München. Beim 1:2 gegen Real Madrid enttäuschte der Pole erneut in einem großen Spiel. Dafür gibt es Kritik von Experten und dem eigenen Umfeld.

"Robert, Robert", riefen die Reporter aus aller Welt, doch Robert Lewandowski schüttelte nur müde den Kopf. Der Torjäger des FC Bayern hatte nach dem ernüchternden 1:2 (1:1) im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Real Madrid keinen Bock zu reden. Aus gutem Grund.

Dass die Bayern sich für das Rückspiel am Dienstag im Bernabeu wie Kapitän Thomas Müller "eine andere Killermentalität" wünschten, lag auch an Lewandowski. Der polnische Nationalspieler, in der Bundesliga seit dem Abschied von Pierre-Emerick Aubameyang als Goalgetter unerreicht, tauchte mal wieder ab, als es ganz besonders auf ihn angekommen wäre.

Kahn und Hamann kritisieren Lewandowski

"Ich sehe Lewandowski in diesen Spielen einfach zu wenig", sagte der frühere Bayern-Titan Oliver Kahn im ZDF über den Mann, der in dieser Saison bei 44 Einsätzen 39 Tore erzielt hat. Der 29-Jährige "hat diesen Status, den er haben will", ergänzte Kahn, "wird diesem aber in solchen Spielen nicht gerecht".

Dieser Ansicht war auch Diemtar Hamann. "Wo war Lewandowski, als es gegen Real Madrid wirklich drauf ankam? Nicht da!", schrieb der Champions-League-Sieger von 2005 in seiner Kolumne 'Hamanns Top 3' auf skysport.de. "Wenn man sich anschaut, was Ronaldo generell in K.o.-Spielen liefert, sollte das der Maßstab sein. Er steht nunmal da vorne drin, um die Tore zu erzielen und zwar nicht nur gegen Leverkusen und Dortmund", schrieb der ehemalige Bayern-Profi. Auch die spanische Zeitung "AS" befand: "Lewandowski erwischte keinen guten Tag."

Pressestimmen zu Bayern gegen Real

Marca (Spanien)

"Der Champion schaut bereits auf Kiew. Real jetzt im Vorteil dank der Tore von Marcelo und Asensio. Real befindet sich mittlerweile in einem Status, bei dem man schlechter spielt als Bayern und trotzdem in München gewinnt. Bitter für Bayern die schnellen Ausfälle von Robben und Boateng. Ribery war der große deutsche Albtraum, Keylor Navas rettete zweimal glänzend gegen ihn. Real kann sich mit dem Resultat glücklich schätzen. Kroos hat schon bessere Tage gehabt."

AS (Spanien)

"Real ist unzerbrechlich. Tore von Marcelo und Asensio und sonst wenig. Ohne gut zu spielen, überlebte Real das Tor von Kimmich. Real überstand den wütenden Angriffen der Bayern. Auch so gewinnt Real Madrid. Bale und Benzema auf der Bank, das Ende einer Ära. Lewandowski erwischte keinen guten Tag. Sehr gutes Resultat von Real, sonst gibt es kaum was zu beschönigen. Ribery ist zehn Jahre jünger geworden. Er zeigte sich frech, hartnäckig und schnell. Beeindruckend die offensive Ausrichtung von Heynckes von Beginn an. Der schwere Patzer von Rafinha bringt Bayern in die Bredouille. Trotzdem: Es bleibt spannend, und im Rückspiel ist noch alles möglich."

Sport (Spanien)

"Real Madrid dreht das Spiel gegen Bayern und streichelt am Finale. Real war abgezockter und nutzte die schweren Fehler der Deutschen um das Spiel zu drehen. Real steht mit anderthalb Füßen im Finale von Kiew. Die anfängliche Verletzung von Robben zerbrach Heynckes' Schlachtplan. Diesmal war von Ronaldo recht wenig zu sehen, er hatte wenig Ballkontakte. An fast allen gefährlichen Torszenen der Bayern war Ribery beteiligt. Bayern muss jetzt die Heldentat im Bernabeu-Stadion suchen."

El Mundo Deportivo (Spanien)

"Real ist näher am Finale von Kiew nach dem Sieg in München. Die Weißen nutzten ihre Chancen gegen ein Bayern, das viel mehr verdient hätte. Mit sehr wenig holt sich Real einen Erfolg, der Gold wert ist. Bayern musste mit den Verletzungen von Robben und Boateng schwer schlucken. Real wieder im Glück, so wie immer. Das ist für Real aber noch nicht durch, das werden jetzt nochmal 90 emotionsreiche Minuten in Madrid."

