Hamburg. In der Premier League sind Räume für gläubige Spieler inzwischen eher Regel als Ausnahme. Wie sieht es in den Bundesligen aus?
Die Nachricht schaffte es im Januar 2020 bis in die ägyptische Hauptstadt Kairo: Der FC Liverpool, Verein des Nationalhelden Mohamed Salah (28), hatte einen Gebetsraum in seinem Trainingszentrum eingerichtet – nicht nur, aber auch für seine muslimischen Profispieler. Seither, berichtete die Tageszeitung „Egypt Independent“, werde er regelmäßig genutzt, im Übrigen auch von vielen anderen Teamkollegen, die den Ort zur inneren Einkehr nutzten.
Gebetsräume in Nachwuchsleistungs- und Trainingszentren sind im englischen Vereinsfußball inzwischen eher die Regel aus Ausnahme. Schon vor Jahren begannen die ersten Clubs, sie in die Arenen zu integrieren – als Zeichen an jene Fans, die ihrem Bedürfnis nach einem Gebet an Spieltagen sonst nirgendwo geschützt nachkommen konnten. Der Gedanke sprang auf die Trainingszentren über – nicht nur beim FC Liverpool mit seinem auch sehr gläubigen deutschen Teammanager Jürgen Klopp. Arsenal London, der FC Chelsea oder Newcastle United stellen ihren Teams ebenfalls einen religiösen Rückzugsort zur Verfügung.
Nationalspieler Rüdiger: Täglich fünf Gebete
Der Gedanke eines Gebetsraums wurzelt in der Idealvorstellung einer diversen Arbeitswelt: You can bring your whole self to work, lautet das Motto: Sei du selbst bei der Arbeit, wer immer du bist. Doch um diverse Teams schaffen zu können, muss Raum sein für die persönlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer. Gläubige Muslime, wie zum Beispiel Mohamed Salah oder auch Nationalspieler Antonio Rüdiger, verrichten am Tag insgesamt fünf Gebete. Es ist die oberste Pflicht für alle Muslime.
Auch wenn die Existenz eines Gebetsraums allein kein Grund für einen Vereinswechsel sein dürfte, ist der Gedanke, auf die persönlichen Bedürfnisse aller Profis einzugehen, auch für den Profifußball relevant. Wie sieht es also in den 36 Vereinen der Bundesliga und Zweiten Liga aus?
Schalker Profis wurden selbst aktiv
Tatsächlich ist das Phänomen Gebetsraum im deutschen Profifußball eher die Ausnahme als die Regel – geht man nach den 26 Antworten, die das Abendblatt auf eine Anfrage erhielt. Viele Medienabteilungen reagierten überrascht: Es habe noch nie jemand danach gefragt. Sollte es jedoch Bedarf geben, könne man gerne einen Raum zur Verfügung stellen.
Bei Schalke 04 wurde allerdings genau dieser Wunsch in der vergangenen Saison formuliert, inmitten der eigenen Mannschaft: „Im Profileistungszentrum haben wir sehr viele Räumlichkeiten, sodass sich die Jungs zu Beginn der Saison selbst einen Raum ausgesucht haben, in dem sie beten“, hieß es in der Antwort der Pressestelle. Und: Der VfL Wolfsburg verfügt über einen interreligiösen Gebetsraum, allerdings nicht im Trainingszentrum, sondern im Stadiongebäude integriert.
„Unsere kleine VfL-Kapelle befindet sich im Erdgeschoss der Volkswagen Arena, sie ist für Menschen aller Glaubensrichtungen angelegt“, schreibt Nico Briskorn, Leiter Corporate Social Responsibility. Gewidmet ist sie den verstorbenen VfL-Spielern Junior Malanda und Krzysztof Nowak. Der polnische Nationalspieler war 2005 an einer Nervenkrankheit gestorben, Malanda im Januar 2015 mit nur 20 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Der Gebetsraum liegt direkt in der Nähe der Profikabinen, sodass sich Spieler auch noch kurz vor dem Aufwärmen zurückziehen können.
Arne Friedrich kommt an Spieltagen zur Andacht
Auch bei Hertha BSC liegt ein Gebetsraum direkt in der Nähe der Kabinen, allerdings ist es nicht nur ein Raum, sondern eine Kapelle – und sie ist christlich. Anlässlich der WM 2006 wurde sie im Berliner Olympiastadion eingeweiht und wird seitdem regelmäßig benutzt. „An den Spieltagen ist das ein Miteinander, das man so nirgendwo anders findet“, sagt Pfarrer Bernhard Felmberg, der die Andacht im Bauch des Stadions hält.
„Diese Kapelle ist der einzige Ort im Stadion, wo Fans aus der Ostkurve mit dem Hertha-Präsidenten und einer Konfirmandengruppe aus Brandenburg zusammensitzen.“ Auch Profis kämen vorbei, wenn es der Ablauf vor dem Spiel ermögliche, erzählt Felmberg. „Arne Friedrich, der damals Spieler war, der kam immer rein. Und jetzt ist er in Verantwortung bei Hertha BSC und kommt weiter.“
Gebetsräume: Die Lage bei HSV und St. Pauli
Im Hamburger Profifußball gibt es bislang keine Kapelle, bei der Langen Nacht der Kirchen an diesem Sonnabend ist keiner der beiden Vereine beteiligt. Auch in den Nachwuchs- und Trainingszentren fehlt ein Gebetsraum bislang.
Beim FC St. Pauli hänge dies damit zusammen, „dass wir bislang keinen Spieler in unseren Reihen haben, der einen in Anspruch nehmen möchte. Sollte sich die Situation ändern, würden wir natürlich schauen, welche Möglichkeiten es gäbe“, sagt Pressesprecherin Anne Kunze.
Der HSV hat vor Kurzem das Projekt „Trauer- und Gedenkkultur“ zusammen mit der HAW Hamburg begonnen – und wird sich darin auch mit der Möglichkeit eines Gebetsraums beschäftigen.