Hamburg. Kurz vor dem Saisonstart dreht sich in Hamburg alles um den streitbaren Investor Klaus-Michael Kühne. Mal wieder
Markus Gisdol hatte an seinem 48. Ehrentag einen bescheidenen Wunsch. Man möge seinen Geburtstag doch bitte schön in der turnusmäßigen Frage-und-Antwort-Runde berücksichtigen, sagte der HSV-Trainer, der an seinem persönlichen Feiertag nur ein wenig über Fußball reden wollte. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert – auch nicht nach 48 Jahren. Und so dauerte es handgestoppte viereinhalb Minuten, ehe auf der Pressekonferenz zum Saisonauftakt nicht mehr die Premierenpartie gegen den FC Augsburg (Sonnabend, 15.30 Uhr) im Vordergrund stand. Sondern das in Hamburg beliebte, immer gern zelebrierte Spielchen „Alles Kühne, oder was?“.
Klaus-Michael Kühne also. Unternehmer. HSV-Investor. Anteilseigner. Fan. Wenn er redet, hört Hamburg zu. Und Kühne hatte geredet. Mal wieder. Über den HSV, seine Erwartungen, den Trainer. „Das Spiel in Osnabrück war sehr enttäuschend, ich war konsterniert“, sagte Kühne beim Bezahlsender Sky, der am Sonnabend ein ausführliches Gespräch mit dem Wahlschweizer senden will und bis dahin täglich eine kleine Dosis Kühne serviert. „Der Trainer muss jetzt viel mehr an der Mannschaft arbeiten, muss sie viel mehr fordern, muss sie zum Team formen, muss Führungsspieler entwickeln“, ergänzte Kühne, der Appetithappen Nummer eins mit einer persönlichen Note garnierte: „Ich lebe momentan mal wieder von der Hoffnung.“
Diese hat auch Trainer Gisdol. Denn im Gegensatz zu manch einem Vorgänger hofft der Coach vor dem Saisonstart, dass ihm die Kühne-Kritik eben nicht auf die Füße fällt. „Ich fand die Aussagen überhaupt nicht schlimm“, machte der Schwabe gute Miene zum bösen Spiel. „Ich verstehe die Sorgen und die Wünsche von Herrn Kühne. Deswegen finde ich die Aufgeregtheit überhaupt nicht angebracht.“
Wirklich nicht? Natürlich kennt auch Gisdol die Kühne-Historie beim HSV. Vor nicht einmal einem Jahr war es Vorgänger Bruno Labbadia, der nur wenige Wochen nach einer öffentlichen Kühne-Kritik („Abwarten, ob Labbadia das Team in Form bringen kann“) die Koffer packen musste. Auch Labbadia-Vorgänger Josef Zinnbauer musste sich vor seiner Entlassung ein paar heftige Worte gefallen lassen: „Die Mannschaft ist nicht richtig eingespielt, sie lässt den Ball nicht laufen, es wird viel versemmelt, immer wieder“, hatte Kühne moniert, nachdem er auch schon Zinnbauer-Vorgänger Mirko Slomka am Schlafittchen hatte: „Als Privatmann und HSV-Fan kann ich nur sagen, dass ich an diesen Trainer nicht glaube.“ Und von Vor-Vorgänger Torsten Fink sei er „maßlos enttäuscht“, sagte Kühne einst dem Abendblatt. „Mir scheint es, als ob er die Mannschaft weder richtig führen noch motivieren kann.“
Im Fall von Gisdol überraschten die deutlichen Worte aber doch. So ist es gerade mal zweieinhalb Monate her, als Kühne im Abendblatt vom HSV-Trainer regelrecht schwärmte. Sportchef Jens Todt kenne er nicht, Vorstandschef Heribert Bruchhagen sei eine Übergangslösung. Aber von Gisdol sei er überzeugt: „Ich schätze seine sympathische, aber auch zielstrebige Art“, sagte Kühne damals im Elysée, wo er Gisdol gerade erst vor anderthalb Wochen auf einen Kaffee getroffen hatte. „Wir müssen und wollen Herrn Kühne ja einbinden“, erklärte Gisdol am Donnerstag. „Wir haben unregelmäßig regelmäßigen Kontakt.“
Es brauchte nur eine Pleite in Osnabrück, ehe der unregelmäßig regelmäßige Kontakt via Sky fortgesetzt wurde. „Wenn wir zusammensitzen, dann sind wir auch kritisch miteinander. Wir sind ehrlich und offen“, relativierte Gisdol.
Kritisch, ehrlich und ziemlich offen war es auch, was der 80 Jahre alte HSV-Anhänger im Sky-Appetithappen Nummer zwei über Hamburgs Entscheidungsträger zu sagen hatte. „Ich glaube, dass die HSV-Führung auf der falschen Chaussee unterwegs ist“, sagte Kühne im Hinblick auf die vorerst geplatzte Verlängerung mit Nicolai Müller. „Ich sage immer wieder meine Wünsche“, so der Milliardär beim Pay-TV-Sender. „Und zu diesen Wünschen gehört auch ganz besonders, dass der Vertrag von Nicolai Müller verlängert wird.“ Er habe sich vor einer Woche mit dem vom VfL Wolfsburg umworbenen Flügelflitzer unterhalten und dabei ganz Erstaunliches zur Kenntnis genommen: „Ich habe herausgefunden, er möchte sehr gern in Hamburg bleiben. Und ich habe herausgefunden, die Spanne, die dort zu überbrücken ist, ist nicht so groß“, sagte Kühne, der den HSV-Entscheidern nun vorwirft, „den Sack nicht zuzumachen“.
Es dauerte nur wenige Minuten, ehe HSV-Clubchef Heribert Bruchhagen bemüht war, zu beschwichtigen: „Herr Kühne ist ein extrem erfolgreicher Geschäftsmann, der den HSV liebt und den HSV unterstützt“, relativierte Bruchhagen, der beim avisierten Kauf von Augsburgs Linksverteidiger Konstantinos Stafylidis noch immer auf die finanzielle Hilfe Kühnes angewiesen ist. „Herr Kühne ist immer von der Sorge getragen, dass wir nicht schnell genug handeln. Ihm stellen sich allerdings nicht alle Dinge dar, die wir beachten müssen. Deswegen sind die Dinge manchmal ein wenig komplizierter.“
Ganz und gar nicht kompliziert ist die Annahme, dass bereits an diesem Freitag Sky-Appetithappen Nummer drei folgen dürfte. Ob Bruchhagen Bammel vor der nächsten Dosis Kühne habe? „Ich bin in einem Alter, in dem ich keinen Bammel mehr vor so etwas habe“, antwortete der 68 Jahre alte Clubboss. „Bammel habe ich nur davor, dass wir nicht gegen Augsburg gewinnen.“