Hamburg. Marc (Rudern) und Björn (Schwimmen) Kammann treten in verschiedenen Sportarten an. Trotzdem sind sie typische Brüder.
Dass sie Exoten sind, sieht man nicht. Klar, sie fallen schon ins Auge. Marc, 198 Zentimeter groß, Oberarme so kräftig wie bei normalen Menschen der Oberschenkel, und Björn, nur einen Zentimeter kleiner, aber mit einem Kreuz, hinter dem sich zwei Menschen verstecken könnten. Aber das, was die beiden Brüder verbindet zu einem außergewöhnlichen Geschwisterpaar, ist das, was sie trennt. Marc und Björn Kammann sind hoffnungsvolle Hamburger Leistungssporttalente, die in verschiedenen Sportarten ihr Glück suchen.
Es gibt bundesweit Dutzende an Beispielen für Geschwister, die im Leistungssport erfolgreich wurden. Selbst in Hamburg muss man nicht lange überlegen, um auf die Hockeybrüder Moritz und Jonas Fürste, die Reitsportfamilie Lüneburg oder die Handballschwestern Lisa und Paula Prior zu kommen. Aber Geschwister, die in unterschiedlichen Sportarten Förderkader erreichen? Die Triathletin Anja Dittmer und ihren Kanu fahrenden Bruder Andreas gab es. Aber sonst? Auch Björn und Marc Kammann schütteln den Kopf. Sie scheinen tatsächlich Exoten zu sein.
Vater hat viele Sportarten ausprobiert
Am Olympiastützpunkt in Dulsberg, sagen sie, wüssten viele nicht einmal, dass sie Brüder sind. „Deshalb war unsere Besonderheit bislang auch noch kein Thema für uns“, sagt Marc. Der 21-Jährige ist Mitglied im Riemen-A-Kader des Deutschen Ruderverbands und wird im neuen Team Hamburg, das derzeit zusammengestellt wird, im Perspektivkader geführt. Der vier Jahre jüngere Björn ist Schwimmer, 100 und vor allem 200 Meter Schmetterling sind seine Paradestrecken, er ist Teil des Nachwuchskaders NK 1. Olympiastützpunkt-Leiterin Ingrid Unkelbach traut beiden eine erfolgreiche Karriere zu. „Ich denke, dass sie das Zeug haben, an Olympischen Spielen teilzunehmen“, sagt sie.
Die Frage, wie es passieren konnte, dass sie sich unterschiedliche Sportarten aussuchten, bringt die beiden Athleten ins Grübeln. Familiäre Prägung? Ja, die gab es wohl, eine Großmutter ruderte, die Mutter war in der DDR Schwimmerin, der Vater hat viele Sportarten ausprobiert. „Aber es gab keinen Druck, wir konnten völlig frei wählen“, sagt Marc, der in Brandenburg an der Havel geboren ist. Bei einem Familienausflug in Berlin, wo Björn zur Welt kam und die Brüder aufwuchsen, sei man durch Zufall in einen Tag der offenen Tür im Ruderclub Tegel hineingeraten. Das gefiel dem damaligen Fußballer so gut, dass er als Elfjähriger mit dem Rudern begann und „nie mehr etwas anderes machen wollte“. Seit dem beruflich bedingten Umzug nach Hamburg 2012 ist er Mitglied im Hamburger und Germania RC.
Marc und Björn messen sich im Basketball
Björn gelangte durch ein an seiner Grundschule angebotenes Schwimmtraining ins statt aufs Wasser. „Ich fand es anfangs langweilig, habe nur Quatsch gemacht. Irgendwann fragte der Trainer, ob ich nicht mal richtig trainieren wollte.“ Wollte er. Die Karriere begann für den Neunjährigen bei Spandau 04, seit 2012 schwimmt er für den AMTV.
Natürlich kennen auch die Kammanns diesen Drang, sich miteinander messen zu wollen, den die allermeisten Brüder haben. Sie spielen gegeneinander Basketball oder Football, „und natürlich ziehen wir einander damit auf, dass der Sport, den der andere macht, der leichtere ist“, sagt Marc. Dennoch seien sie, sagt Björn, „froh, dass wir im Leistungssport nicht miteinander konkurrieren müssen.“ Ihr Verhältnis sei zwar grundsätzlich entspannt, „es hätte nicht geschadet, wenn wir den gleichen Sport gemacht hätten“, aber sie genießen es, dem anderen bei Wettkämpfen zuschauen zu können, ohne dabei persönliches Konkurrenzdenken mitschwingen zu lassen.
Die Eltern hätten es bislang immer geschafft, ihre beiden Kinder gleichrangig zu behandeln und das Zuschauen bei gleichzeitig stattfindenden Wettkämpfen paritätisch aufzuteilen. Wie das in Zukunft sein wird, bleibt abzuwarten, nachdem der Vater vor gut sechs Wochen verstarb. „Jetzt hilft uns der Sport bei der Verarbeitung“, sagt Marc, der eine Ausbildung bei der Bundespolizei macht, meist am Bundesstützpunkt der Riemenruderer in Dortmund trainiert und deshalb selten in der Hamburger Familienwohnung ist.
Typische Brüder
Wenn er da ist, wird dort wenig über Sport gesprochen. „24/7 nur Sport, das wäre nichts für uns“, sagt der redseligere der Brüder. Björn, Zwölftklässler der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg, sei mehr der Zuhörer. „Ich mache die Witze, er lacht darüber“, sagt Marc. „Oder ich frage, was daran witzig sein soll“, sagt Björn. Typische Brüder eben. Und doch Exoten, die ein Ziel eint: Olympia.
Für Marc könnte es schon 2020 in Tokio reichen. Am 13./14. April entscheiden sich bei der Kleinboot-DM in Köln die Zusammensetzungen der Teams für die Saison 2019, im vergangenen Jahr startete er im Vierer bei der U-23-WM. „Mein Ziel ist in diesem Jahr die WM Ende August in Linz“, sagt er. Björn peilt die Sommerspiele 2024 in Paris an, er steigt Anfang April in Den Haag (Niederlande) in die Wettkampfsaison ein.
Bleibt eine Frage: Wer ist besser im Sport des anderen? Dass der Redseligere antwortet, ist keine Überraschung: „Ich schwimme schneller, als er rudert“, sagt Marc. Und Björn nickt.