Hamburg. Der Hamburger Patrick Ittrich ist Schiedsrichter und Polizeikommissar. Mit seinen Kollegen gibt er Schülern online Verkehrsunterricht.
Foul oder nicht? Und reicht Gelb? Wieder so eine kniffelige Entscheidung. Patrick Ittrich (41) guckt sich die Szene an, der spontane Eindruck entscheidet – und klickt. Onlinetraining für Top-Schiris. Seit knapp zwei Wochen gibt es diese Möglichkeit. Die sportliche Leitung der Bundesligaschiedsrichter unter Lutz-Michael Fröhlich kann so auch in der Coronazeit ihre Leute schulen.
"Ich finde das sehr gut, um in der Materie zu bleiben", sagt Ittrich. Kein Fußball, keine Spiele, das bedeutet auch für die Unparteiischen eine Zwangspause. "Um fit zu bleiben, fahre ich, wenn immer es geht, die 18 Kilometer hin und zurück zu meiner Dienststelle mit dem Fahrrad", sagt der Polizeikommissar.
Patrick Ittrich ist der ideale Verkehrskasper
Da sind wir also jetzt. Mitten in St. Pauli, ein unscheinbarer Backsteinbau. Abteilung Verkehrserziehung. An den Wänden Fotos vom: Kasper. Seit mehr als 70 Jahren schon werden in Hamburg Polizisten zu Handpuppenspielern, um Kindern das richtige Verhalten auf der Straße beizubringen, sie auf Gefahren aufmerksam zu machen.
Es ist eine Erfolgsgeschichte, in ganz Deutschland kopiert. "Zehn Auftritte haben wir durchschnittlich in der Woche, 400 Vorstellungen waren es 2019", sagt Ittrich, der mit seiner extrovertierten Art ein idealer "Kasper" ist, "wir haben vergangenes Jahr 34.000 Kinder erreicht."
DFB schickt Übungspläne an die Schiedsrichter
Und jetzt? Zwangspause – wie beim Fußball. Was tun? Der Schiedsrichter Ittrich trainiert auch privat daheim, "das mache ich ja ohnehin die meiste Zeit". Er dreht seine Laufrunden, macht seine Kraft- und Stabiübungen im Keller, wo auch ein Spinningbike steht.
"Die Übungen und Pläne dazu schickt uns unser Athletiktrainer des DFB", erzählt Ittrich. Er steht dabei auch aus der Ferne unter Kontrolle der Experten: "Ich zeichne alle Werte auf meiner Pulsuhr auf und schicke die Daten über eine App weiter.“
Ittrich spielt "Ronny Rasant" und "Norbert Nase"
Der Verkehrserzieher Ittrich aber musste mit seinen sechs Kollegen aus der "Puppenspiel-Abteilung" auch überlegen, wie die Zeit ohne Aufritte an den Grundschulen sinnvoll zu bewältigen ist. In zwei Gruppen mit vier und drei Kollegen sind sie normalerweise unterwegs. Sie bauen ihre Bühne selbst auf, nähen auch Kleider für die Puppen, haben über die Jahre ein gigantisches Repertoire entwickelt und schreiben auch immer wieder neue Stücke.
Der Kasper ist immer dabei, klar. Auch ein Polizist oder eine Polizistin. Aber es gibt auch den Malermeister Erwin Pinselmann, Struppi, den Hund vom Kasper, den Verkehrsfuchs Freddy, Elektromeister Kuddel Kugelblitz und dann auch solche zweifelhaften Charaktere wie "den Raser" Ronny Rasant und den "Reinleger" Norbert Nase. Etwa 35 Minuten dauert ein Stück, das meist an einem Straßenübergang mit Ampel oder Zebrastreifen spielt.
Die Kasper-Truppe freut sich über Stimmung
"Vermitteln und Spaß bringen" ist das Ziel, pädagogisch klug den Kleinen nahezubringen, dass der öffentliche Raum kein Spielplatz ist. Und wie man sicher eine Straße überquert – "achtet auf die Reifen, sie müssen stillstehen".
Es ist es wichtig, die Kinder mitzunehmen. Das funktioniert über die Spannung, über die Emotionalisierung, und weil die Kleinen mit Fragen eingebunden werden. "Da ist manchmal ganz schön Stimmung und schwer was los", sagt Anique Meyer, die auch zu der Truppe gehört, "das macht dann wirklich Spaß."
Ittrich und Kollegen erziehen jetzt per Podcast
Wenn wir schon nicht spielen können, dann machen wir doch Podcast, war schließlich die Idee. Neuland für die Puppenspieler. Sie haben ein Konzept geschrieben, es vorgelegt. Und Zustimmung und Unterstützung aus allen Entscheidungsebenen der Verkehrsdirektion geerntet.
Drei Folgen sind bereits erschienen. Mit viel Aufwand und Liebe zum Detail im improvisierten Studio produziert, wie kleine Hörspiele, mit Kasper und den anderen. Am heutigen Dienstag kommt die nächste Episode raus, die im Internet auf www.polizei.hamburg.de anzuklicken ist.
Der Hamburger Kasper hat jetzt Fans weltweit
"Der Podcast wurde super angenommen, wir haben Hörer nicht nur in Hamburg, sondern überall in Deutschland und sogar weltweit“, sagt André Peters, Ittrichs "Lehrmeister" in Sachen Handpuppenspiel. Über 6000 Zugriffe, das ist viel. „Meine Schiedsrichterkollegen hören zum Teil auch zu“, berichtet Ittrich, "Fifa-Assistent Christian Gittelmann hat erzählt, seine Kinder hätten noch keine Folge verpasst."
20 Stunden in der Woche ist der Familienvater in seinem Job bei der Polizei engagiert, die restliche Zeit neben der Familie ist für die Schiedsrichterei reserviert. Noch gibt es keine Bestrebungen, diese Aufteilung zu ändern. Denn irgendwann wird ja wieder Fußball gespielt.