Hamburg. An diesem Sonnabend will die Riege des Hamburger Judo-Teams in Leipzig den deutschen Meistertitel verteidigen.
Viele Stunden hat er mit Videoanalyse verbracht, seit seine Jungs Anfang Oktober das Ticket für die Endrunde gebucht hatten. Das Urteil aber, das Slavko Tekic nach dem 11:3-Viertelfinalsieg gegen JC Ettlingen gefällt hatte, hat auch kurz vor dem Halbfinale, das das Hamburger Judo-Team (HJT) an diesem Sonnabend (13 Uhr) in der Arena Leipzig mit Rekordmeister TSV Abensberg zusammenführt, noch Bestand. „Abensberg hat die besten deutschen Kämpfer der vergangenen Jahre, wir haben die besten deutschen Kämpfer der Zukunft“, sagt der Cheftrainer, der deshalb überzeugt davon ist, nach dem Finale am Sonnabendabend (18 Uhr), in dem Gastgeber JC Leipzig oder KSV Esslingen (bestreiten ihr Halbfinale um 15.30 Uhr) warten würden, die erfolgreiche Verteidigung des deutschen Meistertitels feiern zu können.
Was das bedeuten würde für die Mannschaft, die 2004 als Zusammenschluss von rund 70 Hamburger Judovereinen gegründet wurde, um die Vorherrschaft des Südens zu brechen, kann Thomas Schynol erklären. „Wenn wir den Titel erfolgreich verteidigen, dann würde das bedeuten, dass wir wirklich gut sind und der Triumph in eigener Halle keine Eintagsfliege war“, sagt der Teammanager. Der frühere Nationalkämpfer, im Hauptberuf Ausbildungsleiter in der Steuerverwaltung, ist überzeugt davon, dass das Potenzial der Mannschaft ausreichen kann, um Abensberg zu besiegen.
Kontinuität und Nachhaltigkeit
„Wir dürfen dann aber nicht den Fehler machen und denken, wir hätten den Titel schon in der Tasche. Wenn man nur zehn Prozent nachlässt, kann das schon das Ende bedeuten“, sagt er. Und Schynol weiß, wovon er spricht. Drei Jahre dauerte es nach der Gründung des HJT, das das Zweitligastartrecht des TH Eilbeck übernommen hatte, bis zum Bundesligaaufstieg, 2009 war man bereits Vizemeister. „Doch dann haben wir es nicht geschafft, das Niveau zu halten, und sind im Mittelfeld versunken.“
Das soll mit der aktuellen Generation nicht mehr passieren. Kontinuität und Nachhaltigkeit sind die Stichwörter, die das Handeln prägen. Um eine Mannschaft aufzustellen, mit der sich die Zuschauer – rund 500 kommen im Schnitt zu den Heimkämpfen in die Sporthalle Wandsbek – identifizieren können, haben die Hamburger darauf gesetzt, eine starke Fraktion deutscher Nationalkämpfer aufzubauen. Spitzenleute wie Igor Wandtke, Anthony Zingg (beide Klasse bis 73 Kilogramm), Dominic Ressel, Alexander Wieczerzak (beide 81 kg), David Tekic (90 kg), Dimitri Peters (100 kg) und André Breitbarth (+100 kg) prägen das Gesicht der Mannschaft, die punktuell von ausländischen Weltklassekämpfern wie dem Aserbaidschaner Nijat Shikhalizada (bis 66 kg) ergänzt wird.
Maximal vier Ausländer
Maximal vier Ausländer, so erlegt es eine freiwillige Selbstbeschränkung des Deutschen Judo-Bundes (DJB) den Bundesligavereinen auf, dürfen im Verlauf eines in zwei Teile à sieben Duelle aufgeteilten Kampfes auf die Matte. „Umso wichtiger ist es also, starke deutsche Kämpfer zu haben. Und die haben wir“, sagt Slavko Tekic, der seit 2000 leitender Landestrainer in Hamburg ist. Wichtig sei zudem, um die Identifikation mit der Stadt aufrechtzuerhalten, auch eine starke Hamburger Fraktion. Rund zwei Drittel der mehr als 50 gemeldeten Kämpfer stammen aus der Metropolregion. Aber auch die Spitzenkämpfer, die an ihren Stützpunkten trainieren und nur zu den Kämpfen anreisen, fühlen sich Hamburg mittlerweile verbunden.
Musterbeispiel dafür ist Alexander Wieczerzak. Der 26-Jährige, der als Stammverein den JC Wiesbaden angibt, in Köln trainiert und Ende August in Budapest als erster Deutscher seit Florian Wanner 2003 einen WM-Titel gewann, war 2016 nach Hamburg gewechselt. Weil er sich hier sehr wertgeschätzt fühlt, erwägt er einen Wechsel in den Hamburger Verband. „Wenn wir wieder Meister werden, wäre das die Krönung eines unglaublichen Jahres“, sagt er.
Titel brachte Ruhm – aber kein Geld
Thomas Schynol ist Realist genug, um zu wissen, dass auch eine erfolgreiche Titelverteidigung nicht den Schritt aus der Nische bedeuten würde. „Intern hat uns der Gewinn der Meisterschaft sehr viel gebracht“, sagt er. In der Außendarstellung habe sich wenig verändert. Der Etat im niedrigen fünfstelligen Bereich muss noch immer über Spenden sowie Zuschüsse durch die Stadt und den Hamburger Sportbund (HSB) finanziert werden. Neue Sponsoren gab es nicht.
24 Athleten hat er nominiert, die am Freitagabend in Kleinbussen nach Leipzig reisten. Die Rückfahrt ist für Sonntagmittag terminiert. Als Meister, versteht sich.