Hamburg. Das Zwischenzeugnis zum Hinrundenabschluss für die sieben Hamburger Teams in den Hockey-Bundesligen
An diesem Montag wird Jens George zu einem mehrwöchigen Wanderurlaub in den Iran fliegen. Der Cheftrainer der Hockeydamen des Clubs an der Alster ist ein Liebhaber exotischer Reiseziele, und mit Sicherheit werden ihm die faszinierende persische Landschaft und die Gastfreundschaft der Iraner sehr schnell helfen, den Kopf freizupusten nach einer Hinrunde in der Feldbundesliga, die perfekt hätte werden können – wenn es dieses Abschlusswochenende nicht gegeben hätte. Acht Spiele in Folge hatte Georges Auswahl gewonnen, doch dass sie nach zwei verdienten 1:2-Niederlagen in den Stadtderbys beim Harvestehuder THC und beim Uhlenhorster HC nicht als Tabellenführer in die Winterpause geht, sorgte am Sonntagmittag für einigen Verdruss.
„Natürlich trübt dieses Wochenende unsere Halbserienbilanz schon ziemlich“, gab der Coach unumwunden zu. Die Lehren jedoch, die daraus zu ziehen sein werden, könnten für das Erreichen des Saisonziels – ein Platz in der Final-Four-Endrunde – durchaus wichtige sein, glaubt George. „Wir haben in beiden Spielen gesehen, dass individuelle Klasse nicht ausreicht, wenn wir nicht als geschlossene Einheit auftreten“, sagte er mit Blick auf das divenhafte Verhalten von Führungspersonal wie Nationalspielerin Anne Schröder, die sich während der laufenden Partien mehrfach lautstark über ihre Mitspielerinnen beklagt hatte. Allerdings sei ihm ein Schuss vor den Bug „zu diesem Zeitpunkt lieber als zum Ende der Saison.“
Nun ist der Abschluss der Hinrunde ein guter Zeitpunkt, um eine Zwischenbilanz der sieben Hamburger Bundesligavertreter zu ziehen, und da bereitet vor allem der Blick auf die Damentabelle Freude. Sorgen muss man sich allenfalls um den Großflottbeker THGC, der voll im Abstiegskampf steckt. Alster, der punktgleiche Tabellendritte UHC und auch der HTHC können Anfang April von Final-Four-Rängen in die Rückrunde starten. Besonders überraschend ist das im Fall des HTHC, der sich unter Cheftrainer Tomek Laskowski vom Abstiegskandidaten zu einem Team entwickelt hat, das regelmäßig mit den Spitzenclubs mithalten kann. Dem 2:1 gegen Alster ließen die Schwarz-Gelben am Sonntag ein 3:0 gegen den Berliner HC folgen und unterstrichen damit, wie souverän sie mittlerweile ihre Heimspiele zu gestalten in der Lage sind.
Großen Anteil daran hat die Verpflichtung von Nationalspielerin Franzisca Hauke, die von RW Köln zurückgekehrt war und im Mittelfeld das Spiel lenkt. Aber auch die Defensive um Eckenspezialistin Laura Saenger und die gegen Alster überragende Annelotte Ziehm ist ein Prunkstück, auf das Laskowski sich verlassen kann. Über die Endrundenteilnahme will der Coach dennoch nicht spekulieren. „Wir bleiben demütig, auch wenn ich absolut zufrieden damit bin, wie sich die Mannschaft entwickelt hat“, sagte er.
UHC-Chefcoach Claas Henkel geht es ähnlich. Nach einem großen Umbruch im Team des Doublesiegers musste er den Herbst nutzen, um eine neue Einheit aufzubauen. Wie gut das gelungen ist, zeigte sich beim 5:0 gegen Berlin ebenso wie einen Tag später gegen Alster, das über die gesamten 60 Minuten kaum ins Spiel fand. Die ausländischen Neuzugänge Belen Iglesias Marcos und Nicola Evans sind mittlerweile gut integriert, die jungen Talente ziehen mit, Führungsspielerinnen wie Janne Müller-Wieland und Eileen Hoffmann lenken das Team, sodass auch in dieser Saison mit dem UHC, der seit 2009 in jedem Feld-Endspiel stand, gerechnet werden muss. „Wir sind voll im Soll, alles fühlt sich sehr rund an. Die Intensität, mit der die Mädels arbeiten, beeindruckt mich sehr“, lobte Henkel.
Etwas weniger Euphorie herrscht im Lager der Herren, wo der HTHC als aktuell bestes Hamburger Team am Wochenende durch ein 1:1 gegen Alster und ein 1:2 gegen den Berliner HC aus den Endrundenrängen rutschte. Dass die Mannschaft von Chefcoach Christoph Bechmann fünf Spiele in Folge nicht gewinnen konnte, ist an einem Namen festzumachen: Tobias Hauke. Seit der Abwehrchef und Taktgeber am 8. Oktober in Mannheim mit einer Knieblessur ausschied, gab es für seine Farben keinen Sieg mehr. „Er fehlt uns als absoluter Schlüsselspieler sehr, dennoch hätten wir mit etwas mehr Konsequenz auch ohne ihn Spiele gewinnen können“, sagte Bechmann. Klar ist: Wenn Hauke im Frühjahr 2018 zurück ist und Eckenspezialist Michael Körper sein aktuelles Tief überwunden hat, dürfte der HTHC die Endrunde erreichen.
Chancen darauf hat auch Alster, das sich unter dem neuen Chefcoach Fabian Rozwadowski nach schwachem Start gefunden und mit seinem jungen, interessanten Kader sehr gut entwickelt hat. „Unser Pfeil zeigt klar nach oben, wir haben aber noch viel Potenzial und eine Menge Ideen, die wir in der Rückrunde einbringen werden“, sagte der Trainer.
Auch der UHC darf nach dem 2:1-Sieg gegen den Berliner HC bei sechs Punkten Rückstand auf die auf Rang vier stehenden Hauptstädter hoffen. Ohne Führungsspieler Moritz Fürste, der am Sonnabend 33 Jahre alt wurde und seine Karriere im Sommer 2018 beenden wird, gab es aus fünf Spielen zwei Punkte. Mit Fürste sammelte die Auswahl von Cheftrainer Kais al Saadi in sechs Spielen immerhin elf Zähler ein. „Wir sind in Schlagdistanz nach oben. Es ist super, dass wir nach der sehr wechselhaften Hinrunde mit solch einem Erfolgserlebnis in die Pause gehen, weil es alle motiviert, im Winter voll weiterzuarbeiten“, sagte al Saadi.