Hamburg. Hamburg macht sich fit: Mit Nordic Walking fallen die ersten Schritte im Freien viel leichter. Was alles zu beachten ist.

Beim ersten Mal, das braucht schon ein wenig Überwindung. Diese Stöcke! Was soll das? Wir sind ja nicht beim Skilanglauf. Ob die Leute wohl gucken? Natürlich gucken sie. Wenn einer mit zügigem Schritt – geht. Und dabei diese Stöcke einsetzt, links, rechts, links, im Rhythmus der Schritte. „Am Anfang fand ich es superkomisch“ erzählt Luise Wanser, „aber als ich es dann selbst mal intensiver gemacht habe, fand ich es zunehmend interessant und habe gemerkt, dass es mir guttut.“

Nun ist Luise Wanser mit ihren 22 Jahren und als Leistungssportlerin (Segeln) nicht die typische Nordic Walkerin, und trotzdem hat auch sie die Vorteile dieser Sportart schätzen gelernt: „Ich merke zum Beispiel, dass durch die Stöcke die Rückenhaltung besser wird, wenn man sich richtig abstößt“, erzählt die Jurastudentin, deren Mutter ihr die richtige Technik beigebracht hat.

Nordic Walking als guter Einstieg für Ältere

Vor etwa 20 Jahren ist Nordic Walking in Deutschland angekommen. Entwickelt hat den Sport der Finne Mauri Repo in den 70er-Jahren, und es war zunächst das, wonach es aussieht: Ein Sommertraining für Skilangläufer – nur ohne Skier und Schnee. Sehr schnell sprach sich aber herum, dass dieses „nordische Gehen“ eben auch ein niedrigschwelliger Einstieg in Sport und Bewegung für ältere und weniger fitte Menschen ist.

„Es ist sehr gut auch für Untrainierte geeignet“, sagt Prof. Rüdiger Reer (56), Leiter der Abteilung Sport- und Bewegungsmedizin an der Universität Hamburg. Ob Senioren oder Kinder, jeder kann es machen. Und eben auch toptrainierte Athleten wie Luise Wanser. Die kontinuierliche Bewegung stärkt das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel, es ist gut für Muskulatur und Knochen, beugt gegen Osteoporose vor. „Ein Vorteil ist, dass jeder in dieser eher niederschwelligen Sportart für sich das richtige Maß finden kann, die individuell richtige Belastungsintensität“, sagt Reer, „man kann eine Überlastung damit sehr gut vermeiden.“

Überflüssige Pfunde purzeln schnell

So ist der Einstieg schnell geschafft. Einfach loslegen; so wie man es sich selbst zutraut. Schon nach kurzer Zeit wird jeder merken, heute geht mehr. Ich schaffe eine längere Strecke, ich halte länger durch. So können selbst wenig Trainierte in einen Bereich kommen, „in dem die Belastung hoch genug ist, dass der Körper Glückshormone ausstößt“, sagt Reer. Und er hat noch ein anderes, ganz starkes Argument: „Überflüssige Pfunde purzeln. Bei einem Tempo von beispielsweise sechs Kilometern pro Stunde verbrennt der Körper in 60 Minuten circa 400 Kilokalorien.“

Immer wieder begegnen uns am Isebekkanal, dem Alsterwanderweg oder dem Niendorfer Gehege auch Walker, die ihre Stöcke hinter sich herschleifen, sich auf sie aufstützen, sich abstoßen, krampfhaft sich daran festhalten. „Es ist ganz wichtig, die Stöcke richtig einzusetzen, die Technik muss man lernen“, sagt Professor Reer, der auch Generalse­kretär des Deutschen Sportärztebundes (DGSP) ist: „Die Stöcke müssen auch die richtige Länge haben, sollten leicht sein und wenig vibrieren.“ Andernfalls ist das ganze Bewegungskonzept verhunzt, Trainingseffekte wandeln sich ins Gegenteil, führen zu Schädigungen, beispielsweise am Bewegungsapparat. Wer die Stöcke aber richtig fleißig vor- und zurückschwingt, kräftigt zudem Arme, Schultern und Rücken. Die Stöcke sind eben der wesentliche Unterschied zum „Walken“, dem sportlichen Gehen.

