Hamburg. Mit der Eröffnung der Alexander-Otto-Akademie will der Club langfristig einen neuen Weg einschlagen. Doch ist er kurzfristig umsetzbar?
Auf der Dachterrasse kreuzten sich ihre Wege. HSV-Idol Uwe Seeler war gerade dabei, das neue Nachwuchsleistungszentrum zu besichtigen, als ihm Fiete Arp über den Weg lief. Es war ein symbolträchtiges Bild. Auf der einen Seite Seeler, 80 Jahre alt, Symbol für die große Vergangenheit des HSV. Auf der anderen Seite Arp, 17 Jahre jung und derzeit ein Symbol der Hoffnung für eine möglicherweise wieder große Zukunft des Clubs. Wenige Minuten zuvor wurde die Alexander-Otto-Akademie auf dem HSV-Campus im Volkspark offiziell eröffnet. Und der Namensgeber, der den Bau mit einer Spende von zehn Millionen Euro ermöglicht hatte, formulierte in seiner Rede seinen persönlichen Traum. „Vielleicht wächst hier eines Tages mal eine neuer Uwe Seeler heran“, sagte Unternehmer Otto.
Nach zwei Jahren Bauzeit ist das 4600 Quadratmeter große Gebäude fertig. „Die Erstellung des Campus ist nicht nur für den HSV, sondern für unsere gesamte Stadt von erheblicher Bedeutung“, sagte Andy Grote, Senator für Inneres und Sport, im Rahmen der Eröffnung vor 250 geladenen Gästen, darunter auch die ehemaligen Clubbosse Carl Jarchow und Bernd Hoffmann. Das HSV-Internat hat nach Jahren in Norderstedt im Volkspark einen neuen Standort gefunden – direkt neben dem Stadion. Am ersten Juliwochenende werden 16 Talente in die Akademie einziehen. Eines von ihnen ist Fiete Arp. Der deutsche U-17-Nationalspieler soll in der kommenden Saison noch stärker an die Bundesligamannschaft herangeführt werden. Zuletzt wurde darüber spekuliert, dass Arp, dessen Vertrag 2018 ausläuft, im Fokus von Topclubs wie Borussia Dortmund und dem FC Chelsea steht. HSV-Chef Heribert Bruchhagen erklärte dazu: „Fiete Arp wird bei uns bleiben. Das hat uns sein Berater Jürgen Milewski zugesagt.“
Die Personalie Arp sagt viel darüber aus, mit welchen Hoffnungen die Eröffnung der Alexander-Otto-Akademie beim HSV verbunden ist. Im ersten Stock des neuen Hauses hängt eine „Hall of Fame“ mit großen Namen, die der Club im Nachwuchs ausgebildet hat. Heung Min Son (Tottenham), Shkodran Mustafi (FC Arsenal), Jonathan Tah (Bayer Leverkusen) oder Maxim Choupo-Moting. Allesamt Nationalspieler, die der HSV nicht lange halten konnte.
In Zukunft soll sich das ändern. Und dabei soll der Campus ein Fixpunkt sein. „Das Nachwuchsleistungszentrum kann in Deutschland im oberen Drittel angesiedelt werden“, sagte Nachwuchschef Bernhard Peters, der das Projekt 2014 umgeplant hatte. „Ich musste ein wenig schlucken, habe dann aber gesagt: ganz oder gar nicht“, sagte Alexander Otto. Für den ursprünglichen Entwurf hatte der HSV 2012 eine Fananleihe aufgesetzt, die Gelder dann aber in den laufenden Betrieb gesteckt. Schließlich sprang der ECE-Unternehmer für die Finanzierung ein. Die Gesamtkosten für den Campus mit zwei Kunstrasenplätzen liegen bei rund 20 Millionen Euro.
Die Talente um Arp, Tobias Knost, Patric Pfeiffer, Marco Drawz oder Anssi Suhonen verteilen sich auf zwei Vierer-WG’s und acht Einzelzimmer. „Ich habe mir ein Einzelzimmer gewünscht. Ich will schließlich auch mal meine Ruhe haben“, sagte Arp dem Abendblatt und lachte. Der 17-Jährige macht im kommenden Sommer sein Abitur am Gymnasium Heidberg, eine der fünf Partnerschulen des HSV-Internats. Arp soll in seinem Umfeld ganz in Ruhe auf seine Karriere vorbereitet werden. „Es ist viel zu früh, so einen Jungen unter Druck zu setzen. Damit würde man ihm keinen Gefallen tun“, sagte Bruchhagen.
Dass der HSV gezwungen ist, in Zukunft verstärkt auf seine Talente zu setzen, verdeutlicht die weiterhin angespannte finanzielle Situation. Ohne die Hilfe von Investor Klaus-Michael Kühne ist der Club auf dem Transfermarkt nur bedingt handlungsfähig. Spieler wie Hee-Chan Hwang (21) von Red Bull Salzburg oder Admir Mehmedi (26) von Bayer Leverkusen, mit dem der HSV laut „Blick“ verhandelt, sind ohne Kühnes Hilfe nicht zu finanzieren. Allerdings hat Bruchhagen vom Aufsichtsrat auch den klaren Auftrag erhalten, Ausgaben und Lizenzspieleretat zu senken.
Auch Finanzvorstand Frank Wettstein ist nicht gewillt, in einem ähnlichen Maße zu investieren wie im vergangenen Sommer, als der HSV durch erfolgsabhängige Darlehensvereinbarungen mit Kühne rund 30 Millionen Euro in die Mannschaft investierte. Trainer Markus Gisdol erwartet dagegen klare Verstärkungen und neue Führungsspieler, um die Mannschaft zu stabilisieren. In diesem Spannungsumfeld muss Clubchef Bruchhagen einen Mittelweg finden.
„Die Kaderplanung ist kein Wunschkonzert“, sagte der 68-Jährige am Dienstag. „Der Trainer hat ein klares Konzept vorgelegt. Wir vertrauen ihm vollständig. Aber nicht alles ist möglich. Man muss das Machbare im Auge behalten“, so Bruchhagen, der in der Personalie Bobby Wood zumindest mal ein klares Machtwort sprach. „Bobby Wood hat noch einen Vertrag bei uns. Er wird im nächsten Jahr für uns spielen“, sagte Bruchhagen über den Stürmer, der den Club durch eine Ausstiegsklausel im Sommer verlassen könnte.
Klar machte Bruchhagen nur, dass Kühne in der Zukunft des HSV eine ebenso gewichtige Rolle spielt wie der Campus. „Herr Kühne hat sich in der Vergangenheit als großer Förderer des HSV erwiesen“, sagte Bruchhagen. „Es gibt keinen Grund, dass sich daran etwas ändert.“
Der HSV bestreitet am 19. Juli (19 Uhr) in Rendsburg ein Testspiel gegen Holstein Kiel.