Köln. Vorne hui, hinten pfui: Nach dem turbulenten 3:3 der DFB-Elf gegen die Schweiz steigt der Druck auf Bundestrainer Joachim Löw.
Joachim Löw umarmte kurz sein Gegenüber Vladimir Petkovic und lächelte, doch wirklich zufrieden konnte er nicht sein: Nach einer Achterbahnfahrt mit mehreren Loopings steigt bei der deutschen Nationalmannschaft der Druck auf den Bundestrainer. „Es war heute wahnsinnig intensiv. Beide Mannschaften haben nach vorne viel riskiert, aber natürlich auch viele Fehler gemacht“, sagte Löw nach dem turbulenten 3:3 (1:2) gegen die Schweiz.
Mit der von Kritiker Bastian Schweinsteiger geforderten Viererkette und verändertem Offensivpersonal leistete sich die DFB-Elf in Köln fatale Abwehrfehler, schoss aber auch zauberhafte Tore. „Am Ende sind wir mit dem Punkt nicht zufrieden. Wir haben den Anspruch, solche Spiele zu gewinnen“, sagte Jubilar Toni Kroos nach seinem 100. Länderspiel.
Wie Löw drei Gegentore gegen die Schweiz erklärt
Löw wollte in der Nations League durch die Abkehr von der Dreierkette mehr offensive Dynamik erzeugen. Allerdings war die Abwehr klar die Schwachstelle: Sie patzte beim Geisterspiel in Köln bei allen drei Gegentoren. „Klar: Wenn es drei Gegentore gibt, ist es defensiv nicht gut“, sagte Kroos. Löw erklärte: „Wir haben bewusst viel riskiert und überall Mann gegen Mann gespielt. Das war natürlich auch Risiko.“
Es sind Worte, die wie eine Rechtfertigung klingen. Als hätte Löw Defensivprobleme und damit auch Gegentore einkalkuliert, um die Offensive zu stärken.
Ein Risiko mit Folgen: Vor dem 0:1 durch Mario Gavranovic (5.) missglückte die Abseitsfalle. Beim 0:2 durch Remo Freuler (26.) war die Verteidigung nach einem schlimmen Ballverlust von Kroos entblößt. Timo Werner (28.) und Havertz (55.) brachten die deutsche Mannschaft zurück, aber postwendend führte ein erneuter Abwehrfehler zum 2:3 durch Gavranovic (57.). Serge Gnabry traf mit der Hacke zum Endstand (60.).
Nationalmannschaft: Löw nennt es einen Plan
Für Löw war das Spiel die neuerliche Gelegenheit, seinen Kritikern nicht nur verbal zu begegnen. Schweinsteiger, Lothar Matthäus, Berti Vogts – drei Weltmeistergenerationen hatten an Taktik, Personal und Auftreten herumgemäkelt.
Löw zuckte zunächst mit den Achseln: „Wir haben einen Plan, und den ziehen wir durch.“ Allerdings wechselte er, was doch sehr für ein offenes Ohr sprach, seine Abwehrformation. Robin Gosens hinten links, der 100-Millionen-Euro-Mann Havertz in einer variablen Dreier-Offensivreihe und dessen Chelsea-Kollege Werner in der Spitze kamen neu ins Team. „Wir wollen hinten schnell rausspielen und viel mehr Geschwindigkeit auslösen“, sagte Löw der ARD. Julian Draxler, Niklas Süle und Marcel Halstenberg blieben außen vor.
Nationalmannschaft erwischt Katastrophen-Start
Doch der Beginn misslang: Nach einem Eckball stand Gavranovic alleine da, sein Kopfball-Lupfer fiel hinter Neuer ins Tor. Mit der Konzentration war es ganz offensichtlich nicht weit her. Offensiv rochierten Havertz, Gnabry und Goretzka, das Mittelfeld wurde schnell überbrückt, doch die Räume am Strafraum waren mit wenigen Ausnahmen (Gosens, 35.) extrem eng. Die vielen, vielen Flanken und Chip-Bälle, zumeist von rechts, brachten wenig Ertrag.
Ganz anders die Schweiz, die nach einem Konter erneut gnadenlos zuschlug. Kroos hatte sich im Mittelfeld einen Fehlpass geleistet. Werner brachte die DFB-Elf immerhin nach Balleroberung von Havertz blitzschnell zurück, dennoch war Löw an der Außenlinie absolut unzufrieden.
Löw-Elf zeigt Moral gegen die Schweiz
Seine Mannschaft kam druckvoll und konsequenter aus der Pause. Die Schweizer, ein „Team Bundesliga 2“, sahen sich in ihre Hälfte gedrängt und befreiten sich nur noch sporadisch – dann aber brandgefährlich, wie beim 2:3, bei dem Joshua Kimmich in seinem 50. Länderspiel den Ball nicht aus dem Strafraum geschlagen bekam. Gavranovic traf mit einem wuchtigen Schuss, Neuer war ohne Reaktionsmöglichkeit.
Das Spiel war nun eine einzige Berg- und Talfahrt. Nach dem 3:3 drückte die deutsche Mannschaft energisch auf die Führung, der eingewechselte Draxler (81.) verzog knapp. Fabian Schär sah in der Nachspielzeit noch Gelb-Rot.