Die Bewegung soll harmonisch fließen

Durch den Stockeinsatz werden Arme, Brust, Rücken und Schultern zusätzlich belastet, nicht nur die Beinmuskulatur. Die gesamte Bewegung sollte harmonisch fließen, auch dabei gibt es einige Dinge zu beachten. Deshalb empfiehlt Reer eine Anleitung in Kursen oder bei einem Trainer. „Wer kraulen will, der sollte das ja auch richtig lernen. Sonst schluckt er Wasser“, bemüht Reer einen Vergleich aus dem Schwimmen. Wer zu lange Schritte macht, belastet Knie, Hüfte und Rücken unnötig. Wer die Ferse zu steil aufsetzt, sein Knie ex­trem streckt, kann dem Gelenk unter Umständen mehr schaden als durch Joggen. Eigentlich, in einer Welt ohne wildgewordene Viren oder anderem Unbill, rät Reer zu einer sportärztlichen Untersuchung, bevor man intensiv mit Nordic Walking beginnt, „es ist schließlich für einige eine ungewohnte Anstrengung“. Auf der Internetseite DGSP.de findet jeder für seinen Postleitzahlen­bereich einen passenden Sportarzt.


Die richtigen Schuhe sollten leicht und robust sein und die typische Abrollbewegung unterstützen. Man findet zahlreiche Modelle fürs Walken und Nordic Walken im Sportfachhandel oder im Internet – solange der Einzelhandel geschlossen ist. Universalturnschuhe wären zunächst auch okay, Laufschuhe nicht, da sie für eine andere Bewegungsart zugeschnitten sind. Nun haben wir gerade besondere Zeiten, Sportvereine haben geschlossen, Sportschulen auch. Körperliche Bewegung ist nur individuell in öffentlichen Anlagen möglich. Aber das ist das Tolle am Nordic Walking. Im Grunde ist es überall möglich, sogar im Alten Elbtunnel, der seit Juni 2019 für Autos verboten ist. Allerdings: Zu Ostern und an Wochenenden sind die historischen Röhren gesperrt.

Spannende Touren in ganz Hamburg

Doch auch sonst finden sich überall in der Stadt spannende Touren, es muss nicht immer rund um die Alster sein. Wie wäre es mit dem Eppendorfer Moor, durch Planten un Blomen und die Alten Wallanlagen, an den Deichen in den Vier- und Marschlanden, Forst Klöven­steen, Moorwerder, der Ohlsdorfer Friedhof ist gerade im Frühjahr, wenn die Rhododendren blühen, ein Paradies. Dass auch beim Sport in der Natur derzeit die Abstandsregel von mindestens 1,5 Metern gilt, ist klar.

Nordic Walking lässt sich gut dosieren

Wichtig ist, dass jeder, der das sportliche Gehen ausprobieren möchte, in seinen Körper hört. „Das Motto: Viel bringt viel, ist falsch“, sagt der Sportmediziner, „vielmehr gilt: laufen ohne zu schnaufen.“ Jeder soll Pause machen, wenn ihm danach ist: „Nordic Walking lässt sich gut dosieren. Die Belastung beim Joggen könnte für Anfänger zu hoch sein, für das Herz-Kreislauf-System als auch für den Halte- und Bewegungsapparat.“

Das trifft auf die Olympiakandidatin Luise Wanser natürlich nicht zu. Sie genießt ihre Runde im Wohldorfer Wald: „Das ist einfach herrlich in der Natur.“ Außerdem hat sie festgestellt, dass ihre Knie beim Walking weniger belastet werden als beim Laufen. Für die Spitzenathletin ist Nordic Walking nur ein „Hochfahren“ vor dem Frühstück, für andere eine wichtige Bewegungseinheit. Für alle Menschen, wie unterschiedlich trainiert sie auch sein mögen, gilt laut Reer: „Nordic Walking, richtig ausgeführt, bringt sehr vieles mit, was der Gesundheit förderlich ist.“ Also: Überwinden Sie sich!

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