Hamburg. Das Abendblatt gibt einen Überblick, wer bereits sicher dabei ist, wer sich noch qualifizieren kann und wie das funktioniert.
Die Verschiebung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele in Tokio, die nun vom 23. Juli bis 8. August respektive 24. August bis 5. September 2021 in Japans Hauptstadt ausgetragen werden sollen, hat viele Athletinnen und Athleten vor große Herausforderungen gestellt. Manche jedoch profitieren auch davon. Das Abendblatt gibt einen Überblick, wer aus Hamburg an den Start gehen könnte.
Beachvolleyball: Bisher hat nur ein Team das Ticket gelöst
Die Vizeweltmeister Julius Thole (23)/Clemens Wickler (25) vom Eimsbüttler TV haben als bisher einziges deutsches Team das Ticket für Tokio gelöst.
Olympiasiegerin Laura Ludwig (34) und Margareta Kozuch (33) stehen als 15. des Olympiarankings des Weltverbandes (FIVB) auf einem direkten Qualifikationsplatz. Das HSV-Duo, das erst seit anderthalb Jahren zusammenspielt, profitiert von der Verlegung, weil mehr Zeit bleibt, Technik und Taktik auszufeilen. Wann die Ausscheidungsturniere fortgesetzt werden, ist unklar. Die FIVB will Turniere erst wieder für Tokio werten, wenn uneingeschränkte Reisefreiheit besteht.
Gute Chancen haben Nils Ehlers (26)/Lars Flüggen (30) vom HSV als 20. der Rangliste, sie müssten zwei vor ihnen stehende Paare überholen. Die deutschen Ex-Meisterinnen Victoria Bieneck (29)/Isabel Schneider (29), ebenfalls HSV, sind derzeit drittes deutsches Frauenteam, zwei dürfen in Tokio aufschlagen.
Boxen: Nur Ammar Abbas Abduljabar kann sich qualifizieren
Nachdem vor vier Jahren in Rio de Janeiro mit Halbweltergewichtler Artem Harutyunyan (29) ein Hamburger Bronze und damit die einzige Medaille für Deutschland gewann, gibt es für Tokio nur einen Hamburger Kandidaten.
Schwergewichtler Ammar Abbas Abduljabar (24) war im März bereits zum Europa-Qualifikationsturnier nach London angereist, als die Veranstaltung wegen des Corona-Ausbruchs abgebrochen wurde. Wann sie neu angesetzt wird, ist unklar, vermutlich aber im Zeitraum März/April 2021. Sollte der gebürtige Iraker es im ersten Anlauf nicht schaffen, gäbe es im Juni eine letzte Chance, dann gegen Konkurrenz aus der ganzen Welt.
Fußball: FC St. Pauli Torhüter ist Olympia-Kandidat
Svend Brodersen (23) gehört zum Kreis jener 40 Spieler, die der DFB als mögliche Olympiateilnehmer benannt hat. Weil der gebürtige Hamburger beim FC St. Pauli nur Torhüter Nummer zwei hinter Robin Himmelmann (31) ist, würden seine Olympiachancen nach einem Vereinswechsel erheblich steigen.
Golf: Henseleit muss ihre Position halten
Esther Henseleit (21) vom Hamburger Golfclub Falkenstein hatte sich ihren olympischen Traum in diesem Sommer schon erfüllt. Dann kam Corona. Deutschland kann bei Männern und Frauen zwei Spieler nach Tokio schicken, die über die Position in der Weltrangliste bestimmt werden. In diesem Jahr wäre bei den Damen der 29. Juni der Stichtag gewesen.
Henseleit ist derzeit als Nummer 121 des eingefrorenen Rankings die zweitbeste Deutsche nach Caroline Masson (31/Gladbeck/37.). Diese Position muss sie versuchen ein Jahr zu halten, wenn die Profisaison in den USA (LPGA) und Europa (LET) wieder losgeht. Henseleit will beim Restart der LET bei den Scottish Open am 13. August in Aberdeen erstmals wieder an den Start gehen.
