Hamburg. 1987 lud der HSV den SSC Neapel zu einem Jubiläumsspiel ins Volksparkstadion. Der Rummel war groß, doch es gab auch Enttäuschungen.
Für den Besten ist das Beste gerade gut genug. Balkon, Blick auf die Alster, zwei Marmorbäder, Seidentapeten, Kabelfernsehen mit Video und Blumendekoration: So logiert Diego Maradona im Hotel Inter-Continental. Während seine Kollegen vom SSC Neapel jeweils zu zweit ein Zimmer beziehen, wird für den Kleinsten die Suite hergerichtet. 50 Quadratmeter, 1200 Mark die Nacht. Eine VIP-Hostess kümmert sich um jeden weiteren Wunsch. Dem König des Fußballs soll es bei seinem Aufenthalt in Hamburg an nichts fehlen.
Es ist der Sommer 1987, und Maradona ist auf der Höhe seines Schaffens. Ein Jahr zuvor hat er Argentinien fast im Alleingang zum WM-Titel geführt, mit einem letzten genialen Pass im Finale hat er die deutsche Abwehr ausgehebelt und Jorge Burruchaga den 3:2-Siegtreffer serviert. Und nur wenige Wochen vor seiner Ankunft in Hamburg hat er dem SSC Neapel, den Underdog aus dem armen Süden Italiens, zum ersten Meistertitel und zum Pokalsieg geschossen. Maradona ist erst 26, aber schon eine Legende.
Kurzum: Einen würdigeren Stargast, um das 100-jährige Vereinsbestehen zu feiern, könnte es für den HSV nicht geben. 200.000 Dollar Gage überweist der immerhin amtierende DFB-Pokal-Sieger an die Italiener, damit die sich am 13. August zu einem Freundschaftsspiel im Volksparkstadion herablassen – Spesen nicht inbegriffen. Allein die Hälfte der Summe kassiert Maradona. Vizepräsident Helmut Kallmann ist eigens nach Mailand gereist, um den Vertrag zu unterzeichnen. Ein großes Fußballfest soll es werden mit dem Fußballgott mittendrin.
Maradona kommt mit Übergewicht nach Hamburg
Und da ist er also. "Mit einem Brillanten im linken Ohr, verwaschenen Jeans, weißem Sweatshirt, schwarz-weiß gestreiftem Schal und weißen Puma-Turnschuhen betrat der Kapitän der argentinischen Weltmeister-Elf Hamburger Boden", notiert Reporter Dieter Matz im Abendblatt. 200 Fans lauern ihrem Idol am Flughafen Fuhlsbüttel auf. Einer klettert vor Begeisterung über eine Absperrung und wird von der Polizei abgeführt.
Maradona scheint der Rummel zu viel zu werden. Als er am Ausgang die jubelnde Menge sieht, dreht er kurz um. Dann überlegt er es sich doch wieder anders und bahnt sich seinen Weg zum Bus, der die Mannschaft zum Hotel bringt.
Am Abend schauen 550 Menschen zu, wie Napoli am Rothenbaum trainiert. "Maradona, das war unübersehbar, hatte noch Übergewicht", bemerkt das Abendblatt. Im Trainingsspiel erzielt er trotzdem ein Tor. Die Erwartungen hätten kaum größer sein können.
Maradona lässt sein Können aufblitzen
Doch am Spieltag kommt beim HSV Unruhe auf. Gerüchte machen die Runde, Maradona könne nicht spielen. Auf der Geschäftststelle erwägt man schon, das Spiel abzusagen und den Zuschauern das Geld zurückzuzahlen.
So weit kommt es nicht. Maradona spielt.
Das Abendblatt aber fällt hernach ein vernichtendes Urteil: "Das Spiel des Jahres war der Flop des Jahres." Schon die Kulisse stimmt nicht. Obwohl das Spiel nicht im Fernsehen übertragen wird, waren nur 22.000 Fans bereit, den stolzen Preis von 25 (Stehplatz Kurve) bis 60 Mark (Sitzplatz Haupttribüne überdacht) zu zahlen. Mindestens 25.000 hätten es sein müssen, um die HSV-Rechnung aufgehen zu lassen. So bleibt unterm Strich ein Minus von 100.000 Mark, wie Schatzmeister Horst Becker nach dem Schlusspfiff vorrechnet.
Immerhin: Maradona versucht, den Menschen etwas für ihr teures Geld zu bieten. Seine Bilanz: 47 Ballkontakte, fünf Freistöße, 14 kurze, acht lange Pässe, viermal herausgeholte Freistöße und ein Tor per Elfmeter. Immer wieder lässt er sein Ausnahmekönnen aufblitzen und bringt Hamburgs Abwehrspieler Thomas Kroth und Dietmar Beiersdorfer in Verlegenheit.
Der Mann des Spiels aber heißt Heinz Gründel. In seinem ersten Einsatz nach achtmonatiger Verletzungspause erzielt er erst den 2:2-Ausgleich und in der Schlussminute den 3:2-Siegtreffer für den HSV, volley aus zwölf Metern, Maradona hätte es nicht besser machen können.
Feierstimmung will trotzdem nicht aufkommen. "Der Besucher hatte zu keinem Zeitpunkt der knapp zweistündigen Veranstaltung das Gefühl, hier feiere ein traditionsreicher Club sein 100-jähriges Jubiläum", merkt Abendblatt-Reporter Rainer Grünberg kritisch an. Der HSV habe es versäumt, aus dem Gastspiel der Neapel-Stars ein Geburtstagsfest zu machen. HSV-Präsident Wolfgang Klein entschuldigt sich für das fehlende Rahmenprogramm: "Es war äußerst schwierig, Maradona und Neapel für unser Publikum nach Hamburg zu holen. Da blieb für andere Dinge überhaupt keine Zeit mehr."
Abendblatt-Reporter Grünberg findet das "schade, denn die Chance, ein Stück seiner Tradition und seines vielfältigen Vereinslebens einem größerem Interessentenkreis vorzustellen, wird sich dem HSV in diesem Rahmen nicht so bald wieder eröffnen". Einen Titel hat der HSV seitdem nicht mehr gewonnen.
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Zum 125-jährigen Bestehen lädt der HSV 2012 den FC Barcelona ins Volksparkstadion. 57.000 Menschen kaufen sich ein Ticket, um einmal Lionel Messi zu erleben, Maradonas Nachfolger als Fußballgott und Nummer zehn der argentinischen Nationalmannschaft. Am Morgen des Spiels sagt Messi seine Teilnahme ab. Das Spiel findet trotzdem statt, der HSV verliert 1:2, macht aber knapp eine Million Euro Gewinn.
Mehr braucht man über dieses Spiel nicht zu erzählen. Diego Maradona aber, der am Mittwoch im Alter von 60 Jahren starb, hat auch in Hamburg seine unverwechselbare Spur hinterlassen.
Diese Persönlichkeiten sind 2020 gestorben: