Frankfurt am Main. Rund 200 Beamte durchsuchen am Mittwoch die Geschäftsräume des DFB und Privatwohnungen von DFB-Verantwortlichen.
Fritz Keller war sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. „Ich kann nur sagen, dass wir in der Angelegenheit vollumfänglich kooperieren werden“, versprach der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dem der Razzia-Schock vom Mittwochmorgen noch in den Knochen steckte. Wenige Stunden vor dem Länderspiel gegen die Türkei durchsuchte die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main die DFB-Zentrale sowie die Wohnungen von sechs „gegenwärtigen und ehemaligen“ Verbandsfunktionären. Es geht um den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung.
„Ich bin angetreten für eine Öffnung und Transparenz“, äußerte Keller: „Und eigentlich kann ich eine staatliche Unterstützung in den Untersuchungen nur begrüßen.“ Der 63-Jährige betonte allerdings, dass er sich erst einmal einen Überblick verschaffen müsse.
Warum die Staatsanwaltschaft gegen den DFB ermittelt
Laut der Staatsanwaltschaft besteht der „Verdacht der fremdnützigen Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen“. Konkret geht es um Einnahmen aus der Bandenwerbung bei Länderspielen in den Jahren 2014 und 2015, im Visier der Ermittler steht vor allem der dazugehörige Vertrag vom Dezember 2013.
An den Durchsuchungen in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz waren rund 200 Beamte beteiligt - auch die Steuerfahndung, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei kamen zum Einsatz.
Kellers Ankündigung entsprechend sagte der DFB den Ermittlern laut einer Pressemitteilung „bei der Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe Kooperation zu“. Die Staatsanwaltschaft habe dem Verband mitgeteilt, „dass sich die Ermittlungen auf den Verdacht von Steuerstraftaten beschränken“ würden.
Steuer-Razzia: Was wussten die DFB-Chefs?
Den sechs beschuldigten Personen wird zur Last gelegt, Einnahmen „bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt zu haben, damit der DFB insoweit einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entging“. Die Namen der Verdächtigen wurden in der Mitteilung von Oberstaatsanwältin Nadja Niesen nicht genannt.
In der fraglichen Zeit war Wolfgang Niersbach Präsident des Verbandes. Der 70-Jährige sagte allerdings dem SID, dass es bei ihm keine Durchsuchung gegeben habe. Einer der Vizepräsidenten war der nach wie vor im Amt befindliche Rainer Koch, auch Reinhard Rauball war damals DFB-Vize - ab dem 10. November 2015 stand das Gespann Koch/Rauball nach dem Rücktritt von Niersbach kommissarisch an der Spitze des Verbandes. Als Schatzmeister fungierte der spätere Verbandsboss Reinhard Grindel. Das Amt des Generalsekretärs hatte Helmut Sandrock inne. Derzeit ist Friedrich Curtius Generalsekretär, Stephan Osnabrügge ist Schatzmeister.
Der DFB-Ärger um die Agentur Infront
Die Bandenwerbung lag in den Händen der Vermarktungsagentur Infront. Zuletzt hatte der DFB die Zusammenarbeit mit dem in der Schweiz ansässigen Unternehmen wegen Unregelmäßigkeiten „im Zusammenhang mit dem Zustandekommen und der Erbringung von Vertragsleistungen“ sowie „unrechtmäßiger Einflussnahme auf DFB-Vertreter“ beendet. Infront reagierte mit Unverständnis auf den Schritt und zweifelte die Wirksamkeit der Kündigung an. Am 11. September schlossen beide Parteien einen Vergleich.
„Infront ist von diesen Ermittlungen nicht betroffen und wurde entsprechend auch nicht von den Ermittlungsbehörden kontaktiert“, ließ das Unternehmen am Mittwoch auf SID-Anfrage wissen: „Es fanden weder in Geschäftsräumlichkeiten von Infront noch in Privatwohnungen von gegenwärtigen und ehemaligen Infront-Verantwortlichen Hausdurchsuchungen statt.“ Infront verwies darauf, dass die „steuerliche Deklaration“ Sache des DFB gewesen sei.
Der DFB hatte im Mai 2019 Hinweise auf mögliche schädigende Handlungen von Infront bekommen und anschließend eine Detektei mit Untersuchungen beauftragt. Laut Ermittlungsbericht soll der DFB den Sportvermarkter im Jahr 2013 mit der Beschaffung von Bandenwerbepartnern beauftragt haben, obwohl eine andere Firma für das lukrative Geschäft eine höhere Summe geboten habe. Für den Deal soll die damalige Verbandsspitze Gegenleistungen erhalten haben. Infront wies jegliches Fehlverhalten in diesem Zusammenhang zurück.
Steuer-Razzia beim DFB: Das sagt die Staatsanwaltschaft
„Durch Vertrag vom 11. Dezember 2013 soll der DFB die Rechte zur Vergabe der Werbeflächen in den Spielstätten von Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft für den Zeitraum 2014 bis 2018 an eine schweizerische Gesellschaft verpachtet haben. Dieser Gesellschaft soll allerdings bei der Auswahl der Werbepartner kein Handlungsspielraum verblieben sein“, hieß es nun von der Staatsanwaltschaft.
Und weiter: „Vielmehr soll sie sich verpflichtet haben, die Exklusivität des Generalsponsors und des Generalausrüsters der Nationalmannschaft zu berücksichtigen und keine Rechte an deren Konkurrenten zu vergeben. Stattdessen soll der DFB trotz der Verpachtung der Rechte über seine Sponsorenverträge aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt haben.“
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Dies führe laut der Behörde „zur steuerrechtlichen Konsequenz, dass die Einnahmen aus der Verpachtung nicht der steuerfreien Vermögensverwaltung, sondern dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind und somit zu versteuern gewesen wären“. Nach den bisherigen Ermittlungen bestehe der Verdacht, „dass die Beschuldigten von dieser steuerlichen Unrichtigkeit wussten, sie aber bewusst wählten, um dem DFB hierdurch einen Steuervorteil von großem Ausmaß zu ermöglichen“.
Durch die neuen Ermittlungen hat der DFB ein weiteres Steuerverfahren an Hals. Denn im Gegensatz zu den Schweizer Behörden hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft die Akten des Sommermärchenskandals noch nicht geschlossen. Beschuldigte sind dabei Niersbach, sein Vorgänger Theo Zwanziger sowie der langjährige Generalsekretär Horst R. Schmidt.