Berlin. Mehrere deutsche Reiter trauern um ihre toten Pferde. Sie starben an einem Virus, das sich von Valencia aus aggressiv ausbreitet. Der Weltverband reagiert mit einem Turnierverbot. Aber reicht das?

Mitten in der Corona-Krise trifft den Reitsport ein weiteres Virus. Von Spanien aus verbreitet sich eine Herpes-Variante, die nach Angaben des Weltverbandes FEI besonders aggressiv ist und bereits mehrere Pferde getötet hat.

"Ein Alptraum, den niemand erleben sollte", kommentierte die Springreit-Weltmeisterin Simone Blum den Tod von inzwischen vier Pferden aus deutschen Turnierställen. Der Weltverband hat zunächst mit der Absage aller internationalen Turniere in Deutschland und neun weiteren Ländern reagiert.

Teilnehmer einer Turnierserie in Valencia berichten von dramatischen Szenen und der Trauer nach dem Verlust der vertrauten Vierbeiner. "Wir kämpfen hier Schulter an Schulter um unsere Pferde", sagte Hilmar Meyer, der im niedersächsischen Thedinghausen einen Handels- uns Ausbildungsstall betreibt und bisher zwei Pferde verloren hat. Die Situation vor Ort sei "sehr, sehr schlimm".

"Das Virus ist sehr aggressiv", berichtete Mike Patrick Leichle, der wie Meyer und ein knappes Dutzend deutscher Reiter Anfang Februar zur mehrwöchigen Spring Tour nach Valencia gefahren ist. Der Reiter und Turnierstallbetreiber aus Schnarup-Thumby in Schleswig-Holstein hat bisher ein Pferd in Valencia verloren und hofft nun auf das Überleben der elf verbliebenen Tiere.

Von den örtlichen Behörden, Tierärzten und vom Weltverband fühlt sich Leichle mehr oder weniger im Stich gelassen. Die Informationen aus Valencia, wo bereits am Sonntag eine Woche zuvor mehrere Pferde starke Symptome gezeigt hatten, "sind viel zu spät weitergegeben worden", klagte der Reiter. Laut Meyer und Leichle sind in Valencia bisher zehn Pferde gestorben. Nach Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die auch die nationalen Turniere absagte, sind bisher vier deutsche Pferde der Viruserkrankung zum Opfer gefallen.

Der Weltverband geht derzeit von drei weiteren europäischen Ländern aus, in denen es Fälle gibt. Valencia-Teilnehmer haben das Virus laut FN auch nach Deutschland gebracht. Herpesvirus-Infektionen sind nach Angaben des Verbandes hierzulande "nicht anzeige- oder meldepflichtig". Laut FN verursachen die Viren auch "keine auf Menschen übertragbaren Krankheiten".

Die FEI geht davon aus, "dass eine große Anzahl von Pferden den Veranstaltungsort in Valencia ohne ein offizielles Gesundheitszeugnis verlassen hat". In einer Mitteilung hieß es weiter: "Einige Pferde waren bereits krank, und das Risiko einer Übertragung von diesen Pferden ist ein großes Problem."

Der Virus-Ausbruch "macht natürlich auch uns Angst", berichtete Blum. Die Weltmeisterin hat vor ein paar Wochen bei einer Turnierserie im spanischen Vejer de la Frontera ihre Vorbereitung auf die Olympia-Saison gestartet. "Wir fühlen uns hier in Vejer sicher", schrieb Blum bei Instagram.

Um die weitere Ausbreitung zu stoppen, hat die FEI in zehn Ländern Turniere verboten. Diese Regelung gilt zunächst bis zum 28. März. Bereits laufende Serien wie in Jerez dürfen allerdings weiter ausgetragen werden, weil sie als "Blase" gelten, solange es keinen nachgewiesenen Fall gibt. "Pferde dürfen diese Orte nur verlassen, wenn sie im Besitz eines amtlichen Gesundheitszeugnisses der örtlichen Veterinärbehörden sind", heißt es beim Weltverband.

Die FN hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen alle deutschen Teilnehmer kontaktiert und darüber aufgeklärt, welche Schutzmaßnahmen auf der Heimreise sowie nach der Rückkehr zu beachten sind. Alle Pferde, die seit dem 1. Februar an Turnieren in Valencia teilgenommen haben, sind vorerst für weitere Turnierteilnahmen gesperrt. "Erst wenn diese Pferde auf das EHV-1 getestet wurden und das Testergebnis negativ ausgefallen ist, dürfen diese Pferde wieder an Turnieren teilnehmen", hieß es in einer Mitteilung.

Der "Ausbruch ist wahrscheinlich der schlimmste seit vielen Jahrzehnten in Europa", sagte FEI-Generalsekretärin Sabrina Ibáñez. Die Turnier-Absage sei "keine leichte Entscheidung" gewesen, vor allem "nach der durch die Covid-19-Pandemie verursachten größeren Störung".

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