Köln. Immer häufiger werden Profis von Familienmitgliedern vertreten. Der Verzicht auf professionelle Berater birgt jedoch Risiken.
Lionel Messi macht es, Arjen Robben ebenso, und auch Ilkay Gündogan. Die Liste von Fußballern, die sich von Verwandten beraten lassen und in Vertragsverhandlungen auf professionelle Vertreter verzichten, ist lang. Dies birgt jedoch auch Risiken, denn nur wenige Familienangehörige haben Ahnung vom millionenschweren Geschäft.
Einer, der das Business bestens kennt, ist Jörg Neblung. Seit 15 Jahren ist er als Spielerberater tätig. Der 49-Jährige, der vor allem durch die Betreuung des früheren Nationaltorwarts Robert Enke bekannt wurde, hält von dem Verwandtschafts-Modell nichts. "Familienmitgliedern fehlt da einfach die Vernetzung, die Marktkenntnis und die Erfahrung", sagte Neblung dem SID.
"Meist hoffnungslos überfordert"
Die Verlockung ist selbstverständlich groß: Gehälter, Prämien und Handgelder steigen im Fußball immer mehr, Berater streichen teilweise Provisionen im siebenstelligen Bereich ein. Die Summe, die sonst ein externer Berater bekommen würde, bleibt so in der Familie.
Dabei verlaufen Verhandlungen zwischen den Clubs und Verwandten von Fußballern oft zum Nachteil der Spieler. "In diesem Umfeld sind Berater ohne Erfahrung, und dazu gehören Familienangehörige in der Regel, meist hoffnungslos überfordert", sagte Gregor Reiter, Geschäftsführer der Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung (DFVV), dem SID: "Da, wo erfahrene Berater erfolgreich Änderungen im Interesse der Spieler durchsetzen können, akzeptieren Familienangehörige meist ohne zu hinterfragen, was ihnen vonseiten des Clubs vorgelegt wird."
Für Berater Neblung birgt die Vertretung durch Verwandte noch weitere Probleme. "Als Familienmitglied ist man nicht in der Lage, die ganze Situation objektiv zu betrachten", sagte er: "Wir sind weniger impulsiv und rennen nicht sofort dem Sportdirektor die Tür ein, um mit der Faust auf seinen Schreibtisch zu hauen."
Özils Vater dampfte wutschnaubend ab
Eine solche Situation hatte für die Karriere von Nationalspieler Mesut Özil eine einschneidende Bedeutung. Als der Weltmeister noch für Real Madrid spielte, sollte sein Vater Mustafa mit dem Präsidenten Florentino Perez einen neuen Vertrag aushandeln. In seiner Autobiografie "Die Magie des Spiels" schrieb Özil, dass sein Vater, unzufrieden mit dem finanziellen Angebot der Königlichen, "wutschnaubend das Büro verließ und die Tür zu Perez’ Geschäftszimmer hinter sich laut krachend ins Schloss warf".
"Er kannte es nicht, in dieser Form unter Verhandlungsdruck gesetzt zu werden", schrieb der heutige Arsenal-Profi weiter. Kurz nach den gescheiterten Gesprächen mit Real trennte sich Özil von seinem Vater als Berater und wechselte nach London – obwohl er gerne beim spanischen Rekordmeister geblieben wäre.
Özil ist nicht der einzige Nationalspieler, der bei seiner Karriere-Beratung auf die Familie vertraut. So wird Manchester-City-Profi Ilkay Gündogan von seinem Vater Irfan und seinem Onkel Ilhan vertreten. Auch WM-Held Mario Götze lässt sich nach der Trennung von Berater Volker Struth nur noch von seinem Vater Jürgen beraten. Leverkusens Youngster Julian Brandt und Bayern-Star Mats Hummels gehen den gleichen Weg.
Calhanoglu bezahlte mit einer Fifa-Sperre
Auch Hakan Calhanoglu, jüngst von Bayer Leverkusen zum AC Mailand gewechselt, machte schlechte Erfahrungen mit familiärer Beratung: Sein Vater Hüseyin hatte im Jahr 2011 im Namen seines minderjährigen Sohnes einen Vertrag beim türkischen Erstligisten Trabzonspor unterschrieben. Anschließend verlängerte Calhanoglu junior jedoch seinen Kontrakt beim Karlsruher SC. Wegen eines Verstoßes gegen die Transferrichtlinien wurde der türkische Nationalspieler im Februar vom Weltverband Fifa für vier Monate gesperrt, zudem musste er eine Strafe von 100.000 Euro bezahlen.
Trotz solcher Vorkommnisse verzichtet HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga ebenfalls auf den kritischen Blick eines professionellen Beraters. Der 25-Jährige legte seine Karriere in die Hände seiner Mutter Kerstin. Die Frau mit der platinblonden Kurzhaarfrisur gilt zwar als knallharte Verhandlungspartnerin - für Pierre-Michel ist aber ein anderes Argument viel wichtiger: "Wer auf Mutti hört, macht keine Fehler."