London. Der Weltranglistendritte aus Hamburg scheitert in Wimbledon in der dritten Runde, weil ihm ein Magen-Darm-Infekt die Kraft raubt
Die erfrischende Brise des Mittelmeeres soll dabei helfen, Alexander Zverev den Kopf freizupusten. „Morgen und übermorgen bin ich in Monte Carlo auf meinem Boot, hier werdet ihr mich nicht mehr sehen“, sagte der in Hamburg geborene Wahl-Monegasse, nachdem er am Sonnabendabend bei den All England Championships in Wimbledon seine nächste Enttäuschung auf dem höchsten Level des Tennissports hatte hinnehmen müssen. 6:7 (2:7), 6:4, 7:5, 3:6 und 0:6, so lautete nach 200 Spielminuten das Resultat seines Drittrundenmatches gegen den Letten Ernests Gulbis (29).
Zverevs Grand-Slam-Bilanz liest sich noch ernüchternder. 16-mal nahm er an den vier Majorturnieren teil, nur zweimal – 2017 in Wimbledon und in diesem Jahr in Paris – schaffte er es in die zweite Woche. Für einen Weltranglistendritten ist das kein Ruhmesblatt. Dennoch hatte Zverev nicht unrecht, als er für sich reklamierte, noch 15 Teilnahmen in Wimbledon vor sich zu haben. „Es ist nur eine Frage der Zeit, dass sich meine Grand-Slam-Bilanz deutlich verbessert. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen“, sagte er. Angesichts der beeindruckenden Auftritte der Topstars Roger Federer (36/Schweiz), Rafael Nadal (32/Spanien) und Novak Djokovic (31/Serbien) darf man festhalten, dass Spieler, die auf ihren Körper achten, deutlich länger zu Topleistungen fähig sind als früher. Und Zverev, der seit Jahren mit Jez Green (Athletik) und Hugo Gravil (Physiotherapie) zwei Experten zu seinem Team zählt, gilt als vorbildlich im Bereich der Körperpflege.
Welch Ironie des Schicksals also, dass es in Wimbledon vorrangig sein Körper war, der den 1,98-Meter-Mann, der in den vergangenen zwei Jahren seinem schlaksigen Körper rund 15 Kilo Muskelmasse auftrainiert hatte, stoppte. Die Folgen eines Magen-Darm-Infekts, der schon den Zweitrunden-Fünfsatzsieg über Taylor Fritz (20/USA) überschattet hatte, waren dafür verantwortlich, dass ihm Mitte des vierten Satzes gegen Gulbis die Kraft ausging. „Es fühlte sich an, als hätte jemand einen Stecker gezogen“, sagte Zverev, der sich noch am Vorabend übergeben und 24 Stunden nichts gegessen hatte.
Dass der Lette nicht wie ein Weltranglisten-138. spielte, sondern wie der Top-Ten-Spieler, der er 2014 gewesen war, darf ebenfalls nicht unterschlagen werden. Zverev hatte dennoch ausreichend Chancen, um den ersten Satz zu gewinnen und in drei Durchgängen ins Achtelfinale durchzumarschieren. Er nutzte sie nicht konsequent genug, was auch einen Lerneffekt haben sollte.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der dreifache Masterssieger nicht die Form hatte, um zwei Rasenwochen auf höchstem Niveau zu überstehen. Der bei den French Open Anfang Juni erlittene Muskeleinriss im Oberschenkel hat viel Substanz gekostet, die Praxis aus nur einem Match auf Rasen vor Wimbledon im Vergleich zu den acht, die er 2017 absolvierte, war nicht ausreichend. Vorzuwerfen ist ihm das nicht, viele Spieler hätte eine solch schwere Blessur für mindestens einen Monat lahmgelegt. „In Paris habe ich dreimal bewiesen, dass ich Fünfsatzmatches durchhalten kann“, sagte er.
Das stimmt, aber was in Wimbledon ebenfalls haften blieb, war der Eindruck eines bisweilen rotzig auftretenden Jungstars, der im Gulbis-Match einen Linienrichter arrogant abkanzelte, und der auch den internationalen Medienvertretern mit seiner blasierten Attitüde unsympathisch geworden ist. Geduld, sagen die Experten, müsse Alexander Zverev haben, um ein ganz Großer zu werden. Ein Stückchen mehr Demut könnte auch nicht schaden.