufs Rad umzusteigen, wird nicht nur ein bewachtes Fahrradparkhaus aufgebaut.
Auch ein Reparatur- und Reinigungsservice wird angeboten, zudem soll es in Kooperation mit einem niederländischen Anbieter eine Verleihstation geben. „Wenn sehr viele Menschen mit dem Rad kommen, wird der Fehlbetrag im Ticketverkauf von einem Sponsor ausgeglichen. Wenn wir Mehreinnahmen durch Autofahrer haben, werden diese komplett in Nachhaltigkeitsprojekte investiert“, sagte Schirle.
„Um den Klimawandel zu gestalten, bleibt nicht viel Zeit“
2022 soll das „Green Ticket“ freiwillig angeboten werden, um Referenzwerte zu ermitteln, von 2023 an soll es Pflicht sein. Dank all dieser Maßnahmen wird die Nachhaltigkeitsquote des HPL-Events von 27 Prozent bei der Ist-Analyse in 2020 auf rund 80 Prozent im kommenden Jahr gesteigert werden, 2025 soll sie dann bei 95 Prozent liegen und damit Klimaneutralität erreicht haben.
„Das wäre deutlich schneller als das, was wir im Active-City-Konzept vorgeben“, sagte Grote. Vorreiter in Hamburg zu sein, das ist indes nicht der Antrieb für Jörg Schonhardt und Olaf Schirle. Sie hoffen, „dass viele erkennen, wie wichtig das Thema ist. Denn um den Klimawandel zu gestalten, bleibt nicht viel Zeit.“