Hockey: Nominierung der Kader erfolgt erst im Juni 2021
Die deutschen Damen und Herren sind seit November 2019 für Tokio qualifiziert, nachdem sie sich in den Play-offs gegen Italien (Damen) und Österreich durchgesetzt hatten. Die Nominierung der endgültigen Kader erfolgt höchstwahrscheinlich nach der EM 2021 im Juni in den Niederlanden.
Bei den Damen stehen Rosa Krüger (25), Franzisca Hauke (30/beide Harvestehuder THC), Lena Micheel (22), Janne Müller-Wieland (33), Charlotte Stapenhorst (25), Amelie Wortmann (23/alle Uhlenhorster HC), Lisa Altenburg (30), Hannah Gablac (25), Anne Schröder (25), Hanna Granitzki (22), Kira Horn (25) und Viktoria Huse (24/alle Club an der Alster) im aktuellen Kader von Bundestrainer Xavier Reckinger (36).
Bei den Herren zählen Florian Fuchs (28/Bloemendaal HC), Tobias Hauke (32/Harvestehuder THC), Mark Appel (26/Club an der Alster), Mathias Müller (28) und Constantin Staib (24/beide Polo Club) zum Aufgebot des Hamburger Bundestrainers Kais al Saadi (43).
Judo: Wie die Qualifikation ablaufen wird, ist noch unklar
Die bereits feststehenden Qualifizierten sollen ihre Startplätze behalten. Das würde bedeuten, dass aus dem Hamburger Bundesligakader der Männer Dominic Ressel (26) in der Klasse bis 81 Kilogramm im Mutterland seines Sports an den Start gehen dürfte.
Bei den Frauen soll Mascha Ballhaus (20) in der bislang noch unbesetzten Klasse bis 52 kg eine Chance erhalten. Allerdings ist aktuell unklar, wie die Qualifikation ablaufen wird. Voraussichtlich können im Zeitraum von November bis Mai auf den Grand-Slam- und Grand-Prix-Turnieren die notwendigen Weltranglistenpunkte gesammelt werden. Derzeit steht aber nicht fest, wann der Wiedereinstieg in den Wettkampfbetrieb gelingen kann.
Leichtathletik: Drei Olympiachancen dank Corona
Tokio 2021 eröffnet drei HSV-Talenten plötzlich Olympiachancen, die in diesem Jahr nicht bestanden hätten: Die beiden 20 Jahre alten Sprinter Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah, nicht verwandt, sind Kandidaten für die deutsche 4x100-Meter-Staffel, sagt Bundestrainer Jörg Möckel.
Weitspringer Bennet Vinken (19), 2019 deutscher U-20-Meister (7,74 Meter), müsste allerdings für die Olympianorm (8,15 Meter) noch 41 Zentimeter weiter springen.
Radsport: Rohde kämpft um Ticket
Der deutsche Bahnvierer um den Wedeler Leon Rohde (25/rad-net Rose) hat die Qualifikation in der 4000-Meter-Teamverfolgung mit WM-Platz sieben im Februar in Berlin gesichert.
Anfahrer Rohde kämpft mit sieben Teamkollegen um fünf Tokio-Tickets. Auf der Straße wäre der Buchholzer Nikias Arndt (28/Team Sunweb) ein Kandidat für Langstrecke und Einzelzeitfahren.
Rudern: Johannesen wird zum Aufgebot zählen
Bei der WM 2019 in Linz (Österreich) konnte sich Torben Johannesen (25/RC Favorite Hammonia) mit dem Achter für Tokio qualifizieren und wird, so er gesund bleibt, auch zum Aufgebot zählen. Gute Chancen hat Tim Ole Naske (24/RG Hansa), der im Doppelvierer neuer Schlagmann ist.
Als Ersatzleute machen sich Malte Großmann (24/Riemen/Favorite Hammonia) und Stephan Riemekasten (27/Skull/Hamburger und Germania RC) Hoffnungen, noch in eins der Aufgebote zu rutschen. Die noch nicht qualifizierten Boote bekommen voraussichtlich im Mai eine letzte Chance. Hamburger sind dabei – wie im gesamten Frauenbereich – nicht vertreten.
