HAmburg. Der Vizemeister dominiert beim 2:0 in Hamburg – Werner wieder ausgepfiffen – van Drongelen verletzt
Eine gute Stunde vor dem Anpfiff der späteren 0:2-Niederlage des HSV gegen RB Leipzig wurde es am Freitagabend ein erstes Mal so richtig rummelig im Volksparkstadion. Der Grund waren allerdings weder die HSV-Fußballer noch ihre Gegner aus Sachsen, sondern viel mehr ein königlicher Besuch aus Swasiland samt Gefolgschaft von 60 Personen, die für mächtig Aufregung im VIP-Bereich der Arena sorgten. So war die meistdiskutierte Frage bis zum Anpfiff der Partie auch nicht, wer von Anfang an spielte sondern welche der insgesamt 15 (!) Ehefrauen von Swasilands König Mswati III es in den Volkspark zog.
Während Frage Nummer eins wenige Minuten vor dem Anpfiff von Stadionsprecher Lotto King Karl verlesen und beantwortet wurde (keine Überraschungen), ließ sich Frage Nummer zwei bis zum Ende des Abends nicht klären. Spätestens mit dem Anpfiff verschob sich das allgemeine Interesse allerdings ohnehin wieder aus dem Logenbereich auf den Rasen.
Und dort dauerte es auch nicht lang, ehe zumindest ein klein wenig Königsklasse aufblitzte. Fünf Tage vor dem Champions-League-Debüt gegen AS Monaco waren es aber vor allem die Leipziger, die der Gemahlin von König Mswati III etwas zu bieten hatten. So dauerte es gerade einmal sechs Minuten, ehe der rechte Außenpfosten für HSV-Torhüter Christian Mathenia retten musste. Noch einmal fünf Minuten später übernahm der frühere Leipziger Kyriakos Papadopoulos die Rolle des Pfostens und warf sich in letzter Sekunde in einen Schuss von Willi Orban. Und erneut nur fünf Minuten danach zündete der – auch in Hamburg ausgepfiffene – Timo Werner erstmals seinen Turbo. Nach 20 Spielminuten vermeldeten die Statistiker 70:30 Prozent Ballbesitz und 4:0 Torschüsse für Leipzig – das vorläufige Zwischenergebnis lautete aber weiterhin 0:0.
Nicht nur zur Überraschung der Königin und ihres Gefolges war es nun aber plötzlich der HSV, der sich anschickte, das erste Tor des Tages zu schießen. Zunächst scheiterte Bobby Wood (21.), dann versagten nach einem blitzsauberen Konter Filip Kostic die Nerven. Der Serbe vergab freistehend vor Leipzigs Keeper Gulacsi (24.) und musste kurz danach mit Oberschenkelproblemen für Luca Waldschmidt Platz machen.
Für den größten Aufreger der ersten Halbzeit sorgte dann Schiedsrichter Deniz Aytekin, der kurz vor dem Halbzeitpfiff nach einer Grätsche Albin Ekdals gegen Werner auf Elfmeter entschied. Eine Fehlentscheidung, die Aytekin umgehend nach einem Funkgespräch mit Videoassistent Jochen Drees in Köln revidierte.
Ein gellendes Pfeifkonzert für „Opfer“ Werner war die Folge. Doch die viel wichtigere Lehre dieses Freitags war eine andere: Der Videobeweis funktionierte diesmal sehr viel zuverlässiger als der erneut mehr als wackelige Eurosport Player (siehe Bericht unten).
Im Gegensatz zu den meisten Fans auf dem Sofa und in den Kneipen, die buchstäblich erneut in die Röhre schauten, durften sich der Hofstaat aus Swasiland, der ebenfalls anwesende Ernst Happel junior und die restlichen 50.231 Zuschauer im Stadion auch in der zweiten Halbzeit über eine interessante, aber extrem einseitige Partie freuen: RB machte weiterhin das Spiel, der HSV wartete auf Konter.
Es dauerte aber immerhin bis zur 67. Minute, ehe der HSV in der Blitztabelle nicht mehr Tabellenführer war. Diego Demmes schnell ausgeführter Freistoß und Naby Keitas vorzüglicher Schuss aus 25 Metern sorgten für Leipzigs 1:0-Führung – und für das Ende aller Hamburger Träume auf einen historischen Abend. Der theoretisch mögliche 500. Heimsieg der HSV-Geschichte wäre gleichzeitig der erste dreifache Dreier zum Start seit 43 Jahren gewesen.
Ganz praktisch ließ sich Leipzig bis eine Viertelstunde vor dem Ende Zeit, ehe der verdiente Auswärtssieg in nicht einmal 16 Sekunden besiegelt wurde. So lange dauerte es zwischen der Großchance des eingewechselten Sven Schipplocks auf der einen Seite und Timo Werners sensationellen Sprint samt Torabschluss auf der anderen Seite. Der Treffer zum 2:0 war Werners sage und schreibe sechster Treffer in den vergangenen zwei Wochen. Inwiefern sich ihre Hoheit aus Swasiland davon hat beeindrucken lassen, ist allerdings nicht bekannt.
HSV-Chef Heribert Bruchhagen zollte jedenfalls dem Gegner großen Respekt: „Leipzig hat überragend gespielt. Das ist eine tolle Mannschaft. Wir haben verdient verloren.“ Und dazu auch noch Rick van Drongelen, der wegen einer Adduktorenzerrung vorzeitig vom Platz musste und in den nächsten Spielen fehlen wird.