Düsseldorf/Lüttich. Der Sprintstar krönt das zweitägige Gastspiel des berühmtesten Rennens der Welt. Zwei Mitfavoriten verletzen sich schwer.
Marcel Kittel raste mit ausgebreiteten Armen über den Zielstrich, dann flossen beim deutschen Sprintstar die Tränen. Nach einer Jubelfahrt vor mehr als einer Million Fans in Deutschland hat der 29-Jährige mit seinem überlegenen Etappensieg in Lüttich für die Krönung am Ende des zweitägigen Radsport-Spektakels gesorgt. Es war das perfekte Happy End für die deutschen Stars, nachdem am Vortag Tony Martin noch zum Auftakt der 104. Tour de France in Düsseldorf am so sehr erhofften Gelben Trikot im 14 Kilometer langen Zeitfahren vorbeigeschlittert war.
Den deutschen Tagessieg holte Kittel schließlich am Sonntag in Belgien nach. „Ja, ja, ja“, schrie Kittel seine Freude heraus. Für den 29-Jährigen war es bereits der zehnte Tour-Etappenerfolg seiner Karriere und angesichts seiner Überlegenheit könnten weitere folgen. Das begeisternde Heimspiel im Rheinland hat dem Quick-Step-Profi offenbar einen zusätzlichen Kick gegeben. „Ich bin super stolz und happy, dass ich das erleben durfte. Es war der Hammer, wie viele Leute da waren. Meine Ohren tun weh von dem ganzen Krach“, schwärmte Kittel, der sich nach 203,5 Kilometern vor dem Franzosen Arnaud Demare und Landsmann André Greipel durchsetzte.
Auch sein Landsmann Martin konnte schon wieder etwas lachen. „Die letzten Tage haben mir sehr viel Spaß gebracht. Die Begeisterung und die Motivations-Sprechchöre waren wirklich toll, das werde ich mitnehmen“, sagte der viermalige Zeitfahr-Weltmeister, dem beim Auftakt acht Sekunden auf den Briten Geraint Thomas fehlten. Der Sky-Profi wird das Gelbe Trikot auch am Montag auf dem Weg nach Frankreich tragen.
Valverde und Zabel verletzt
Für einige namhafte Stars ist die Tour indes bereits beendet, bevor sie so richtig losgeht. Altmeister Alejandro Valverde erlitt bei seinem schlimmen Sturz am Sonnabend Brüche der Kniescheibe und des Sprunggelenks auf der linken Seite. Für den früheren Tour-Dritten ist das Jahr 2017 damit gelaufen. Auch dessen Landsmann Ion Izagirre, Kapitän des Teams Bahrain-Merida, musste nach einem Bruch des Lendenwirbels passen.
Ob Debütant Rick Zabel indes Paris erreichen wird, ist ebenfalls fraglich. Der Sohn des früheren Sprintstars Erik Zabel zog sich bei einem Sturz einen doppelten Bänderrisses in der Schulter zu. "Ich kämpfe mich weiter durch. Die Schulter hält, die Bänder scheinen nicht allzu wichtig zu sein", sagte Zabel nach der zweiten Etappe in Lüttich. Das Rennen hatte er zuvor bandagiert bestritten und war wie Tony Martin auch noch in den Massensturz etwa 30 Kilometer vor dem Ziel verwickelt. "Es heißt für mich durchkämpfen. Meine Tour der Leiden beginnt eben jetzt früher", sagte Zabel.
Sky-Profis dominieren Zeitfahren
Noch im Rennen dabei, aber mit einen empfindlichen Dämpfer begann für eine Reihe der Favoriten angesichts der Dominanz des Teams Sky die Tour. So knöpfte der dreimalige Champion Chris Froome aus Großbritannien als Sechster im Kampf gegen die Uhr seinen größten Rivalen mehr als eine halbe Minute ab. Der Australier Richie Porte (0:35 Minuten hinter Froome), der kolumbianische Giro-Zweite Nairo Quintana (0:36) oder der spanische Ex-Sieger Alberto Contador (0:42) hatten sich den Start sicher anders vorgestellt. Am Sonntag hatte Froome aber eine Schrecksekunde zu überstehen, als er in einen Massensturz gut 30 Kilometer vor dem Ziel verwickelt war, mit zerfetzter Hose aber weiterfuhr.
Vier Sky-Profis rasten beim 14 Kilometer langen Zeitfahren unter die besten acht und verblüfften nach einer bislang enttäuschend verlaufenen Saison die Konkurrenz ausgerechnet zum Tour-Auftakt. Anstelle von Thomas hatte eigentlich Martin das erste Gelbe Trikot überstreifen wollen. „Die Enttäuschung ist groß. Das war eine einmalige Chance, die nie wiederkommen wird“, haderte Martin und ergänzte: „Der Regen hat es unrhythmisch gemacht und mir ein wenig das Genick gebrochen.“
Regen durchkreuzt Martins Plan
Monatelang hatte der viermalige Zeitfahr-Weltmeister auf diesen Tag hingearbeitet und nichts dem Zufall überlassen. 14 Kilometer Vollgas bis zur Krönung seiner Karriere. Doch pünktlich mit dem Startschuss am Samstag setzte der rheinische Regen ein und wurde zum Ende hin immer schlimmer. „Das, worauf mich gefreut habe, den vielen Geradeaus-Stücken, hat sich mit dem Regen erledigt“, sagte Martin.
Nass wurde es auch am Sonntag, als das Peloton über Neuss, Mönchengladbach und Aachen in Richtung Belgien die letzten 144 Kilometer in Deutschland fuhr. Die deutschen Fans haben sich die Tour-Feier trotzdem nicht nehmen lassen, auch Ex-Sieger Jan Ullrich verfolgte in Korschenbroich das Rennen und wurde selbst von den Fans mit „Ulle, Ulle“-Sprechchören gefeiert. Teilweise in Zehnerreihen standen die Zuschauer in den großen Städten am Straßenrand. Für den deutschen Radsport ein großer Erfolg.