Schwimmen: Heidtmann muss hoffen, dass keiner schneller schwimmt
400-Meter-Lagen-Spezialist Jacob Heidtmann (25) hat die Norm geschafft, muss aber noch hoffen, dass bis zum Ende des Qualifikationszeitraums – voraussichtlich Ende April – kein Deutscher schneller schwimmt als er.
Aus der Hamburger Trainingsgruppe von Bundesstützpunkttrainer Veith Sieber (40) sind Julia Mrozinski (20), Hannah Küchler (18), Björn Kammann (19), Max Nowosad (25), Rafael Miroslaw (19) und Silas Beth (16) zumindest Kandidaten für die Staffeln.
Segeln: Viele Crews trainieren bereits für Paris 2024
Philipp Buhl (30) holte als erster Deutscher seit 46 Jahren in der Laser-Klasse im Februar den WM-Titel, das 49er-Skiff-Duo Erik Heil (30)/Thomas Plößel (32) beeindruckte mit den WM-Plätzen zwei (Dezember) und drei (Februar). Das Trio vom Norddeutschen Regatta Verein (NRV) ist direkt qualifiziert.
Im Laser Radial startet Svenja Weger (26) als Favoritin bei der Kieler Woche (5. bis 13. September) in die interne deutsche Qualifikation. Im 470er haben Luise Wanser (22)/Anastasiya Winkel (27) Außenseiterchancen. Weil 2024 in Paris fünf von zehn Klassen modifiziert und neu ins Programm aufgenommen werden, müssen viele Crews einen Umstieg wagen und trainieren bereits dafür.
Springreiten: Meyer-Zimmermann steht im Perspektivkader
Die in Pinneberg lebende Janne Friederike Meyer-Zimmermann (39) steht im Perspektivkader von Bundestrainer Otto Becker (61) und kann auf den Wertungsturnieren bis Ende Juni noch den Sprung nach Tokio schaffen.
Tennis: Zverev könnte im Einzel, Mixed und Doppel antreten
Dem gebürtigen Hamburger Alexander Zverev (23) wäre als aktuellem Weltranglistensiebten die Olympiateilnahme sicher, sofern er zum Cut nach den French Open Anfang Juni weiterhin unter den besten 80 der Welt steht.
Aus jedem Land dürfen maximal vier Teilnehmer im 64er-Einzelfeld starten. Zverev könnte auch im Doppel und im Mixed (mit Angelique Kerber) antreten.
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Paralympics: Hamburger Teilnehmer sind noch nicht persönlich nominiert
Die möglichen Hamburger Teilnehmer sind noch nicht persönlich nominiert, haben aber die Startplätze für den Deutschen Behindertensportverband gesichert, die auch nach der Verschiebung nicht verloren gehen.
Para-Kanu: Hier wäre Edina Müller (37) im K1 der Querschnittsgelähmten in diesem Sommer eine Medaillenkandidatin gewesen. 2016 gewann sie in Rio Silber. Angesichts der Doppelbelastung als junge Mutter und berufstätige Sporttherapeutin war die Verschiebung um ein Jahr für ihre Karriereplanung unglücklich.
Para-Rudern: Auch Sylvia Pille-Steppat (52) hat für den deutschen Verband den Startplatz gesichert. An ihrer Nominierung kann es kaum Zweifel geben.
Rollstuhlbasketball: Die beiden deutschen Teams haben das Tokio-Ticket bei der EM 2019 gelöst. Bei den Frauen sind Mareike Miller (29), Anne Patzwald (31) und Maya Lindholm (29/alle HSV) feste Größen im Kader. Die Nominierung erfolgt erst 2021. Probleme drohen aber Nationalmannschaftskapitänin Miller. Das Internationale Paralympische Komitee und der internationale Rollstuhlbasketball-Verband streiten um die Klassifizierung minimalbehinderter Athleten, zu denen Miller gehört. Im schlimmsten Fall droht der Ausschluss.