Hamburg/Plowdiw. Das deutsche Paradeboot soll am Sonntag bei der Ruder-WM in Bulgarien Gold holen. Steuermann Martin Sauer stellt sein Team vor und erläutert, wer welche Aufgabe hat

    Noch nie in seiner glorreichen Geschichte konnte der Deutschland-Achter zweimal in Folge in derselben Besetzung bei einer Ruder-WM den Titel holen. An diesem Sonntag (12.15 Uhr MEZ) soll dies bei den Titelkämpfen in Bulgarien gelingen. Verantwortung dafür, dass das Team seine seit Silber bei den Olympischen Spielen 2016 anhaltende Siegesserie bei internationalen Großereignissen (WM, EM, Weltcups) fortführt, trägt maßgeblich der Mann, der in der gebräuchlichen Bezeichnung des deutschen Paradeboots gern unterschlagen wird: Martin Sauer, Steuermann vom Berliner RC.

    Der 35-Jährige ist der neunte Mann im Boot, und er kann gut damit leben, dass meist vom „Achter“ die Rede ist. „Korrekt lautet die Bezeichnung ,Achter mit Steuermann‘, da wird meine Position sogar explizit benannt. Aber weder fühle ich mich dadurch exponiert noch zurückgesetzt, wenn nur vom Achter gesprochen wird“, sagt der Routinier, der seit 2000 im Bundeskader steht und 2009 seine erste WM im Achter erlebte. Eins der Erfolgs­geheimnisse der Mannschaft sei ja, dass sich niemand über den anderen stelle. „Jeder kennt seine Aufgabe, jeder erfüllt das, was für das Team das Beste ist“, sagt Martin Sauer.

    Warum es eine so besondere Situation ist, mit derselben Formation zu starten, die 2017 in Sarasota (USA) Gold holte, kann der 169 Zentimeter kleine Anführer einleuchtend erklären. „Viele denken, ein harmonisches, aufeinander abgestimmtes Team, das über Jahre zusammen fährt, sei das Optimum. Das ist falsch. Wir setzen vielmehr darauf, dass sich jedes Teammitglied in jeder Saisonvorbereitung neu beweisen muss, damit wir auch wirklich die acht besten Ruderer aufstellen und nicht die acht, die sich am besten verstehen“, sagt er.

    Als Steuermann hat Sauer die Aufgabe, das Boot auf Kurs zu halten und die Crew zu motivieren. Das, sagen seine Kollegen über ihn, mache er so gut, „dass man mit Ganzkörper-Gänsehaut rausgeht und sich einfach nur quälen möchte“. Sauer selbst zieht seine Motivation trotz der vielen Titel, die er gewinnen konnte, aus der Stärke der Konkurrenz und dem Zusammenhalt im Team. „Wir dürfen uns niemals auf dem Erreichten ausruhen, denn wir sind nicht unbesiegbar. Von Menschen umgeben zu sein, die ebenfalls höchste Ansprüche an ihr Tun haben, motiviert mich ungemein, denn so kann ich Dinge schaffen, die ich allein nie schaffen könnte“, sagt er. Wer diese Menschen sind und was ihre Aufgabe im Achter ist, erklärt Martin Sauer für das Abendblatt.

    Johannes Weißenfeld (24 Jahre/RC Herdecke/1,99 Meter): Als Bugmann hat er die Herausforderung, dass sich das Boot an seiner Position am stärksten auf und ab bewegt. Um da nicht aus dem Rhythmus zu geraten, braucht es immense innere Ruhe. Die hat er. Johannes, der Medizin studiert, ist der mit Abstand flexibelste Ruderer im Team, der unter schwierigsten Umständen genau das tut, was er tun muss.

    Felix Wimberger (28/Passauer RV/1,90): Bildet mit Johannes auf der Verzahnung das Bugpärchen. Felix ist für mich der Indikator unserer Formstärke. Er ist immens ehrgeizig, gibt sich mit „gut“ niemals zufrieden und sucht Fehler erst bei sich, bevor er andere anklagt. Wenn er etwas als positiv empfindet, dann ist das Team überzeugt davon, dass es gut war. Als Student des Ingenieurwesens arbeitet er sehr genau und exakt. Solche Leute braucht jedes Team.

