Hamburg. Falah Abed Saad war in seiner Heimat Irak ein Star. Vor zwei Jahren floh er nach Deutschland – auch wegen seines Sohnes.
Am Freitag um 19.30 Uhr wird Falah Abed Saad seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: Fußballspiele pfeifen. Früher durfte er für seine Heimat Länderspiele leiten, morgen steht für ihn die Partie zwischen FC Elmshorn und SC Sternschanze in der Hammoniastaffel an. Ein beruflicher Absturz, könnte man meinen. Doch es ist alles andere als das.
Falah Abed Saad (45) war 2014 Schiedsrichter des Jahres in seiner Heimat Irak, ein echter Star. Seinen Namen skandierten die Zuschauer in Sprechchören, in jedem Stadion war er zu Hause. Er pfiff in der ersten irakischen Liga, leitete Länderspiele und war bei der Militärweltmeisterschaft in Indonesien dabei. Beim Treffen im Restaurant Paulaner’s Miraculum in der Nähe des Hauptbahnhofs greift er in seine Plastiktüte und fingert Stück für Stück Erinnerungen aus vergangenen Tagen hervor, Fotos und Zeitungsberichte aus seinem früheren Leben.
„Ich liebe Hamburg“
„Er sagt, er sei in seiner Heimat ein berühmter Mann“, übersetzt Ahmad Jassem (20), ein Flüchtling aus Syrien, der beim Gespräch als Dolmetscher fungiert. Abed Saad, der 2015 als Flüchtling über Griechenland nach Deutschland gekommen ist, versteht zwar relativ gut Deutsch, mit dem Sprechen hapert es noch.
Mit seiner Familie beantragte er damals in Vechta Asyl, wo sie zunächst von Freunden aufgenommen wurden, ehe ihnen Hamburg als Aufenthaltsort zugewiesen wurde. Mittlerweile ist die Familie von einem Flüchtlingscontainer in eine Wohnung in Horn umgezogen, und Abed Saad fühlt sich in seiner neuen Heimat sehr wohl: „Ich liebe Hamburg. Alle sind so freundlich hier“, sagt er. Wenn er nicht für den Fußball unterwegs ist, verbringt er viel Zeit im Stadtpark, seinem Lieblingsort, oder besucht Museen. In seiner Heimatstadt Bagdad war er in der Tourismusbranche tätig.
Saads Sohn hat einen Herzfehler
Spricht er über seine Flucht und die Gründe dafür, verfinstert sich der Blick. „Es fiel uns natürlich sehr schwer, alles zurückzulassen. Wir hatten Angst vor dem, was uns in der Fremde erwartet. Aber das Leben meines Sohnes steht über meinem“, sagt Abed Saad. Bei dem Siebenjährigen war ein Herzfehler festgestellt worden. Im Irak konnte ihm nicht geholfen werden. Dank zweier Operationen im Universitätskrankenhaus Eppendorf kann er nun auf ein normales Leben hoffen. Der letzte Eingriff wurde im Mai durchgeführt, mittlerweile besucht der Sohn die erste Klasse.
Zum privaten Glück kam für Abed Saad das sportliche Happy End hinzu: Er hat es geschafft, darf wieder als Schiedsrichter tätig sein. Zwar nicht mehr wie früher für die Fifa, sondern für den Verbandsschiedsrichter-Ausschuss Hamburg und beim VfL 93. Ein Traum ging damit in Erfüllung. An den er geglaubt hat. Deshalb hat er neben dem Wenigen, das er auf der Flucht mitnehmen konnte, auch ein Schiedsrichtertrikot eingepackt.
Trotz mehr Milde noch immer viele Karten
Allerdings musste sich der ehemalige Erstliga-Schiedsrichter in Hamburg erst wieder über Kinder- und Jugendspiele hocharbeiten, um zu beweisen, dass er trotz Sprachbarriere auch in Deutschland, Männerspiele leiten kann. Ein Ruf eilt ihm schon jetzt voraus: „Bei dem gibt es viele Karten“, sagt Condor-Trainer Christian Woike.
Dabei ist der Referee im Vergleich zu früher viel milder geworden: „In der Oberliga bin ich nicht mehr so streng. Im Irak hab ich mehr Karten verteilt. Dort haben sie mich manchmal deshalb den Killer genannt.“ Abed Saad lacht, wenn er Geschichten wie diese erzählt. Eine Erinnerung an unbeschwerte Normalität. Für die Amateurspiele hat er sich eine andere Strategie zugelegt. Karten verteilt er „mit einem Lächeln“. Auch um Konfrontationen zu vermeiden, bleibt er freundlich.
„Ich möchte viel zurückgeben“
Und die Sprachbarriere? Wer Spiele unter seiner Leitung beobachtet, erkennt sofort, wie Abed Saad deutliche Gesten einsetzt, damit ihn Akteure und Zuschauer gut verstehen. Das vermittelt den Eindruck von Autorität und Souveränität. „Es spricht für das Können eines Schiedsrichters, wenn er nicht nur mit Worten eine Partie leitet“, lobt Obmann Toni Steinmann. Er hat dem „Neuling“ alle wichtigen deutschen Fußballbegriffe wie beispielsweise „Schwalbe“ aufgeschrieben. Abed Saad will sich die Begriffe fest einprägen, denn sein Traum ist es, irgendwann noch einmal in höheren Ligen Spiele zu pfeifen, vielleicht sogar in der Regionalliga oder Dritten Liga aufzulaufen.
Auch abseits des Sports arbeitet der Familienvater an seiner Zukunft: „Ich habe demnächst eine neue Deutschprüfung“, sagt er. Ein wichtiger Baustein, um auch wieder Arbeit zu finden. Abed Saad strahlt Optimismus aus. In jedem Satz schwingt mit, wie froh er ist, in Deutschland angekommen zu sein: „Ich bin wirklich dankbar. Ich habe nicht viel, aber ich möchte viel zurückgeben für das, was man hier für uns getan hat.“ An das Verteilen von Gelben und Roten Karten denkt er dabei ausnahmsweise nicht.