Antwerpen. Trotz doppelter Unterzahl kämpfte Deutschland erfolgreich gegen die drohende Niederlage an – und wurde belohnt.
Die Spuren, die das nervenaufreibende 1:1 im Vorrundenfinale der EM im belgischen Antwerpen gegen Irland hinterlassen hatte, waren nicht zu überhören, als Janne Müller-Wieland die Partie analysierte. Mehr als ein Krächzen brachte die Spielführerin der deutschen Hockeydamen nicht heraus, nachdem sie über 60 Minuten schwer damit zu tun gehabt hatte, ihre Abwehr zu dirigieren. „Ich bin einfach nur froh, dass wir durchgekommen sind. Es war gut zu sehen, dass wir auch in doppelter Unterzahl noch gegenhalten konnten“, sagte die Hamburgerin vom Uhlenhorster HC.
Drei Minuten vor Spielende hatte Irland Torhüterin Ayeisha McFerran zugunsten einer elften Feldspielerin vom Feld genommen. Der Sensations-Vizeweltmeister von 2018 musste gewinnen, um ins Halbfinale einzuziehen, warf deshalb alles nach vorn. Und als dann auch noch Innenverteidigerin Nike Lorenz (Mannheimer HC) mit einer Gelben Karte vom Platz ging, war mit zwei Feldspielern weniger Zittern angesagt für die deutschen Damen und ihre Fans. Doch dank der überragenden Torhüterin Julia Sonntag (RW Köln) und des nötigen Glücks des Tüchtigen hielt das Abwehrbollwerk stand.
Das Remis sicherte Deutschland den zweiten Rang in der Vorrundengruppe B hinter England (siegte 4:3 gegen Weißrussland) und damit bei der 14. EM-Teilnahme den 14. Halbfinaleinzug. Der Gegner für die Runde der letzten vier am Freitagabend wurde erst am späten Mittwochabend aus dem Kreis der Teams aus Belgien, Spanien und den Niederlanden ermittelt.
Hockeydamen kläglich vor dem Tor
Bundestrainer Xavier Reckinger, der vor dem Turnier von seiner Mannschaft vor allem Souveränität im Auftreten gefordert hatte, war nach der Partie zwiegespalten. „Einerseits bin ich glücklich, dass wir es nach Hause gebracht haben und uns gegen viele Widerstände behaupten konnten“, sagte der Belgier. „Andererseits bin ich auch ziemlich sauer, weil wir es uns selber unglaublich schwer machen.“ Vor allem die acht vergebenen Strafecken ärgerten den Coach. „Wir trainieren bestimmte Varianten, und dann kann es nicht sein, dass wir sie im Spiel so schlecht ausführen“, sagte er.
Tatsächlich hätten sich die deutschen Damen ein Scheitern selbst zuschreiben müssen angesichts der Fahrlässigkeit im Ausnutzen ihrer Torchancen. Nicht nur, dass Lorenz vier Minuten vor Spielende die Entscheidung per Siebenmeter vergab. Nein, vor allem in der ersten Halbzeit wurden selbst klarste Gelegenheiten verpasst.
Bestes Beispiel dafür war Elisa Gräve (Düsseldorfer HC), die in der 22. Minute aus kurzer Distanz vollkommen freistehend nur den rechten Pfosten traf – was deutlich schwerer war, als den Ball ins Netz zu schieben. So blieb das sehenswerte Führungstor durch das vom Club Raffelberg zu RW Köln wechselnde Toptalent Pia Maertens (8.) der einzige deutsche Treffer.
Deutschland hatte mit den Nerven zu kämpfen
Irland, das durch Sarah Hawkshaws Eckentor zum Ausgleich kam (15.), zeigte sich zwar extrem passsicher und erwartungsgemäß giftig in den Zweikämpfen, die deutschen Damen wirkten allerdings auch phasenweise nervlich überfordert von der Situation, was an das bittere WM-Viertelfinalaus im vergangenen Jahr erinnerte, als man Spanien trotz haushoher Überlegenheit mit 0:1 unterlag.
„Es war wirklich eine unglaubliche Anspannung, vor allem auf der Bank war das kaum auszuhalten. Umso glücklicher bin ich, dass wir es geschafft haben“, sagte Angreiferin Hannah Gablac vom Club an der Alster.
Der Gegner im Halbfinale war Reckingers Team am Mittwochmittag vollkommen egal. „Wenn wir so spielen wie heute, verlieren wir sowieso gegen jeden“, sagte Gablac. Janne Müller-Wieland hatte eine andere Rechnung aufgemacht. „Da sich nur der Europameister direkt für Olympia 2020 qualifiziert, zählt für mich hier nichts anderes als der Titel. Und da wir dafür jeden schlagen müssen, ist es mir völlig egal, wer wann kommt“, sagte sie.