    Maximilian Planer (27/Bernburger RC/1,95): Als Verbindungsträger muss er den Rhythmus halten und weitertragen. Das erfordert Kraft und Technik, beides bringt er mit. Max, der Medienwissenschaften studiert, ist ein extrovertierter Typ, der sich sehr offensiv pusht und damit auch andere mitreißen kann. Härte gegen sich selbst, gepaart mit Coolness, das zeichnet die Jungs im Mittelschiff aus. Ihm sprudelt die Motivation manchmal etwas über, aber er ist damit auch für andere motivierend.

    Torben Johannesen (23/RC Favorite Hammonia/1,87): Sehr ehrgeizig und mental stark, er strahlt aus, dass er immer das Optimum erreichen möchte. Wird bisweilen unterschätzt, weil er der Kleinste und Jüngste im Team ist, ist aber physisch sehr stark. Als Verbinder an der Schnittstelle im Boot gefordert, sehr exakt zu rudern, damit das Team nicht in zwei Vierer zerfällt. Torben, der Deutsch und Physik auf Lehramt studiert, ist der Einzige, der nicht am Stützpunkt in Dortmund lebt, was es ihm manchmal schwer macht, sofort im Team anzukommen. Aber das wird sich nächstes Jahr ändern.

    Jakob Schneider (24/RK Baldeneysee/1,99): Torben und er sind ganz unterschiedliche Charaktere, harmonieren aber dennoch sehr gut, was auf ihren Positionen sehr wichtig ist. Der Fünfer ist die erste Verbindung zum Schlag, und Jakobs Stärke ist, dass er sich bis zum letzten Tropfen für die anderen reinhängt. Technisch und physisch ist er nicht der Stärkste, aber er hört erst auf, wenn er seitlich aus dem Boot kippt. Solche Leute brauchst du, um das Team mitzuziehen. An Land ist er ein wilderer Typ, quirlig und manchmal etwas verrückt. Er studiert Biologie und Sport auf Lehramt.

    Malte Jakschik (25/RV Rauxel/1,94): Ein positiver Typ, der optimistisch an jede Aufgabe herangeht. Seine Position auf der Übernahme wird gern unterschätzt, sie ist aber sehr anspruchsvoll, weil er auf den Rhythmus des Schlags achten und dennoch voll im Tempo bleiben muss. Diesen Spagat kann nur bewältigen, wer sehr exakt arbeitet. Malte, der Ingenieurwesen studiert, ist in jeder Phase höchst zuverlässig. So einen zu finden, das ist nicht einfach.

    Richard Schmidt (31/RV Treviris Trier/1,91): Ihn kenne ich am längsten, wir sind in der zehnten Saison zusammen. Wer sich zehn Jahre im Paradeboot behauptet, den darf man zu den Top-Ruderern der Welt zählen. Richard ist Wirtschaftsingenieur und arbeitet gerade an seiner Doktorarbeit. Er ist ein herausragendes Vorbild, ist als Ältester der Trainingsfleißigste und damit eine sehr wichtige Orientierungshilfe für die Jüngeren. Er lebt vor, wie man an sich arbeitet, und setzt damit den Grundton im Team. Er ist nicht umsonst Athletensprecher im deutschen Verband. Als Co-Schlagmann muss er Ruhe ausstrahlen und konsequent sein. Er könnte aber auch jede andere Position ausfüllen.

    Hannes Ocik (27/Schweriner RG/1,90): Als Schlagmann gibt er die Schlagzahl vor, orientiert sich dabei aber am inneren Rhythmus, den das Team mitbringt. Hannes, der Polizeimeister ist, zeichnet ein unbändiger Ehrgeiz aus. Der Schlagmann muss den Kampf mit dem Gegner suchen, das tut Hannes sehr hartnäckig, ist aber gleichzeitig ein besonnener Rennfahrer. Der Schlagmann steht oft besonders im Fokus. Hannes weiß aber, dass er nicht wichtiger ist als die anderen im Team. Das hilft ihm und uns.