Hamburg. Die HSV-Olympiasiegerinnen Laura Ludwig/Kira Walkenhorst über die Krise des Beachvolleyballs, neue Ziele und ihr Erfolgsmodell.

Perfektes Strandwetter im Beachcenter am Dulsberger Alten Teichweg: Sonne, Temperaturen um 25 Grad Celsius, Kinder planschen im Pool, rutschen ins Becken. Laura Ludwig (31) und Kira Walkenhorst (26) schlagen derweil zum Abschlusstraining auf dem äußeren Sandplatz auf. Am Donnerstag stehen die Beachvolleyball-Olympiasiegerinnen in Moskau auf der Welttour am Netz.

Es ist das dritte Turnier des HSV-Duos in diesem Jahr, ein weiterer Test für Ludwigs rechte Schulter. Fünf kleine, kaum sichtbare Narben am Oberarm sind geblieben von der Operation im Dezember an der Supraspinatussehne. „Alles ist sehr gut verlaufen“, sagt Ludwig, „aber noch ist meine alte Schlagkraft nicht zurück. Mir fehlen noch ein paar Muskeln.“ Eine Prognose, wann sie wieder völlig fit sein wird, wagt sie nicht: „Wir schauen von Tag zu Tag. Ich habe in den vergangenen Monaten gelernt, mich in Geduld zu üben, auch wenn es manchmal schwer fiel.“

Frau Ludwig, Frau Walkenhorst, frei nach Wilhelm Busch: Olympiasieger werden ist nicht schwer, Olympiasieger sein dagegen sehr. Stimmt das?

Kira Walkenhorst: Die erste Behauptung ist schon mal ganz falsch. Damit wir in Rio im vergangenen August Gold gewinnen konnten, haben wir vier Jahre lang hart gearbeitet, Rückschläge verkraften und auf einige Annehmlichkeiten des Lebens verzichten müssen. Richtig ist, dass jetzt alle Gegnerinnen besonders motiviert gegen uns sind, alles geben, um uns zu schlagen. Es wird nicht leichter, erfolgreich zu bleiben.

Laura Ludwig: Aber wir haben uns auch noch mal verbessert, sind selbstbewusster und stabiler geworden. Der Olympiasieg ist schon ein großes Pfund.

Haben Sie nach Rio keinen Motivationsabfall gespürt?

Ludwig: Wir haben nach unserem Sieg im September im Welttourfinale elf Wochen lang keinen Ball angefasst. Das war auch bitter nötig, um sich körperlich und mental zu erholen. Leistungssport ist extrem anstrengend, die stehst ständig unter Hochspannung. Das zehrt an dir. Hätten wir diese lange Pause nicht gehabt, säßen wir heute wahrscheinlich nicht hier.

Walkenhorst: Natürlich gab und gibt es immer wieder mal Tage, da fällt dir das Aufstehen schwer, da hast du keine Lust zum Training. Aber wir haben ja noch große Ziele. Im August wollen wir in Wien zum ersten Mal Weltmeister werden und 2020 in Tokio unseren Olympiasieg verteidigen. Wir sind immer noch hungrig.

Das ist aber sehr lange hin.

Ludwig: Es ist für die tägliche Arbeit wichtig, sich solche strategischen Ziele zu setzen. Das hat uns im vergangenen Olympiazyklus enorm geholfen, dass wir stets wussten, warum wir die ganze Fron auf uns nehmen.

Und: Hat sich die gelohnt?

Ludwig: Wie meinen Sie das?

Finanziell zum Beispiel.

Ludwig: Wir haben mehrere neue Partner dazu gewonnen und mit unseren alten bessere Verträge abgeschlossen. Wir sind gut im Geschäft. Das ist der eine Aspekt. Emotional waren der Olympiasieg und was danach geschah unvergessliche Erlebnisse.

Sie haben neue Freunde gefunden.

Walkenhorst: Nein. Wir sind aber in eine andere Welt eingetaucht, das war schon interessant. Aber das hat irgendwann auch gereicht. Jetzt konzentrieren wir uns wieder voll auf unseren Sport.

