Hamburg. Julius Thole und Clemens Wickler sind mit drei Siegen ins Major-Finale am Rothenbaum gestartet. Sie gelten als Olympiakandidaten.
Es war spät geworden an diesem lauwarmen Mittwochabend, die Flutlichter waren verloschen, die letzten der 3000 Zuschauer verließen gerade das zur Red Bull Beach Arena verwandelte Tennisstadion am Rothenbaum, als Bernhard Thole, der Vater des Nationalspielers Julius Thole, vor dem Eingangstor erneut ins Schwärmen geriet: „Dieses Match war nicht von dieser Welt, es war galaktisch. Das war ein Sieg der Beachvolleyball-Intelligenz, des Scoutings, eine grandiose Vorstellung der beiden Jungs. Jetzt ist mir egal, was in diesem Turnier noch kommt.“
Aber es sollte noch viel, viel mehr kommen: Am Donnerstagmorgen legten Julius Thole (21) und Clemens Wickler (23) auf dem Nebenplatz zwei nach. Nur 13 Stunden nach ihrem begeisternden 2:0 (21:19, 21:11)-Auftakterfolg gegen die Russen Oleg Stojanowski/Igor Welitschko (Russland) und einer unruhigen Nacht besiegte das Duo des Eimsbütteler TV auch die Olympiazweiten Paolo Nicolai/Daniele Lupo aus Italien, bloß etwas knapper mit 2:1 (21:17, 18:21, 15:13)-Sätzen. Und am Abend feierten 5000 Zuschauer auf dem Centre-Court den dritten Erfolg der jungen Hamburger, das 2:1 (17:21, 21:12, 15:12) gegen die lettischen Weltranglistendritten Aleksandrs Samoilovs/Janis Smedins.
Sie zahlen das Vertrauen zurück
Das Beachteam der Zukunft ist in der Gegenwart angekommen, in der Weltspitze, und das weit früher als von vielen erwartet. Und die beiden können sich heute Nachmittag (13.30 Uhr) gegen die Polen Piotr Kantor/Bartosz Losiak als Gruppensieger direkt in die Runde der letzten vier des Major-Finales schlagen, in der ihnen 35.000 US-Dollar Preisgeld garantiert wären, fast genau jene Summe, die sie in diesem Jahr bisher verdient haben. Das Viertelfinale Freitagabend, bei dem die Zweiten und Dritten der beiden Vorrundengruppen überkreuz die Halbfinalgegner der Gruppenersten ermitteln, ist Thole/Wickler selbst bei einer Niederlage sicher. Vorschlussrunde und Endspiel werden bei den Männern Sonnabendnachmittag ab 14.15 Uhr ausgetragen.
Der Hamburger Niclas Hildebrand (38) ist der neue Sportdirektor Beachvolleyball des Deutschen Volleyball-Verbands (DVV). Er beobachtet von Berufs wegen die Entwicklung Tholes und Wicklers. „Wir wussten im DVV, dass beide großes Potenzial haben. Insofern sind ihre Siege hier in Hamburg keine wirkliche Überraschung. Sie bestätigen uns nur, dass wir bei unseren Fördermaßnahmen wie Reisekostenzuschüsse und Trainerfokussierung auf die Richtigen gesetzt haben“, sagt Hildebrand. „Ihre Wildcard für dieses Turnier haben sie mehr als gerechtfertigt. Sie zahlen das Vertrauen zurück. Wir sind gespannt, wie weit sie es hier bringen werden. Alles scheint möglich. Es macht uns allen riesige Freude, ihnen zuzusehen.“
Nach dem plötzlichen Karriereende des Hamburger Olympiateilnehmers und zweimaligen deutschen Meisters Markus Böckermann setzt der DVV für die Sommerspiele 2020 in Tokio jetzt auf Thole/Wickler. „Dass sie bereits zu den Top 25 der Welt gehören, mit dieser Entwicklung hätten wir erst im nächsten Jahr gerechnet, schließlich standen sie Anfang des Jahres nicht unter den ersten 60“, sagt Hildebrand.
Der Sprung unter die besten 16 der bereinigten Weltrangliste (nur zwei Teams pro Nation), die sich alle für Japan qualifizieren, sei nun nicht mehr allzu groß, „sie sind daher kein Perspektivteam mehr für uns, sondern unsere Olympiakandidaten“, sagt der Sportdirektor. Der nächste Schritt für Thole/Wickler wäre, nicht nur gelegentlich, sondern mit hoher Konstanz die Top Ten der Welt zu besiegen.
Starker Block der Norweger
Um diese Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, müssen beide, vor allem der 2,05 Meter große Thole, im kommenden Winter Kraft und Athletik zulegen. „Tholes Block muss zur Wand am Netz werden. Die Qualität des Blockspiels entscheidet heute in der Weltspitze über Sieg und Niederlage. Da hat Julius eine Menge Potenzial, auch wenn das im bisherigen Turnier manchmal anders aussah“, sagt Hildebrand. Die weltweit geschätzte Scoutingabteilung des DVV unter Führung Ron Göddes und Ray Wennings bestätigt anhand ihrer Spielaufzeichnungen diese Einschätzung. Der Beleg: Wegen ihres starken Blocks führen die Norweger Anders Mol/Christian Sørum die Weltrangliste an und sind auch beim Major-Finale diejenigen, die es zu schlagen gilt. Ihre bislang letzte Niederlage kassierten sie vor 22 Spielen – gegen Thole/Wickler in Portugal.
Ob beide schon im September in die Olympiaqualifikation einsteigen, wollen sie nach den deutschen Meisterschaften am Timmendorfer Strand entscheiden. „Vielleicht wäre es besser, nach dieser anstrengenden Saison eine Pause zu machen, damit wir uns danach intensiv auf das nächste Jahr vorbereiten können“, sagt Thole. Hildebrand würde das befürworten.