Bologna. Ehemaliger HSV-Profi und Hoffenheims Amiri erzielen beim 4:2-Sieg im Halbfinale gegen Rumänien jeweils einen Doppelpack.
Die Augen geschlossen, den Mund weit aufgerissen, die Arme um seine Teamkollegen. Der Schrei der Erleichterung von Nadiem Amiri war bis auf die Tribüne des Stadio Renato Dall’Ara in Bologna zu hören. Wenige Augenblicke zuvor hatte der Linksaußen von Bundesligist TSG Hoffenheim per Freistoß zum 4:2 getroffen und die deutsche U21-Nationalmannschaft endgültig ins Finale der Europameisterschaft geschossen. Eine Halbzeit lang drohte aber das Ausscheiden.
Die geballte rumänische Fan-Power bekam die deutsche U21-Nationalmannschaft schon anderthalb Stunden vor dem Anpfiff zu spüren. 50 Anhänger Rumäniens begleiteten die Ankunft des DFB-Mannschaftsbusses mit lauten Pfiffen. Auch während des Spiels wurden jegliche Aktionen Deutschlands mit einem gellenden Pfeifkonzert kommentiert. Dazu die äußeren Temperaturen von knapp 40 Grad in Bologna. Nadiem Amiri sagte in den Katakomben später: „Es war zwar nicht der einzige Grund, aber es war einfach zu heiß. Die Rumänen hatten ihre Fans im Rücken, das war schon ein Hammer.“ Und tatsächlich drohte die deutsche U21-Nationalmannschaft unter allen Einflüssen zu zerbrechen. Doch der Reihe nach.
In der 21. Spielminute war die Welt aus deutscher Sicht vollkommen in Ordnung: Amiri, der zum ersten Mal in diesem Turnier von Beginn an spielte, dribbelte über den halben Platz und schloss trocken zur 1:0-Führung für Deutschland ab. Beim Torjubel zeigte Amiri erst in Richtung Ersatzbank, ging dann in die Hocke und setzte eine Denkerpose auf. Angesprochen auf seinen Jubel sagte Amiri: „Ich habe mit Waldi vor dem Spiel besprochen, dass ich die Russenhocke mache, wenn ich treffe.“ Gemeint war: Waldemar Anton, der auch russische Wurzeln besitzt. Das Problem zunächst aus DFB-Sicht: Die Jubelbilder verwandelten sich kurze Zeit später in Fassungslosigkeit.
Rumänien dreht das Spiel – Schubert als Motivator
Erst verschuldete Timo Baumgartl in der 25. Minute einen Elfmeter - der vierte insgesamt gegen Deutschland bei diesem Turnier - den Rumäniens Puscas zum 1:1 verwandelte. Dann schraubte sich eben dieser Puscas in der 44. Minute im Strafraum der Elf von Stefan Kuntz hoch und traf zum 1:2 aus Sicht der DFB-Junioren. Kurz vor dem Pausenpfiff verhinderte Schalkes Torwart Alexander Nübel mit einer spektakulären Parade den dritten Gegentreffer, der zu diesem Zeitpunkt sogar verdient gewesen wäre.
Markus Schubert, Deutschlands dritter Torwart bei diesem Turnier, war im Anschluss der Einzige, der nach dem Pausenpfiff zu jedem Mitspieler ging und alle aufrichtete. Denn selbst Kapitän Jonathan Tah verließ den Rasen nach den ersten 45 Minuten mit hängenden Schultern. „Ich habe einfach gesagt, dass wir das gewinnen werden“, sagte Schubert dieser Zeitung und erklärte die Beweggründe: „Es kam aus der Emotion heraus, ich habe leidenschaftlich, aber auch ruhig zu den Jungs gesprochen.“ Nicht nur Schuberts Worte. sondern auch die emotionale Kabinenansprache von Trainer Stefan Kuntz hinterließ Wirkung.
Kuntz wird emotional und stellt eine bestimmte Frage
Doppeltorschütze Amiri: „Der Trainer hat uns hart angepackt und eine sehr emotionale Ansprache gehalten.“ Und auch Stefan Kuntz selbst gab Einblicke in den Moment, der das Spiel der DFB-Auswahl mit verändern sollte: „Die Frage war, ob die Leute in Deutschland uns mit so einem Eindruck in Erinnerung behalten wollen und wir uns so aus dem Turnier verabschieden wollen.“ Und der Appell an die eigene Ehre saß.
Deutschland agierte im zweiten Durchgang wesentlich besser gegen immer müder werdende Rumänen. Schon in der 51. Minute erzielte Luca Waldschmidt den 2:2-Ausgleich per Elfmeter, um mit einem wunderbaren Freistoß in der 89. Minute das gesamte Team in Ekstase zu versetzen. Beim deutschen Jubel flogen Plastikflaschen und Becher aus der rumänischen Fankurve. Nadiem Amiri erzielte mit seinem Treffer den 4:2-Endstand und schrie seine ganze Erleichterung hinaus.