Hamburg. Hamburgerin Christina Rann spricht über die Arbeit in der Männerdomäne Fußball und die Konkurrenz unter TV-Moderatorinnen.
Sie gucke anderen Menschen gern in die Augen, sagt Christina Rann (35). Beim Portugiesen im namensgleichen Hamburger Viertel, erobert die Sportmoderatorin mit dieser Haltung das Herz des Kellners im Sturm. Dass die Halbportugiesin aus Hamburg ihre Bestellung selbstverständlich in der Landessprache abliefert, macht den Aufenthalt perfekt. „Senhora“ wird während der restlichen Anwesenheit im Lokal auf Händen getragen, und das gemeinsame Foto am Ende ist der Zuckerguss auf diese Begegnung.
Frau Rann, was antworten Sie bei Fragen zu Ihrem Nachnamen?
Christina Rann: Ich arbeite bei Sky, weil ich ein ,n‘ zu viel im Namen habe ...
Für die Nicht-Insider: ,Ran‘ hieß einmal eine berühmte Fußballsendung. Und was sagen Sie zum Thema Frauen und Fußball?
Rann: Das gehört für mich in die Abteilung Klischee und Vorurteil.
Weil Sie ihren Beruf als Sportreporterin wie erleben?
Rann: In meiner Welt, so wie ich sie wahrnehme, war ich von Beginn an anerkannt. Bei den Kollegen, aber auch bei den Sportlern selbst. Misstrauen wegen vermeintlich fehlender Kompetenz konnte ich schnell ausräumen, wenn ich es gespürt habe. Und bis auf wenige Ausnahmen blieb ich bis jetzt auch von Machosprüchen und Schlimmerem verschont.
Kaum vorstellbar. Die ,MeToo‘-Bewegung lässt Männer gerade in einem sehr ungünstigen Licht erscheinen. Und Sie arbeiten in der Männerdomäne schlechthin.
Rann: Ja, ich weiß. Aber ich kann nichts anderes sagen, als dass ich in meinem Leben keine schlechten Erfahrungen mit Männern und Kollegen gemacht habe.
Aber angeflirtet werden Sie schon?
Rann: Ich bin eine Frau, doch ich muss das nicht ausspielen, wenn es das ist, was Sie meinen. Außerdem verfüge ich über eine gewisse Schlagfertigkeit. Das ist für die Distanz ganz nützlich.
Frauen haben den Fußball als Moderatorinnen in den vergangenen Jahren erfolgreich erobert. Wie ist das Verhältnis untereinander? Machtkämpfe à la Alphamännchen oder cleveres Netzwerk?
Rann: Auch dabei ist meine Wahrnehmung, dass wir Frauen uns eher gegenseitig unterstützen, statt uns mit Neid und Missgunst den Berufsalltag schwer zu machen. Vor allem in meiner Anfangszeit mit der Videokamera in der Hand habe ich uns Frauen, die wir die Sendungen vor und hinter der Kamera produziert haben, als eine Art Familie gesehen. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Und wenn Sie mich fragen, ob ich ein Vorbild habe, ja, auch das: Monica Lierhaus. Sie hat für mich Kompetenz und Lässigkeit in Perfektion dargestellt.
Das hört sich nach einem perfekten Arbeitsklima an. Bei Ihrem Sender Sky stehen beispielsweise Jessica Kastrop und Esther Sedlaczek besonders im Rampenlicht. Ist das keine Hierarchie?
Rann: Natürlich sind Jessica und Esther gesetzt. Sie sind aber auch länger dabei.
Sind deren Positionen Karriereziele für Sie? Noch ist die Zweite Liga am Freitagabend Ihr Haupttätigkeitsfeld.
Rann: Erst war ich Fieldreporterin in der Zweiten Liga, dann kamen Einsätze in der Bundesliga und Champions League hinzu und das Moderieren beim Handball. Jetzt moderiere ich dazu fest am Freitagabend. So kann es weitergehen.
Wann wussten Sie, dass Fernsehen Ihr Medium ist?
Rann: Ganz früh. Schon mit sieben Jahren habe ich zu meiner Mutter gesagt, ich will mal Nachrichtensprecherin werden wie Dagmar Berghoff. Darüber lachen wir beide heute noch.
Und der Sport? Wann kam der ins Spiel?
