Hamburg. Der Hamburger Segler Arnt Bruhns erfüllt sich mit der Teilnahme an der französischen Regatta „Route du Rhum“ einen Lebenstraum.
Was ein richtiger Hamburger ist, der schnackt nicht lange rum. „Wenn ich sagen würde, ich bin total cool, stimmt das nicht“, sagt Arnt Bruhns nach einer Denkpause. Immerhin. Die Frage war, wie aufgeregt er ist vor dem Abenteuer, 6660 Kilometer allein in einem Schiff von Saint-Malo in der französischen Bretagne nach Guadeloupe in der Karibik zu segeln. Ein Mann, sein Boot, nur das Nötigste an Bord, ausgeliefert den Naturgewalten, Walfischen und vom Schiff gefallenen Containern. 16 Tage, 17 Stunden und 47 Minuten benötigte Alex Pella, der spanische Sieger in Bruhns Bootsklasse, der Class 40, vor vier Jahren für die Transatlantik-Regatta „Route du Rhum“. Der Klassiker im Vierjahresrhythmus gehört seit 1978 zu den herausfordernden Einhandsegel-Hochseerennen.
18 Tage soll die Reise dauern
„Ich plane für die Strecke mit 18 Tagen, Proviant habe ich für 20“, sagt Bruhns (49), Mitglied im Norddeutschen Regatta Verein und im Arbeitsleben Immobilienverwalter. An Bord seiner „Isakreen“, dem zwölf Meter langen Familienschiff, sind es vor allem gefriergetrocknete Suppen in Aluminium verpackt, die den Skipper funktionstüchtig halten sollen.
Zubereitet werden sie aus dem aus Gewichtsgründen ebenfalls möglichst knapp berechneten Vorrat an Süßwasser. Wobei zubereitet das falsche Wort ist. Mit Kochen und Genießen hat so ein gefährliches Rennen naturgemäß wenig zu tun. Es geht darum, auch bei schlimmsten Wetterbedingungen das Boot mit einem Minimum an Ausstattung optimal auf Kurs zu halten – Navigation und Wetterbeobachtung inklusive. Kanonenstart ist Sonntag, 14 Uhr. Seit seiner Ankunft vor anderthalb Wochen habe er sich „mit einer Spezialdiät aus Austern und Meeresfrüchten fit gemacht“, sagt Bruhns und lacht. Norddeutscher Humor dann doch.
Profi Boris Herrmann bereitet sich auf „Vendée Globe“ vor
123 Teilnehmer in sechs unterschiedlichen Bootsklassen haben sich gemeldet – Rekord im 40. Jubiläumsjahr. Außer dem Amateursegler Bruhns, der aber auch schon 1989 am „Whitbread Round The World Race“ teilgenommen hat, ist als zweiter Deutscher der Wahlhamburger und Profi Boris Herrmann (37) mit seiner vom monegassischen Fürstenhaus unterstützten „Malizia“ dabei. Pierre Casiraghi, Sohn von Prinzessin Caroline von Monaco, ist ein Segelfreund von Herrmann, der die Welt schon dreimal umrundet hat. Die „Route du Rhum“ ist für ihn nur das „Warmmachen“ für die härteste Soloregatta, die „Vendée Globe“, die 2020 im November startet: nonstop um die Welt. Allein. Und Herrmann will es als erster Deutscher schaffen.
Doch erst einmal muss er die aktuelle Regatta überstehen: Nach dem Ärmelkanal durch den gefährlichen Golf von Biskaya, dann weiter zu den Azoren und ihren Hochdruckgebieten in die Karibik – so die optimistische, unfallfreie Routenbeschreibung. Die Aufgabequote, aber auch die der Havarien ist hoch. Sogar Tote hat es schon gegeben. Es ist die Zeit der Winterstürme. Dennoch hat sich erneut die Crème de la Crème der internationalen Einhandsegler in dem alten Piratenort versammelt. Harte Kerle und einige Frauen, denen in den nächsten Tagen Wind, Seewasser und Sonne die Furchen ins Gesicht schreiben werden.
