Hamburg. Beim Senatsempfang im Rathaus tragen sich Olympia- und Paralympicsstarter ins Goldene Buch der Stadt ein. Beachvolleyballer in Uniform.
Zugegeben, es erschließt sich nicht auf den ersten Blick, was Reichskanzler Otto von Bismarck und die Schwimmerin Hannah Küchler verbindet. Aber wer die Ehre hatte, den Senatsempfang für die Hamburger Sportlerinnen und Sportler zu besuchen, die in diesem Sommer die Stadt bei den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio vertraten, der weiß nun, was die beiden eint: Sie sind die Ersten, die sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen durften. Otto von Bismarck tat dies 1897, Hannah Küchler am Donnerstagnachmittag im Großen Festsaal des Rathauses, in den Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) geladen hatte.
„Ich war schon ein wenig überfordert mit der Situation, weil ich nicht genau wusste, was mich erwartet und was ich tun muss. Aber natürlich ist es eine große Ehre“, sagte die 19-Jährige vom AMTV-FTV Hamburg, die in Japans Hauptstadt in der 4x100-Meter-Freistilstaffel zum Einsatz gekommen war. Hamburg ist bundesweit die einzige Stadt, die nicht nur Medaillengewinnern die Ehre zuteil werden lässt, sich in das Goldene Buch einzutragen, das streng genommen eine Loseblattsammlung in goldenem Einband ist – sondern allen, die die Qualifikation für die größten Sportfeste der Welt geschafft haben.
Alexander Zverev und Edina Müller fehlen
Wären lediglich die mit Edelmetall Dekorierten autogrammberechtigt gewesen, hätte Moderator Jörg Schonhardt einen sehr kurzen Arbeitsnachmittag gehabt. Torben Johannesen (26) vom RC Favorite Hammonia, der mit dem Deutschlandachter zu Silber gerudert war und die trainingsfreie Zeit nach Tokio dafür genutzt hat, mit seiner Partnerin ein Haus nahe Lübeck zu renovieren und zu beziehen, war als einziger Hamburger Medaillengewinner anwesend.
Edina Müller (38/HSV), Paralympicssiegerin im Kanurennsport; Alexander Zverev (24/Uhlenhorster HC), Olympiasieger im Tennis; Susann Beucke (30/Norddeutscher Regatta Verein), die im 49er ebenso zu Silber segelte wie ihre Clubkameraden Erik Heil (32) und Thomas Plößel (33) zu Bronze – sie alle waren wegen sportlicher Verpflichtungen nicht in der Lage, der Einladung Folge zu leisten.
Andy Grote: „Ihr seid die Besten“
Die, die da waren, genossen es umso mehr. Allen voran Schwergewichtsboxer Ammar Riad Abduljabbar. Der 25-Jährige vom früheren Bundesligateam Hamburg Giants war 2010 aus dem Irak nach Deutschland gekommen und hatte sich bis ins Nationalteam durchgekämpft.
Nun im Rathaus seiner neuen Heimatstadt stehen und sich vom Bürgermeister („Die Stadt ist stolz auf Sie alle, Sie sind Vorbilder für viele“) und Sportsenator Andy Grote („Ihr seid die Besten, ihr vertretet die Stadt auf dem höchsten Niveau, das das Land zu bieten hat“) ehren zu lassen berührte ihn sichtlich. „Ich habe überall Gänsehaut. Vor zehn Jahren hätte ich mir niemals träumen lassen, dass ich heute hier stehen würde“, sagte der Sportsoldat, der im Oktober seine Grundausbildung abschließen wird.
In Dienstanzügen von Heer, Luftwaffe und Marine
In Ausgehuniform war er mangels Dienstgrad nicht gekommen; anders als die anderen Mitglieder der Sportfördergruppe Hamburg. Torben Johannesen, dessen Ruderkollege Stephan Riemekasten (28/Hamburger und Germania RC), Beachvolleyballer Clemens Wickler (26/Eimsbütteler TV) und die Hockeyasse Viktoria Huse (25/Club an der Alster) und Constantin Staib (26/Hamburger Polo Club) machten in den Dienstanzügen von Heer, Luftwaffe und Marine einen ganz anderen Eindruck als in ihren gewohnten Sportoutfits. Nils Vollrath, Leiter der Sportfördergruppe, freute das.
Senator Grote hob in seiner Rede hervor, dass die Stadt den Fokus bewusst nicht nur auf die in Medaillen messbaren Erfolge lenke, sondern alle im Blick haben wolle. „Auch die, die auf den Plätzen vier bis sechs landen, zählen zur absoluten Weltspitze. Darauf sind wir genauso stolz wie auf die, die Medaillen gewinnen“, sagte er. Deshalb, versprach er, werde Hamburg auch in den kommenden drei Jahren „alles in unseren Kräften Stehende tun, dass ihr in Paris 2024 mindestens so erfolgreich sein werdet wie jetzt in Tokio“.
Tschentscher: „Nicht einmal für die Queen“ darf das
Welchen Stellenwert der Sport genieße, sei auch daran abzulesen, sagte Bürgermeister Tschentscher, dass sich Olympia- oder Paralympicsteilnehmer mehrfach ins Goldene Buch eintragen dürften. Am Donnerstag kamen Johannesen, der 2016 als Ersatzmann in Rio de Janeiro war, und die Rollstuhlbasketballerinnen Mareike Miller (31) und Maya Lindholm (30/beide BG Baskets Hamburg) in diesen Genuss. Für alle anderen Geehrten, sagte der Bürgermeister, sehe das Protokoll das nicht vor, „nicht einmal für die Queen“.
Die ungekrönte Königin des Hamburger Sports stand derweil am Rand und freute sich über die Wertschätzung für ihre Schützlinge. Ingrid Unkelbach, Leiterin des Olympiastützpunktes in Dulsberg, war von Tschentscher und Grote für ihre Verdienste mit warmen Worten und einem großen Blumenstrauß bedacht worden. Ins Goldene Buch hat sie sich noch nicht eintragen dürfen, aber das kann ja noch kommen. Sie wäre dann immerhin die erste Olympiastützpunktleiterin, der diese Ehre zuteil wird.