Hamburg. Der schottische Hockeytorhüter steht mit dem Uhlenhorster HC am Sonnabend im Halbfinale um die deutsche Feldmeisterschaft.
Wie viel Ironie in so mancher Trainerentscheidung steckt, wird bisweilen erst im Rückblick klar. Vor einigen Jahren erhielt Tommy Alexander vom damaligen Nationaltrainer der Hockeyherren Großbritanniens eine Absage, die ihn schwer traf. Mit einigem Erfolg hatte der Torhüter für Schottlands Auswahl 20 Länderspiele absolviert. Doch für das Team GB, als das die besten Spieler aus England, Schottland, Wales und Nordirland bei Olympischen Spielen antreten, kam er nicht infrage. „Nach einem Auswahltraining hieß es, ich sei vor allem für die Abwehr von Strafecken zu klein“, sagt der 29-Jährige – und kann sich trotz der Erinnerung an diesen bitteren Moment ein breites Grinsen nicht mehr verkneifen.
Kein Wunder, schaut man auf die Bilanz, die der Keeper in seiner ersten Saison für den Uhlenhorster HC in der Feldbundesliga aufweist. Seit er beim 3:0 in Krefeld am 23. September sein Debüt im Kasten der Hamburger gab, hat Tommy Alexander in 16 Spielen kein einziges Eckentor kassiert. Das liege, beeilt er sich nachzuschieben, zu einem großen Teil natürlich an seiner Abwehr, die „beim Ablaufen und auf der Linie einen großartigen Job“ mache. Aber jeder, der den 175 Zentimeter großen Athleten in Aktion erleben konnte, weiß, wie viel Understatement in diesem Einschub steckt. Tommy Alexander ist in der Bundesliga der Torhüter mit den wahrscheinlich besten Reflexen.
Alexander hatte die Bundesliga stets in seinem Blickfeld
„Es stimmt schon, dass mein Spiel nicht darauf ausgerichtet ist, im Schusskreis herumzutoben“, sagt der Mann, der schon als 19-Jähriger regelmäßig nach Hamburg geflogen war, um sein Torwartspiel zu verbessern. Der frühere englische Nationaltorhüter Jimi Lewis (44), der hier als Torwartcoach arbeitet, ist für ihn eine Art Mentor, „er hat mir angeboten, dass ich bei ihm trainieren könne, also bin ich oft hergekommen.“ Einen Wechsel zum Großflottbeker THGC sagte Alexander vor sechs Jahren kurzfristig ab, um beim englischen Topclub Reading anzuheuern. Aber die Bundesliga sei stets in seinem Blickfeld gewesen, und als im vergangenen Jahr tatsächlich das Angebot des UHC kam, griff er so zielsicher zu wie bei seinen Paraden auf dem Hockeyfeld.
An diesem Wochenende bestreitet der Sohn eines schottischen Vaters, der in London aufwuchs und deshalb deutlich verständlicheres Englisch spricht als die meisten seiner Landsleute, nun seine erste Final-Four-Endrunde. Doch schon vor dem Halbfinale, das die Auswahl von Cheftrainer Benedikt Schmidt-Busse am Sonnabend (11 Uhr) in Krefeld mit Titelverteidiger und Hauptrundenmeister Uhlenhorst Mülheim zusammenführt, zieht er ein durchweg positives Fazit seiner Premierensaison. „Der Wechsel nach Deutschland hat mich enorm weitergebracht. Ein so professionelles Umfeld habe ich nirgendwo gehabt“, sagt er.
Alexander: "Würde gern meine Karriere hier beenden"
Die für seine Reflexe notwendige Schnelligkeit, die ihn auch in der Hallensaison zu einem der Toptorhüter der Bundesliga machte, trainiert er mit verschiedenen Konzentrationsübungen unter Einsatz von Tennisbällen. Allerdings ist er auch überzeugt, dass ihn seine Jugendzeit als Kartfahrer in London geschult habe, schnell reagieren zu können. Und auch die Impulsivität, die ihn auf dem Platz bisweilen „zu einem anderen Menschen werden lässt“, helfe ihm, den Fokus auf das Wesentliche zu lenken. „Ich pushe mich durch meine wilde Art selbst zur Höchstleistung“, sagt er.
Diesen Einsatz möchte Tommy Alexander noch einige Jahre für den UHC bringen. „Ich würde hier gern meine Karriere beenden“, sagt der Manchester-United-Fan, der sich mit seinem Teamkollegen Gavin Byers eine Wohnung in Winterhude teilt. Und sollte seine Geschäftsidee aufgehen, könnte Hamburg langfristig sein Lebensmittelpunkt bleiben. Mit Lewis und der früheren Nationaltorhüterin Yvonne Frank möchte er eine Torwartschule eröffnen, um sein Auge für Talente, das er bereits als Jugendcoach schult, zu nutzen. Eins ist klar: Einen Torhüter aufgrund fehlender Körpergröße abzulehnen, das würde Tommy Alexander nicht passieren.