New York. Die US-Amerikanerinnen Madison Keys und Sloane Stephens sehen sich als Nachfolgerinnen der beiden Williams-Schwestern
Als im Januar die Australian Open in Melbourne liefen, waren Madison Keys und Sloane Stephens zum Zuschauen gezwungen. Beide hatten Operationen hinter sich, beide dachten nicht einmal im Traum daran, sich sieben Monate später in einem Überraschungsfinale der US Open gegenüberzustehen. Der 22-jährigen Keys schoss dieser Gedanke direkt nach ihrer Halbfinal-Gala durch den Kopf – und sie musste lachen. Die zwei Jahre ältere Stephens erzählte, wie sie zu Beginn des Jahres mit eingegipstem Fuß auf dem Sofa festhing und sich das Tennis-Geschehen in Melbourne im Fernsehen anschaute.
„Hätte mir bei meinem Comeback jemand erzählt, dass ich jetzt hier im Finale stehen würde, wäre ich wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen“, sagte die kecke und stets selbstbewusst auftretende Stephens. An diesem Sonnabend (22 Uhr MESZ/Eurosport live) erleben nun beide ihre Grand-Slam-Final-Premiere. Eine der beiden befreundeten Spielerinnen wird sich als erste US-Amerikanerin nach Venus und Serena Williams in den bedeutendsten Siegerlisten verewigen. Eine neue Generation ist gerade dabei, ihre eigene Geschichte zu schreiben.
Bislang war die Frage berechtigt, wer auf die schwangere Serena (35) und Venus Williams (37) folgt. Die letzte US-Open-Gewinnerin aus dem Gastgeberland, die nicht mit Nachnamen Williams hieß, war Lindsay Davenport 1998. Sie trainiert jetzt die Weltranglisten-16. Keys. Nach dem dominanten Auftritt der US-Damen in New York kann Stephens die Zweifel am Status des amerikanischen Tennis nicht mehr hören. Schließlich war das Halbfinale in Händen eines US-Quartetts. Erstmals seit Wimbledon 1985 und zum ersten Mal seit 1981 bei den US Open machten vier Amerikanerinnen die Finalistinnen unter sich aus.
„Es gibt keine Fragezeichen mehr“, sagte Stephens, die noch vor einem guten Monat die Nummer 957 der Welt war und sich mindestens auf Platz 22 verbessern wird. „Wir haben keine Probleme. Im Gegenteil. Ich glaube nicht, dass jemand das in den nächsten zehn Jahren infrage stellen sollte.“ Keys gewann nach einem imposanten Halbfinalauftritt mit 6:1, 6:2 gegen CoCo Vandeweghe. Stephens hatte nach ihrem schwer erkämpften 6:1, 0:6, 7:5 gegen Venus Williams schon beim Gang in die Katakomben die ersten Gratulanten an ihrem Mobiltelefon.
„Wir treten jetzt in ihre Fußstapfen“, sagte die ungesetzte Stephens über Venus Williams. „Sie hat das Spiel so gut als afroamerikanische Frau vertreten.“ Die beiden Finalistinnen kennen sich seit der Jugend, spielen zusammen Fed Cup und gehen gern gemeinsam essen. Beide wohnen in Florida. Beide haben in diesem Jahr schwierige Phasen durchgemacht. Gegenseitig halfen sie sich durch die Verletzungszeit, haben neuen Spaß am Tennis gewonnen und momentan einen Lauf.
Keys kämpfte mit Handgelenksproblemen, Stephens kehrte nach einer Fußverletzung erst im Juli in Wimbledon nach elf Monaten Turnierpause zurück. Schon 2013 galt sie als potenzielle Nachfolgerin der Williams-Schwestern, als sie bei den Australian Open mit einem Sieg über Serena Williams bis ins Halbfinale vordrang. „Sloane ist ein neuer Mensch im Moment. Ich denke, sie liebt es wirklich, draußen auf dem Platz zu sein. Sie kann es wieder genießen“, sagte Keys.
Am Sonnabend wird ihre Freundschaft für maximal drei Sätze ruhen müssen. Schließlich kann sich nur eine den großen Ruhm mit dem ersten Grand-Slam-Titel sichern. „Ich habe mir definitiv nie ausgemalt, dass es so kommen würde. Aber ich kann mir keine bessere Person vorstellen, um diese neue Erfahrung zu teilen“, sagte Keys. „Es ist einfach eine großartige Möglichkeit.“
Das Endspiel der Herren zeigt Eurosport am Sonntag von 22 Uhr MESZ an. Kommentatoren sind Matthias Stach (54) und Boris Becker (49).