Hamburg. Freiberufliche Übungsleiter stehen wegen Corona reihenweise vor dem Aus. Auch Vereine schlagen Alarm, die Politik reagiert.
"Am Montag habe ich die Terrasse geputzt, am Dienstag das Auto poliert, am Mittwoch die Garage ausgeräumt, und am Donnerstag war der Keller dran." David Britten (52) reagiert mit typisch britischem Humor. Und dann? "Dann bin ich arbeitslos."
Der Deutsch-Engländer ist Golflehrer mit normalerweise vollem Auftragsbuch, sein eigener Herr, der beim Golfclub an der Pinnau in Quickborn unterrichtet. Seit Montag hat der Niendorfer praktisch Berufsverbot.
Deutscher Golflehrer-Meister nun arbeitslos
"Ich kann nicht mal in meinem eigenen Trainingszentrum auf dem Clubgelände arbeiten", klagt Britten, der im vergangenen Jahr in seiner Altersklasse deutscher Meister der Golflehrer wurde.
Im Club hat er sich einen ehemaligen Stall zu einer elektronisch voll ausgestatteten Anlage ausgebaut, eine erhebliche Investition. Die Tür ist jetzt verschlossen, auch in einer Eins-zu-eins-Betreuung darf er seinem Beruf nicht nachgehen.
"Ich verstehe, dass Maßnahmen gegen das Virus vorgenommen werden müssen", sagt er, "aber für mich und meine Kollegen ist das extrem hart. Eine Woche kann ich durchhalten, danach wird es für mich allmählich schwierig."
Honorar-Trainer von Senatserlass betroffen
Organisierter Sport ist seit dem Senatserlass in Hamburg nicht mehr erlaubt, weder auf öffentlichen noch auf privaten Anlagen. In Schleswig-Holstein gelten ähnliche Vorschriften.
Das trifft frustrierte Sportler, die sich nicht mehr wie gewohnt bewegen können. Das trifft ganz anders auch eine große Zahl an freiberuflichen Trainern, Übungsleitern und Honorarkräften, ohne die der Betrieb in den Sportvereinen in gewöhnlichen Zeiten nicht denkbar wäre.
Vereine würden Gemeinnützigkeit verlieren
"Die Selbstständigen haben nun keine Möglichkeit mehr, uns ihre Arbeitskraft anzubieten, und wir dürfen sie deshalb nicht mehr bezahlen, wollen wir unsere Gemeinnützigkeit nicht verlieren“, sagt Frank Fechner, der Vorstandsvorsitzende des Eimsbütteler Turnverbandes (ETV). "Das ist ein Riesenproblem."
Betroffen sind eine große Zahl Menschen, die ihren Lebensunterhalt oder wesentliche Teile davon dank ihrer Honorare im Sport verdienen. Wie groß deren Zahl in Hamburg genau ist, lässt sich nur schätzen.
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Beim ETV, der etwa 16.000 Mitglieder hat, sind im Sportbetrieb 500 Honorarkräfte oder Übungsleiter mit Aufwandsentschädigungen beschäftigt. Rechnet man dies auf die rund 450.000 in Hamburger Vereinen organisierten aktiven Sportler hoch, wären es in der gesamten Stadt etwa 14.000.
Auch hochqualifizierte Reha-Trainer betroffen
Die Bandbreite geht von jugendlichen Übungsleitern, die ihr Taschengeld mit Kindertraining aufstocken, über Studenten, die sich ihre Miete verdienen, bis hin zu Trainern wie David Britten, die ihren Lebensunterhalt davon vollständig bestreiten.
"Da sind einige hochqualifizierte Leute darunter, zum Beispiel Anleiter für Rehasport nach Herzproblemen", weiß Ulrich Lopatta, "die arbeiten auch in mehreren Vereinen." Lopatta, hauptamtlicher Vorsitzender des Walddörfer SV, ist der Sprecher der Top-Sportvereine, des Zusammenschlusses der 27 größten Hamburger Clubs.
Hamburger Sportbund sucht nach Lösungen
Dem Hamburger Sportbund (HSB; 530.000 Mitgliedschaften) ist das Dilemma bewusst. "Wir stehen in ständigen Gesprächen mit den Vereinen, sammeln Anfragen auch von Übungsleitern und bemühen uns, Lösungen zu finden", sagt HSB-Sprecherin Steffi Klein.
Der HSB hat bereits ein Rechtsgutachten bei dem renommierten Hamburger Anwalt Claus Runge in Auftrag gegeben und dies am Mittwochabend an seine 821 Vereine versandt.
Trainer müssen sich arbeitssuchend melden
Die Einschätzung: Finanzielle Hilfen für Freiberufler vonseiten der Clubs sind aktuell höchst problematisch. "Jedwede Unterstützungsleistung des Vereins ohne Gegenleistung des Selbstständigen birgt das Risiko für den Verein, seine Gemeinnützigkeit zu gefährden!“, steht dort.
Damit wären auch Gedankenmodelle wie Lohnvorauszahlungen vom Tisch. "Wie alle selbstständig Tätigen müssen auch Übungsleiter und sonstigen Honorarkräfte das Ausbleiben von Aufträgen der Vereine infolge der Corona-Krise selbst bewerkstelligen, notfalls dadurch, dass sie sich arbeitssuchend melden oder Arbeitslosengeld 2 beantragen“, heißt es in dem Gutachten weiter.
Vereine fürchten den Verlust von Trainern
Fechner formuliert die Situation eindeutig: "Es werden Existenzgrundlagen entzogen. Wir müssen die Politik verstärkt darauf aufmerksam machen, welches Problem dort besteht."
Lopatta fordert die Politiker auf, "diese Leute nicht im Stich zu lassen“ und auch über eine Gesetzesänderung nachzudenken, die eine Unterstützung der Honorarkräfte möglich macht.
Die Vereine haben zudem Angst, dass geschätztes Personal nicht mehr zur Verfügung steht, wenn irgendwann wieder Normalität einkehrt. "Es wäre für uns schlimm, wenn sich einige durch diese Situation jetzt beruflich umorientieren müssten“, sagt Lopatta.
Hamburg bringt Sofortprogramm auf den Weg
Der Hamburger Senat hat die Hilferufe vernommen und noch am Donnerstagnachmittag auf die Nöte der Vereine reagiert. "In normalen Zeiten hilft uns der Sport, jetzt müssen wir dem Sport helfen. Wir stehen im engen Austausch und nehmen die Sorgen sehr ernst", sagt Sportsenator Andy Grote (SPD).
Ein Sofortprogramm wird jetzt auch für den Sport auf den Weg gebracht. Über die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) sollen Vereine einen Sportkredit bis zu 150.000 Euro erhalten können. Zins- und Tilgungsbestimmungen werden auf die Bedarfe der Kreditnehmer ausgerichtet.
Darüber hinaus stellt der Senat nicht rückzahlbare Zuschüsse als Soforthilfe für Freiberufler und kleine und mittlere Unternehmen/Agenturen ebenfalls für den Sport bereit.
"Keinem Verein wird Gemeinnützigkeit entzogen"
Die Hamburger Corona Soforthilfe (HCS) wird auch hier nach Zahl der Beschäftigten gestaffelt. Vorgesehen sind Zuschussmittel von 5000 (weniger als 10 Mitarbeiter), 10.000 (10–50 Mitarbeiter) und 25.000 Euro (51–250 Mitarbeiter).
"Und keinem Verein wird jetzt seine Gemeinnützigkeit entzogen, wenn er seine Mitarbeiter und Trainer unterstützt. In diesen Zeiten ist Flexibilität erstes Gebot“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD).