Hamburg. Der Mittelfeldstar stellt den Plan des Bundestrainers infrage und sorgt sich um die EM. Kritische Stimmen auch von Matthäus und Lahm.
Nun hat auch Nationalspieler Toni Kroos Zweifel an der Ausbootung des Weltmeister-Trios Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels geäußert und dabei Bundestrainer Joachim Löw für seinen Kurs kritisiert.
„Ich glaube, dass man am Ende auch ein bisschen vorausschauend planen muss“, sagte der Mittelfeldspieler von Real Madrid bei Sky: „Ob der Plan vom Trainer, wie er es damals wollte, bis heute so aufgegangen ist, stelle ich jetzt einmal infrage.“
Kroos: Schenkt Löw die EM ab?
Im Hinblick auf die EM im Sommer gehe es für Löw auch darum, „dass wir die bestmögliche Mannschaft für dieses Turnier hinbekommen – mit den formstärksten und denen, die am besten zusammenpassen. Du darfst als Deutschland natürlich kein Turnier abschenken“, sagte Kroos, der zugab, dass er in der Frage nach seinen ehemaligen Teamkollegen „ganz schön befangen“ sei.
Mit anderen Worten: Wäre eine andauernde Nichtberücksichtigung von Müller, Boateng und Hummels gleichbedeutend mit einer hergeschenkten EM? Nach Ansicht von Toni Kroos offenbar schon.
Kroos: Löw hat "einen Arsch in der Hose"
Grundsätzlich verteidigte er Löw allerdings gegen die vermehrte Kritik. Der Bundestrainer sei „hochmotiviert für das Turnier“. Er habe „Entscheidungen getroffen, die einen Arsch in der Hose brauchen“. In seinen Augen habe Löw „es verdient, in diesem Turnier zu zeigen, dass er es im Vergleich zu 2018 umdrehen kann“.
Die Spiele in der Gruppenphase gegen Weltmeister Frankreich, Titelverteidiger Portugal und Ungarn sieht Kroos als „Mega-Herausforderung. Wir müssen von Anfang an richtig gut sein.“ Der allgemeine Tenor sei zwar nicht, dass das DFB-Team zu den Favoriten gehöre, dennoch habe er auch das Ziel, „bei dieser EM den Titel zu gewinnen“, sagte der 31-Jährige.
Matthäus fordert anderes Auftreten von Löw
Gut einen Monat vor den ersten Länderspielen im Jahr 2021 fordert zudem Rekordnationalspieler Lothar Matthäus ein anderes Auftreten als zuletzt vom Bundestrainer. „Wichtig ist, dass Löw die richtigen Entscheidungen trifft, dass er wieder selbstsicher auftritt, dass er mit der Mannschaft eine Einheit bildet – nicht wie in Spanien beim 0:6, wo ich ihn im Stadion nicht gehört habe, obwohl keine Zuschauer dort waren“, sagte der 59-Jährige bei „Sport1“.
Zugleich verlangte Matthäus, dass der Weltmeister-Trainer künftig seine Entscheidungen öffentlich transparent erklärt. Der Zuschauer, der Fan und der Journalist, sie alle hätten vom Bundestrainer Antworten zu bekommen. „Das ist er ihnen als Nationaltrainer schuldig“, sagte der frühere Weltfußballer.
Die deutsche Nationalmannschaft bestreitet Ende März drei Qualifikationsspiele zur WM 2022 in Katar. Neben den Heimspielen gegen Island (25. März) und Nordmazedonien (31. März) steht für das Team von Löw am 28. März eine Partie in Rumänien an.
Philipp Lahm spricht Fans aus der Seele
Auch Philipp Lahm sieht die Entwicklung nicht nur aufgrund der historischen Schmach von Sevilla im November kritisch. „Wenn ich vor dem Fernseher sitze, will ich eine Nationalmannschaft sehen, die mich begeistert, die mit Freude bei der Sache ist. Die weiß, dass sie unser Land repräsentiert“. Das habe er in letzter Zeit „etwas vermisst“, so der Weltmeister-Kapitän von 2014 gegenüber dem „Mannheimer Morgen“.
Lahm trifft damit den Nerv der Fans. In der „Kicker“-Winterumfrage bewerteten 27,8 Prozent die Arbeit von Löw mit der Schulnote sechs. Im Durchschnitt kam der 61-Jährige auf die Note 4,5. Zudem antworteten 89,4 Prozent der Teilnehmer auf die Frage, ob Löw mit dem Neuaufbau der Nationalmannschaft auf dem richtigen Weg sei, mit „Nein“.
0:6 in Spanien: Bierhoff sieht auch Positives
DFB-Direktor Oliver Bierhoff sieht in dem Stimmungstief nach dem 0:6 in Spanien bei aller Enttäuschung auch etwas Positives. „Das war natürlich eine sehr hitzige, emotionale Diskussion danach, die mich auf der einen Seite ein bisschen gefreut hat, weil sie gezeigt hat, wie viel die Nationalmannschaft den Menschen noch bedeutet“, sagte der 52-Jährige im Interview mit RTL/ntv, „aber wir müssen aufpassen, dass das keinen längeren negativen Effekt auf uns hat.“
Dafür können nur ein gelungener Start in die WM-Quali und eine erfolgreiche EM sorgen.