Rann: Weil ich ja Nachrichtensprecherin werden wollte, habe ich mir eine eigene Sendung auf dem Kassettenrekorder aufgenommen. Es begann mit dem Golfkrieg, der damals die Schlagzeilen beherrschte, und als Sportthema habe ich mir einen Boxkampf ausgedacht und kommentiert.
Sie mögen die Bühne?
Rann: Unbedingt. Ich liebe Livesendungen, das Gefühl, etwas abrufen zu können, das gefragt ist.
Ist auch Theaterspielen Ihr Ding?
Rann: Eher der Gesang. Das wäre fast eine berufliche Alternative gewesen. Bis ich zu Sky ging, habe ich in einer Band gesungen, die sich zu meiner Zeit bei „Spiegel TV“ gegründet hat.
Also Frontsängerin und Frontfrau.
Rann: Ja ...
Was ist mit der eigenen Sportkarriere?
Rann: Ich habe nicht irgendwo im Verein mit einer Sportart angefangen, sondern habe mich als Schülerin selbst beim Integrationssport angemeldet. Ich fand es gut, dass dort körperlich und geistig Behinderte Spaß am Sport hatten. Wir haben geturnt, ein bisschen Akrobatik gemacht – bis hin zu kleinen Aufführungen. Erst später habe ich mit dem Handballspielen angefangen.
Das Medium Fußball haben Sie ebenfalls bei und mit Behinderten gelernt. Sie haben zehn Jahre lang im Stadion des HSV die Spiele für Blinde und Sehbehinderte kommentiert.
Rann: Eine großartige Arbeit. Anfangs gehörte es zum Studium dazu. Ich habe weitergemacht, weil es Spaß gemacht hat und ich total viel gelernt habe. Man muss tief eintauchen in die Materie, wenn man erklären will, was die Zuhörer nicht nur nicht sehen können, sondern möglicherweise noch nie gesehen haben. Dieses Erklären in Bildern fasziniert mich.
Ihr zweites berufliches Standbein ist die Handball-Berichterstattung. Sie kommentieren mit dem früheren Nationalspieler Stefan Kretzchmar die Bundesliga. Wie geht es dort im Vergleich zum Fußball zu? Sind Handballspieler zugänglicher?
Rann: Im Handball ist es familiärer, viele Spieler kennen sich privat gut untereinander. Dadurch sind die Gespräche schneller ein bisschen persönlicher. Nach Absprache können wir auch in der Kabine filmen.
Sind denn ehrliche Interviews mit Fußball-Profis überhaupt noch möglich?
Rann: Ich glaube schon. Jedenfalls ist das mein Ansatz. Die Spieler des SV Darmstadt haben sich nach der Entlassung von Trainer Frings hingestellt und öffentlich gesagt: Wir haben es nicht hinbekommen. So etwas tut dem Sport gut.
Derzeit ist das Image des Fußballs nicht das Beste. Zu hohe Gehälter, die Spielübertragungen werden auf immer mehr Sender und Medien verteilt. Muss man sich Sorgen machen um das Produkt Fußball?
Rann: Laut Kicker liegen die Zuschauerzahlen auf Rekordkurs. Und der Videoassistent ist noch neu. Allerdings muss man aus den bisherigen Erfahrungen lernen und seinen Einsatz sicherlich optimieren.
Gehen diese Entwicklungen an den Fans also spurlos vorbei?
Rann: Das Verhältnis zum Club und den Spielern verändert sich gerade. Katja Kraus ...
... die ehemalige Fußballspielerin, die beim HSV während der Amtszeit von Bernd Hoffmann auch Vorstandsmitglied war ...
Rann: ... hat dazu etwas Spannendes gesagt. Der Verein als Marke verliert, stattdessen gewinnen die einzelnen Spieler als Persönlichkeitsmarke. Wenn sich die Fans mit ihren Lieblingsspielern identifizieren, gehen sie ins Stadion. An dieser Stelle kommen wir Moderatoren und Reporter ins Spiel. Ich möchte alle Menschen auf den gleichen Stand der Dinge bringen. Wenn es mir gelingt, dass sich der Zuschauer als Insider fühlt, dann habe ich meine Arbeit gut gemacht.
Als TV-Gesicht stehen Sie Woche für Woche in der Öffentlichkeit. Ist es das, was Sie sich als kleines Mädchen gewünscht haben?
Rann: Ich fühle mich angekommen. Ich mache beruflich tatsächlich das, was ich mir gewünscht habe, was mir komplett entspricht. Von mir aus kann das noch lange so weitergehen.