Sinsheim. Bundesliga-Serie 1899 Hoffenheim verzichtet auf große Transfers und setzt auf Ex-DFB-Sportchef Hansi Flick
Für die Attraktivität des Einkaufsangebots in Bammental ist es ein harter Schlag. Ende August schließt nach 22 Jahren „Hansi Flick Sport und Freizeit“ - das mit Abstand bekannteste Geschäft des 6500-Einwohner-Dorfs in der Nähe von Heidelberg. Der neue Job des Inhabers bei der TSG 1899 Hoffenheim hat mit der Entscheidung zur Schließung des Familienbetriebs für Sportartikel allerdings nichts zu tun – die Flick-Töchter zeigten kein gesteigertes Interesse an einer Geschäftsübernahme.
Hansi Flick, 2014 als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw Weltmeister und danach für knapp anderthalb Jahre Sportdirektor beim DFB, kann sich damit voll und ganz seiner Aufgabe als Geschäftsführer Sport beim Champions-League-Qualifikanten widmen. Es sagt einiges über die neue Hoffenheimer Realität aus, dass der prominenteste Zugang trotz der besten Saison der Vereinsgeschichte auf der Tribüne sitzen wird. Mäzen Dietmar Hopp, der die Rückkehr des früheren Regionalliga-Trainers (2000 bis 2005) forcierte, hat die Ära der Millionen-Infusionen für beendet erklärt und wird nicht müde zu betonen, dass der Club sich wirtschaftlich selbst tragen muss.
Sportlich ist die Fallhöhe für die Hoffenheimer vor ihrem zehnten Bundesliga-Jahr gewaltig. Trainer-Wunderkind Julian Nagelsmann (30) führte die Kraichgauer mit taktischer Raffinesse und einem guten Auge auf dem Transfermarkt aus dem Abstiegssumpf direkt in die Königsklasse. Aber kann sich Hoffenheim dauerhaft in der Spitze etablieren, zumal der FC Bayern mit Abwehrchef Niklas Süle (20 Millionen Euro Ablöse) und Mittelfeldmotor Sebastian Rudy (ablösefrei) zwei Leistungsträger wegkaufte? „Ich werde keine Platzierung ausgeben. Wir wollen attraktiv und erfolgreich spielen – wie letztes Jahr“, sagte Nagelsmann: „Mein großes Ziel ist es, die Worte Doppelbelastung und Gefahr nicht zu hören. Das europäische Geschäft ist eine Belohnung.“
Ob die Champions-League-Hymne demnächst im beschaulichen Sinsheim gespielt wird, oder ob die Badener eine Etage darunter in der Europa League antreten werden, entscheidet sich in zwei Play-off-Partien Mitte August.
Die ungesetzten Hoffenheimer könnten es dabei mit Brocken wie dem FC Liverpool zu tun bekommen – was den Optimismus des starken Manns im Hintergrund erheblich schmälert. „Der Modus ist brutal“, sagte Hopp: „Man kann nicht davon ausgehen, dass wir es in die Gruppenphase schaffen.“
Nagelsmanns Aufgabe wird es unabhängig davon sein, die schmerzhaften Abgänge von Süle und Rudy aufzufangen, ohne selbst das große Rad auf dem Transfermarkt gedreht zu haben – trotz der verbesserten Einnahmesituation stieg Hoffenheim aus dem Poker um den Dortmunder Matthias Ginter aus, der dann für 17 Millionen Euro nach Mönchengladbach wechselte. Die Defensivkraft Harvard Nordtveidt (sieben Millionen Euro/West Ham), der erst 19 Jahre alte Innenverteidiger Justin Hoogma (zwei Millionen/Heracles Amelo) oder Bayern-Leihgabe Serge Gnabry ergänzen den Kader – ob das für das höchste Niveau reicht, bleibt abzuwarten. So oder so: Nagelsmann soll es wieder richten. Ob der längst mit Kalibern wie Bayern München in Verbindung gebrachte Coach längerfristig in Hoffenheim bleibt, da ist selbst Hopp skeptisch: „So einen außergewöhnlichen Trainer in einem relativ kleinen Club zu halten, ist ausgeschlossen. Da mache ich mir keine Illusionen.“
Prognose: Die Verluste von Niklas Süle und Sebastian Rudy wiegen schwer, für eine Wiederholung von Rang vier müsste wieder alles passen. Das Hoffenheimer Gerüst in Verbindung mit einem exzellenten Trainer erscheint aber immer noch so stabil, dass eine Platzierung im oberen Tabellendrittel realistisch ist.