Hamburg. Hamburger spricht über Schicksal seines letzten Gegners Hugo Santillan, der nach Duell mit Eduardo Javier Abreu verstorben ist.
Diesen Anruf, den er von seinem Team erhielt am vergangenen Donnerstag, wird Artem Harutyunyan nie vergessen. „Zu erfahren, dass mein letzter Gegner gestorben ist, war einfach nur krass und furchtbar“, sagt der 28-Jährige. Die Nachricht, dass der Argentinier Hugo Alfredo Santillan an den Folgen seiner am 20. Juli im Duell mit dem Uruguayer Eduardo Javier Abreu erlittenen Kopfverletzungen verstorben ist, hatte in der vergangenen Woche die gesamte Boxwelt tief erschüttert. Nicht nur, weil zwei Tage zuvor auch der Russe Maxim Dadaschew (28) im Ring erlittenen Gehirnschäden erlegen war. Sondern vor allem, weil der Tod des 23-Jährigen leicht zu verhindern gewesen wäre.
So hatte der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB), der Harutyunyans Kampf mit Santillan am 15. Juni im Hamburger Universum-Gym an der Großen Elbstraße sanktioniert hatte, eine bis Ende Juli geltende Schutzsperre über den Argentinier verhängt. Grund dafür waren die diversen schweren Kopftreffer, die der Südamerikaner bei seiner Punktniederlage zehn Runden lang eingesteckt hatte. Dennoch durfte der Halbweltergewichtler nur fünf Wochen später erneut zu einem vom renommierten Weltverband WBC sanktionierten Titelkampf antreten. „Für mich ist es absolut unverständlich, warum das WBC so gehandelt hat. Die Schutzsperre war allen Verbänden bekannt gemacht worden, man hätte bei uns nachfragen können. Hätte man unsere Weisung befolgt, dann würde Hugo Santillan noch leben“, sagt BDB-Präsident Thomas Pütz (Kaltenkirchen).
Artem Harutyunyan ist fassungslos
Die Unvernunft von Verbänden, Betreuern und auch Sportlern ist es, die Artem Harutyunyan fassungslos und wütend macht. „Ich hatte schon während unseres Kampfes Mitleid mit ihm und dachte, man hätte abbrechen sollen. Es ist ein Riesenproblem, dass Ringrichter und Ringärzte Kämpfe zu lange laufen lassen“, sagt der Olympiadritte von Rio de Janeiro 2016. Viel gravierender jedoch sei das Verhalten der Verbände und des Santillan-Teams. „Dass die den Boxer in den Ring lassen, ohne dass er zuvor eine Gehirnuntersuchung durchführen lassen musste, ist unglaublich. So etwas muss vor jedem Titelkampf Pflicht sein.“
Natürlich dürfe man auch den Kämpfer nicht von Verantwortung freisprechen, zumal sich Santillan von dem Trainer, der ihn nach Hamburg begleitet hatte, trennte, nachdem dieser ihm vom Duell mit Abreu abgeraten hatte. „Leider hört man von manchen Kämpfern noch immer Sätze wie ,Ich bin bereit, im Ring zu sterben‘. So weit darf es niemals kommen. Ich würde für kein Geld der Welt in den Ring steigen, wenn ich mich nicht bereit dafür fühlen würde“, sagt Harutyunyan. Dennoch müssten sich Kampfsportler darauf verlassen können, dass seriöse Verbände und Veranstalter sie vor sich selbst zu schützen wissen. „Keine Schutzsperre wird einen Boxer, der unbedingt kämpfen will oder dringend Geld verdienen muss, davon abhalten. Dafür sind die zuständig, die die Regeln einhalten müssen“, sagt Harutyunyan, der am 7. September seinen nächsten Kampf im Cruise Center Altona bestreitet und dafür bereits wieder trainiert.
Niemand muss sterben
Seine Einstellung zum Sport habe der Vorfall nicht verändert. „Ich habe immer schon sehr auf meine Gesundheit geachtet. Und ich fühle mich nicht schuldig für Hugos Tod, auch wenn ich weiß, dass meine Schläge Schaden angerichtet haben. Aber wenn sich im Boxen alle an die Regeln halten, dann muss niemand sterben“, sagt er. Kontakt zu Santillans Familie haben er und sein Team dennoch aufgenommen. „Wenn wir helfen können, wollen wir das tun.“