Ludwig: Die Sportlerwahl zur Mannschaft des Jahres oder die Bambi-Verleihung waren schon spezielle Ereignisse, die ich nicht missen möchte. Doch das ist nicht unbedingt meine Welt, irgendeine Schauspielerin anzuquatschen, mit ihr über ihren letzten Film zu reden und von einer bestimmten Szene zu schwärmen. Ich hoffe jedoch, dass wir mit unseren Auftritten dem Beachvolleyball in Deutschland zu mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verholfen haben.

Beides hat Ihr Sport nicht nur in Deutschland, sondern weltweit nötig. Turniere fallen in diesem Jahr aus, die Preisgelder sind stark rückläufig, Sky denkt an Ausstieg aus der deutschen Serie. Was läuft da schief?

Walkenhorst: Das wüssten wir auch gern. Der Weltverband FIVB beteiligt sich nicht mehr wie in den vergangenen Jahren zu rund 50 Prozent an den Preisgeldern, die Veranstalter müssen plötzlich die gesamte Summe allein aufbringen. Das fällt vielen schwer.

Was tun Sie dagegen?

Ludwig: Wir organisieren uns, wollen eine Art Spielergewerkschaft bilden. Im Moment suchen wir einen Anwalt, der unsere Interessen gegenüber der FIVB vertritt. Was wir vor allem vermissen ist Transparenz. Keiner redet mit uns. So darf es nicht weitergehen.

Ihr Management hat für den 10./11. Juni mit der Stadt Düsseldorf ein Einladungsturnier organisiert. Wie kam es dazu?

Ludwig: Diese Saison ist schwer zu planen, weil niemand weiß, welche Turniere am Ende stattfinden. Deshalb kam es zu dieser Initiative unseres Managers Andreas Scheuerpflug. Neben uns werden drei internationale Teams antreten, dazu zwei deutsche Nachwuchspaare. Das wird ein schönes Event.

In Hamburg hat der Deutsche Volleyballverband (DVV) in diesem Jahr acht Nationalteams an einem neuen Bundesstützpunkt zusammengezogen. Zwei der besten Frauenteams machen da nicht mit. Können Sie das verstehen?

Walkenhorst: Wir sind da außen vor, weil wir mit unserem eigenen Funktionsteam weiter arbeiten dürfen. Was wir mitbekommen, ist, dass Ende vergangenen Jahres alles sehr schnell gehen musste und die Kommunikation zwischen dem DVV und den Teams offenbar nicht optimal lief. Wer für die Probleme verantwortlich ist, können und wollen wir nicht bewerten.

Frau Ludwig, Ihr Lebenspartner Imornefe Bowes ist seit Februar Bundestrainer. Er kann nicht glücklich mit der Situation sein.

Ludwig: Dazu müssen Sie ihn schon selbst befragen. Für mich ist erst mal wichtig, dass ich glücklich mit ihm bin.

Halten Sie die Konzentration der Kräfte für den richtigen Weg zu mehr Leistung?

Walkenhorst: Davon profitieren die Nachwuchsteams am meisten, weil sie Bedingungen am Olympiastützpunkt in Hamburg vorfinden, die sie sonst nirgendwo hätten und sie auch nicht bezahlen könnten. Ob sich das auszahlt, wird sich zeigen. Das Projekt ist bis zu den Spielen 2020 in Tokio angelegt. Erst dann sollte man auch Bilanz ziehen.

Ludwig: Wir haben ja unseren eigenen Weg eingeschlagen. Der ist zwar nicht ganz preiswert, weil wir unsere Trainer, unsere Psychologin und unsere Physiotherapeuten zum größten Teil selbst bezahlen müssen, aber dank unserer Sponsoren schaffen wir das.

Könnte Ihr Funktionsteam eine Blaupause für die anstehende Leistungssportreform in Deutschland sein?

Ludwig: Wir haben uns optimale Bedingungen geschaffen. Mit diesem Umfeld aus Spezialisten unterschiedlicher Fachgebiete, das haben wir ja bewiesen, sind Spitzenleistungen möglich.

Walkenhorst: Wer glaubt, mit weniger Mitteln mehr Leistung, mehr olympische Medaillen erzielen zu können, irrt. Wer Erfolge will, muss bereit sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Ludwig: Und das haben wir uns was kosten lassen.