El Pais (Spanien)

"Real fliegt mit dem Autopiloten. Bayern hatte Real bis zum Schluss in den Seilen. Real ließ zu viel zu und bot außer der Tore kaum etwas, was einen Sieger ausmacht. Diesmal war nichtmal Ronaldo anwesend. So ist Fußball, nunmal unerklärlich."

Gazzetta dello Sport (Italien)

"FC Bayern macht sich Illusionen, doch Real verzeiht nicht. Die Spanier bestrafen die pechverfolgten Bayern beim kleinsten Fehler. Real hat Lehren aus aus dem Juve-Spiel gezogen, spielt mit größerer Aufmerksamkeit und weniger Überlegenheit. Ronaldo kann sich sogar ein Match als normaler Spieler erlauben und bleibt ohne Treffer, nachdem er in dieser Champions League in 11 Spielen in Folge getroffen hatte."

Corriere dello Sport (Italien)

"Wieder einmal droht Real Madrid, für den FC Bayern die Endstation sein. Im Heimstadion werden die Bayern durch die Hiebe von Marcelo und Asensio versenkt. Auf der Bayern-Bank wechseln sich die Coaches aus, doch nicht einmal Heynckes scheint den Sieg zu schaffen, von dem bereits Guardiola und Ancelotti geträumt hatten."

Tuttosport (Italien)

"Wenn Real siegt, auch wenn Cristiano Ronaldo nicht trifft, können die Spanier mit Recht vom Champions-League-Sieg träumen. Real versenkt FC Bayern vor dessen Fans und bezeugt einmal mehr, der klare Favorit dieses Turniers zu sein."

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Heynckes pickt sich Lewandowski heraus

Gegen Real präsentierte er sich mit vier gewonnenen Luftduellen zwar gewohnt wuchtig. Vor dem Tor aber versagten ihm zwei Mal in aussichtsreicher Position die Nerven. Kurz vor der Pause köpfte er den Ball Real-Torhüter Keylor Navas in die Arme (45.+1). Kurz vor Schluss hatte sich die Bayern-Bank bereits zum erwarteten Torjubel erhoben, doch Lewandowski lupfte die Kugel (nach)lässig über Navas hinweg - und am Tor vorbei (88.). "Tolisso hat wunderbar in die Tiefe gespielt, das ist normalerweise ein Tor", sagte Trainer Jupp Heynckes.

"Dass ein Club wie Real Madrid so viel zulässt, ist sehr selten", sagte Heynckes, "aber wir waren nicht so effizient, wie wir das gewohnt sind." Torschütze Joshua Kimmich sagte: "Die schießen zweimal aufs Tor und zweimal klingelt es. Das ist auch Qualität. Wir haben genug Chancen und machen sie nicht." Warum das so war? "Das ist schwer zu erklären", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic.

Lewandowskis Glanztaten sind lange her

Nun ja. Die Tage, an denen Lewandowski in ganz Europa Angst und Schrecken verbreitete, sind zumindest lange her. 2013 erzielte er im Halbfinal-Hinspiel unglaubliche vier Tore gegen Madrid – im Trikot von Borussia Dortmund. 2012 schoss er den FC Bayern im Pokal-Finale beim 5:2 mit drei Treffern fast im Alleingang ab.

Und im Bayern-Dress? Bei zwölf Einsätzen ab dem Viertelfinale in der Champions League, wenn die echten europäischen Schwergewichte warten, hat er es für die Münchner seit 2014 auf fünf Tore gebracht (Quote: 46,7). Für Polen hat der Rekordtorjäger in acht EM-Spielen zwei Mal getroffen.

An die Müller-Quote kommt er nicht heran

Dass Real für einen bald 30-Jährigen mit einer solchen Bilanz auf Top-Niveau eine Mond-Summe bezahlen wird, scheint trotz anders lautender Gerüchte fraglich. Karl-Heinz Rummenigge wiederholte zuletzt ohnehin Mantra-artig, dass Lewandowski nicht zum Verkauf stehe.

"Er gehört in die Kategorie Gerd Müller", sagte der Bayern-Boss mal über "Lewy". Zum Vergleich: Der "Bomber" traf im Landesmeistercup bei 18 Einsätzen ab dem Viertelfinale 12-mal (Quote: 66,7).