Wolfsburg/Hamburg. Der Schweizer Trainer ist in Wolfsburg angekommen. Seit der Dieselkrise gibt sich der Club bodenständig.
Dieser Pass! Da geriet sogar Mats Hummels ins Schwärmen. „Genial gespielt“, twitterte der Weltmeister, nachdem er die gechippte Vorlage von Yunus Malli in den Lauf von Daniel Didavi vor dem zweiten Tor beim 3:0-Erfolg über Borussia Mönchengladbach im Fernsehen gesehen hatte. Ein Kabinettstückchen, eine technische Meisterleistung. Braucht man ein Symbol dafür, dass es wieder läuft beim VfL Wolfsburg, hier ist es: dieser Pass!
„Im Training macht er das ständig und bringt seine Mitspieler damit zur Weißglut“, erzählt Martin Schmidt. Der Trainer beim VfL. Der Mann, der so gar nicht nach Wolfsburg zu passen scheint und dennoch dabei ist, in dem im Sommer runderneuerten Kader passend zu machen, was sein Vorgänger Andries Jonker eben nicht passend gemacht hat. Martin Schmidt also, 50 Jahre alter Schweizer, Bart, lange Haare, Typ „Typ“. Der führt nun Wolfsburg aus dem Tabellenkeller.
Wichtiger Schritt
„Der Sieg gegen Mönchengladbach war sehr wichtig für uns, ein nächster Schritt, um uns ins gesicherte Mittelfeld zu bewegen“, sagte Schmidt. Der nächste soll nun am Sonnabend (15.30 Uhr) in Hamburg folgen, bei einem direkten Verfolger. 17 Punkte haben die Niedersachsen, 14 der HSV. Auswärts konnte der VfL aber auch nur einmal gewinnen. „Wir sind noch nicht zu 100 Prozent gefestigt, es wartet noch viel Arbeit auf uns“, sagt Schmidt.
Mit der VfL-Mannschaft, die am 34. Spieltag im Volksparkstadion 1:2 verlor und dadurch noch in die Relegation abrutschte, hat das aktuelle Team nicht mehr viel zu tun. Nach dem gerade geschafften Klassenerhalt gab es ein Total-Tuning für das Team. Rund 62 Millionen Euro gab Clubeigentümer VW für neue Spieler aus. Ließ den alten Trainer Jonker aber im Amt. Ein Fehler. Der unnahbare Niederländer schaffte es nicht, die Spieler zu erreichen, die Verunsicherung abzubauen.
Stagnation war ein Problem
Nach vier Spieltagen und vier Punkten war er weg. „Ausschlaggebend war die Stagnation in der Entwicklung unserer erst im Sommer in weiten Teilen neu formierten Mannschaft“, sagte Clubchef Wolfgang Hotze. Eigentlich wollte der VfL Schmidt schon im Winter verpflichten, der Schweizer sagte aber noch ab. „Aus Respekt vor Mainz“, dem damaligen Kontrahenten im Abstiegskampf, bei dem er insgesamt sieben Jahre gearbeitet hatte. „Im Sommer“, sagte er, „war ich aber wieder reif, saß schon auf gepackten Koffern.“
Dass der Mann aus dem Wallis in seiner Jugend eine Lehre als Automechaniker absolviert hat, ein eigenes Werkstattunternehmen führte und als Hilfskraft bei der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft gearbeitet hat, das passt natürlich wunderbar in die Wolfsburger Welt. Überhaupt ist dort seit der Dieselkrise mehr Bodenständigkeit angesagt. Die jährliche Unterstützung durch den Konzern wurde um etwa 20 Millionen Euro auf etwa 90 Millionen heruntergefahren. „Arbeit, Fußball, Leidenschaft“ verkündet der Club auf seiner Website als seine Maxime. Die Neureichen-Attitüde der Fußball-Business-Manager mit dickem Geldkoffer soll abgebaut werden, auch wenn es zu einem Malocher-Image noch ein weiter Weg ist.
Klarer Plan
„Martin Schmidt hat einen klaren Plan, er steht für taktische Variabilität Disziplin, für eine klare Hierarchie“, sagte Sportdirektor Olaf Rebbe. Nach sieben (!) Kreuzbandrissen beendete Schmidt seine Spielerkarriere und wurde 2003 Trainer. Mit der U-21-Mannschaft des FC Thun gewann er 2009 ein Turnier in Stuttgart und schlug dabei Mainz mit einem gewissen Thomas Tuchel. Ein Jahr später übernahm er die Mainzer U 23 und führte sie in die 3. Liga. Der Rest ist Geschichte.
Als Kind verbrachte er die Sommer in der Almhütte des Großvaters. Er half im Stall und hütete Schafe. Da lernt man Geduld und hat Zeit, sich Gedanken zu machen. Schmidt hatte früh einen weiten Horizont. Das führt heute auch dazu, dass er seinen Spielern nach jedem Training Zähneputzen verordnet. „Wenn du dich auspowerst, gibt es eine Säurereaktion“, sagte er dem „Kicker“: „Die Säure geht ins Blut, das kann die Regeneration beeinflussen.“ Dem soll mit einer guten Mundhygiene vorgebeugt werden.
Gläubiger Katholik
Der gläubige Katholik lässt Nähe zu, er hört sich die Meinung von Mario Gomez und Co. an. „Es macht wieder Spaß“, sagen die Profis, Fehler sind erlaubt, Blockaden gelöst. Das merkt man besonders bei einem ihrer Leistungsträger: Yunus Malli. Den hatte Schmidt schon in Mainz zu einem überdurchschnittlichen Spieler entwickelt, für den der VfL im Winter 2016/17 trotz auslaufenden Vertrags zwölf Millionen Euro überwies.
Nur – in Wolfsburg lieferte der 25 Jahre alte Deutschtürke nicht so recht. Bis auch sein alter Trainer dort anheuerte. „Er gibt mir das nötige Vertrauen für mein Spiel, das ich brauche. Wir verstehen uns gut“, sagt Malli. „Ich fühle mich gut und bin froh, dass die Formkurve nach oben zeigt.“ Alle sehen das so beim VfL, und am Wochenende sah es auch der Rest der Liga: dieser Pass!