Hamburg. Oberligameister qualifiziert sich durch 2:0 gegen Niendorf für den DFB-Pokal. Warum sich der TuS-Präsident nicht die Bayern wünscht.
Die härteste Prüfung des Pokalendspiels bestand Jeremy Karikari nach dem Abpfiff. 118 Sekunden stand der deutsch-ghanaische Innenverteidiger in Dassendorfer Diensten den Journalisten Rede und Antwort. „Ja?“, fragte er nach fast jedem Satz. Was so viel heißen sollte wie: „Darf ich gehen?“ Karikari wollte keinesfalls unhöflich sein. Der 30-Jährige ist nur ein scheuer Zeitgenosse, gibt eigentlich grundsätzlich keine Interviews. „Zwei Tore im Finale sind ein schönes Gefühl, nun will ich ein schönes Los“, sagte der Doppeltorschütze. „Am liebsten einen Drittligisten. Da können wir ein bisschen mitspielen.“
Dazu wird es nicht kommen, denn maximal kann bei der Auslosung der 1. DFB-Pokalrunde der Wunsch von Dassendorfs Sponsor Michael Funk („Ich wünsche mir einen schlechten Zweitligisten“) in Erfüllung gehen. Doch prinzipiell zeigte das souveräne 2:0 im Oddset-Pokalfinale gegen Niendorf vor 4183 Zuschauern an der Hoheluft, mit dem Dassendorf sich das Double sicherte, am Beispiel Karikaris die gnadenlose Überlegenheit des schleswig-holsteinischen Abo-Meisters (fünf Titel in Serie) auf. Hinten gewann der zentrale Mann der Dreierkette jeden Zweikampf, war unterfordert. Vorne drückte er zwei Eckballvarianten unbedrängt per Kopf ins Netz (70., 88.).
Die beste Saison der Vereinsgeschichte
„Wir hatten von der ersten bis zur letzten Minute alles im Griff“, analysierte Karikari, der im Vorjahresfinale, damals im Trikot von Sieger Eintracht Norderstedt, mit einer schweren Ellenbogenverletzung nach 15 Minuten vom Feld musste und ein halbes Jahr ausfiel. Diese Betrachtungsweise gilt gleichfalls für die Saison der TuS Dassendorf. Die beste der Vereinsgeschichte.
Inklusive eines Punkterekords in der höchsten Hamburger Spielklasse. Von bislang 33 Pflichtspielen in der Oberliga gewann Dassendorf 31. Eine der beiden Niederlagen, das 0:2 gegen Osdorf am vorigen Freitag, war zudem keine „echte“ Pleite. Mit dem sicheren fünften Meistertitel im Gepäck und dem Pokalfinale vor der Brust trat Dassendorf mit fünf Spielern aus der zweiten Mannschaft in der Startelf an, die in der Kreisklasse kickt.
Dazu gesellen sich die acht Pflichtspielsiege im Oddset-Pokal. Dem Außenseiter aus Niendorf gewährte die TuS überhaupt keine echte Torchance, bewahrte über die komplette Spielzeit die Kontrolle. Mit viel Ballbesitz wartete die Mannschaft geduldig auf ihre Torchancen – und nutzte zwei davon zum hochverdienten Triumph.
Dassendorfer Spottgesang für die Kritiker
Ihre Kritiker nahm die durchaus ansehnlich entlohnte Truppe beim Siegerfoto aufs Korn. „Wir sind zusammengekauft! Null Kameradschaft hier!“, sangen die Spieler aus Leibeskräften und klopften enthusiastisch auf die Bande.
Die ständig präsente Frage, was diese Mannschaft in höheren sportlichen Gefilden leisten könnte, wird sich auf den Auftritt im DFB-Pokal beschränken. Dassendorfs Macher Michael Funk schloss einen Aufstieg in die Regionalliga Nord bereits nach dem Titelgewinn im Jahr 2017 für immer aus. Dafür sei die Infrastruktur im 3400-Einwohner-Dorf nicht gegeben. Man könne also nicht. Und wolle nicht. Den Etat mehr als zu verdoppeln, um eine Liga höher gegen den Abstieg zu spielen, ist für den Unternehmer kein Anreiz.
TuS-Boss wünscht sich nicht die Bayern
Da Funk grundsätzlich mindestens mittelfristig und stets strukturell denkt, würde auch eine eventuell sehr hohe Einnahme im DFB-Pokal bei einem vermeintlichen Traumlos wie Bayern München keine Änderung der Strategie herbeiführen. „Ein Spiel gegen die Bayern hat ja sowieso eher Freundschaftsspielcharakter. Ich möchte lieber eine Runde weiterkommen“, verdeutlichte Funk. Die Krönung seines Lebenswerks sei das Double im Übrigen nicht. „Das sind meine Kinder. Das sechste ist unterwegs. Sportlich freue ich mich vor allem für die Spieler“, sagte Funk bescheiden.
Diese lobten wie die Trainer die tolle Anlage und Atmosphäre des Stadions Hoheluft, übten dafür massive Kritik am Spielbelag. „Hier liegt zu viel Kork auf dem Kunstrasen. Da läuft man sich die Füße blutig. Ich habe überall Blasen“, klagte Dassendorfs Marcel von Walsleben-Schied. „Überfüllt mit Kork, der Ball rollt gar nicht“ (Niendorfs Trainer Ali Farhadi), „schwierig zu bespielen“ (Dassendorfs Trainer Thomas Hoffmann) und „Sandkiste“ (Dassendorfs Trainer Peter Martens) lauteten die weiteren Urteile. Tatsächlich spritzte bei jedem Pass braune Gischt auf.
„Sprung- und Laufverhalten des Balls und Kraftabbau der Spieler ist analog zum Naturrasen. Das hat uns ein Gutachten der Firma Polytan bescheinigt. Ich halte die Kritik nicht für angebracht. 99 Prozent aller Oberligisten würden sich eine solche Spielfläche wie unsere hier im Stadion wünschen“, sagte Victorias Präsident Ronald Lotz.