Dass auch Familienvater Bruhns, mit Ehefrau Sandra-Valeska hat er vier Kinder, immer wieder das Abenteuer auf hoher See sucht, liegt an der Familiengeschichte. Vater Reemt, einst technischer Leiter einer Reederei, hat seinen Söhnen Sönke und Arnt diese sportliche Herausforderung quasi in die Wiege gelegt. Noch mit 75 Jahren nahm der Senior an Hochseeregatten teil.
Zwei Satellitentelefone sichern den Kontakt zur Außenwelt
Auch in Saint-Malo ist Sönke Bruhns (52) als Manager der 18-köpfigen Entourage dabei. Die Brüder unterstützen sich gegenseitig bei ihren Regattaeinsätzen, sind Mitglied jener WhatsApp-Gruppe von Seglern, die sich vor Ort mit Informationen versorgen. Tag für Tag haben sie getüftelt, letzte Ersatzteile aufgetrieben, geprüft, sind die Abläufe noch einmal akribisch durchgegangen. Nicht nur, dass sich ausnahmslos jeder Teilnehmer für das Rennen qualifizieren musste, indem er als Vorbereitung 1200 Seemeilen allein und nonstop im Wettkampfschiff nachzuweisen hatte, auch die Regeln für die Regatta selbst sind hart.
Zehn Minuten vor dem Start müssen innerhalb einer bestimmten Zone alle Helfer von Bord sein. „Wir haben dafür extra ein Schlauchboot organisiert“, sagt Bruhns. Zudem ist die Unterzeichnung eines ironisch „sign of your life“ genannten Schriftstückes Pflicht. „Wir versichern, dass wir uns nicht von Außenstehenden helfen lassen.“ Gerät ein Schiff in Seenot, können Hubschrauber eingreifen, die die Regatta begleiten. Sicherheitsbriefings dazu wurden in dieser Woche abgehalten.
An Bord sind die Skipper auf sich allein gestellt. Bruhns hat zwei Satellitentelefone, mit denen er Kontakt zur Außenwelt hält. „Ich habe auch Internet“, sagt Bruhns. „Allerdings ist es langsam und teuer.“ Damit die Familie daheim sich nicht zu sehr sorgt, berichtet er regelmäßig via Facebook über seinen Alltag. Auch E-Mail-Verkehr funktioniert, sogar Fotos und Videos stellt er ins Netz. Bislang zehn Atlantikquerungen haben auch die Schlafgewohnheiten geschliffen. Zwei Stunden am Stück, mehr ist oft nicht drin. „Kein Problem“, sagt Bruhns. „Daran gewöhnt man sich.“
Sandra-Valeska Bruhns empfängt ihren Mann in Guadeloupe
Die Junioren daheim fiebern jedenfalls ziemlich angstfrei mit. Tochter Anna (16) war sogar dabei, als Vater und Onkel die „Isakreen“ in den Herbstferien nach Saint-Malo überführt haben. „Unsere Kinder segeln von klein auf“, sagt die Mutter. Dass der Ehemann sich mit der Soloregatta einen Lebenstraum erfüllt, bevor er die magische 50 erreicht, plaudert die Ehefrau aus. „Zufall“ kommentiert der Angetraute karg.
Zur Ankunft in Guadeloupe will Frau Bruhns Herrn Bruhns live in Empfang nehmen. Reemt (13), Jan (11) und Thedar (8) sowie die große Schwester Anna müssen zur Schule. Opa und Oma hüten ein. „Ich freue mich sehr darauf“, sagt Sandra-Valeska Bruhns. „Die Franzosen verstehen es, so ein Segelfest zu feiern.“ Auch in der Karibik.
Im Laufe dieser Woche hat sich schon der Hafen in Saint-Malo in eine Zeltstadt verwandelt. In jedem Wasserbecken liegen die Schiffe nach Bootsklassen verteilt. Zwei Millionen Menschen werden den Start vom Festland aus verfolgen, das französische Fernsehen überträgt live. „Jetzt kann es losgehen“, sagt Arnt Bruhns. Die See ruft.