Hamburg. Außenseiter Pato Muente aus der Heide gewinnt auf Stute Zera vor 25.000 Zuschauern das 88. Deutsche Springderby in Klein Flottbek.
Drei Außenseiter im Stechen, Spannung bis zum letzten Sprung und ein Sieger, den selbst Kenner nicht auf der Rechnung hatten: Mit Pato Muente gewann ein gebürtiger Argentinier mit slowenischer Mutter, deutscher Ehefrau und Wohnsitz in Niedersachsen am Sonntag das 88. Deutsche Springderby. Der 43-Jährige mit drei Pässen dirigierte seine zehnjährige Holsteiner Stute Zera, die im Dorf Kollmar im Kreis Steinburg gezogen ist, couragiert und gekonnt zweimal fehlerfrei über den Parcours. Es war ein Coup mit Gänsehautfaktor.
Derbyherz, was willst du mehr!
Nach einem mitreißenden Finale feierten 25.000 Zuschauer im ausverkauften Derbypark die beiden Triumphatoren – und ein bisschen auch sich selbst. Nach der Entscheidung nach Hause gehen? Vielleicht anderswo, aber nicht in Klein Flottbek. Profis im Organisationsteam hatten in Windeseile die slowenische Flagge und die passenden Töne parat. Ein Novum in der Geschichte dieser Traditionsveranstaltung. „Ein Hoch euch jungen Männern“, heißt es in der Nationalhymne, „ihr uns’re Hoffnung, uns’re Lust.“ Das passte perfekt.
Auf den Plätzen zwei und drei schnitten zwei Reiter gleichfalls exzellent ab, die das Blaue Band in den Vorjahren bereits gewonnen haben. Gilbert Tillmann aus Grevenbroich im Sattel eines Schimmelwallachs mit dem skurrilen Namen Claus Dieter und Nisse Lüneburg aus Hetlingen im Kreis Pinneberg auf Cordillo unterliefen im Stechen jeweils ein Abwurf. Beide hatten den ersten Umlauf ebenso wie Kollege Muente ohne Fehl und Tadel passiert. Die Favoriten Billy Twomey aus Irland sowie Nigel Coupe aus England kamen in der Endplatzierung auf die Ränge vier und fünf.
Muentes stolze Mama
Als Sechste wurde Lokalmatadorin Janne Friederike Meyer-Zimmermann ebenfalls mit viel Beifall bedacht. Als Letzte unter 32 Teilnehmern kam sie auf ihrer Stute Cellagon Anna leicht über so tückische Hindernisse wie den Wall oder Pulvermanns Grab. Ausgerechnet am eigentlich weniger problematischen Buschoxer passierte dem Duo ein kleines Missgeschick. Der hoch gehandelte Bill Twomey, souveräner Sieger in der ersten Qualifikation am Himmelfahrtstag, patzte am Holzgatter inmitten der Ziegelmauer. Er hatte auf die zweite Qualifikation verzichtet und sich damit wohl verzockt.
„Meine Mama ist stolz“, sagte
Señor Muente nach der Siegeszeremonie und vier Ehrenrunden auf Englisch. „Rang drei im Stechen hätte mir gereicht“, fügte er hinzu, „letzten Endes hatte ich nichts zu verlieren.“ Als Erster in der finalen Entscheidung legte er mit null Fehlern die Zeit vor, sodass die beiden Konkurrenten nach ihm volles Risiko gehen mussten. Ehefrau Antje und die Kinder Paulina (3) und Luca (7) konnten ihr Glück kaum fassen, als ihr Pato plötzlich im Mittelpunkt stand und aus der Hand des Innensenators Andy Grote den Ehrenpreis der Hansestadt erhielt. Am Abend fuhr die Familie heim in das 58-Einwohner-Dorf Timmerloh bei Soltau. 30.000 Euro und dauerhafter Ruhm krönten dieses Meisterstück. Was für ein fantastischer Tag!
Gespür für besondere Momente
„Pato hatte Mumm“, sagte der zweifache Derbysieger Achaz von Buchwaldt mit Kennerblick, „es war jedoch alles andere als ein Glücksritt.“ Die Hamburger Springreitlegende, die den Sieger von Flottbek schon unterrichtet hatte, verwies auf die Klasse der robusten Holsteiner Stute und den „besonnenen, hervorragenden Stil“ des Reiters. Beiden war im Derby des Vorjahres nur ein Abwurf widerfahren. In den beiden Qualifikationen ergaben sich diesmal die Plätze 28 und 15. Zum besten Zeitpunkt folgte der Triumph.
Das Publikum war aus dem Häuschen und schuf erneut dieses einmalige, prickelnde Flottbeker Derbygefühl. Ins-gesamt kamen an fünf Tagen 93.500 Besucher in den Park, etwas mehr als im Rekordjahr 2016. Sie erlebten eine professionell organisierte Veranstaltung, die schwer zu toppen ist.
Als sich Sportsenator Andy Grote nach der Siegerehrung verabschiedete, war ihm die Anziehungskraft des Flottbeker Pferdefestivals bewusster denn je. Als Teenager hatte der Sozialdemokrat selbst im Sattel gesessen und ein Springturnier absolviert. Nach dem G20-Gipfel Anfang Juli sollen Details des geplanten Tribünenneubaus mit 6000 Plätzen festgezurrt werden. Im großen Ganzen besteht Einigkeit.
„Es liegt aber noch eine Menge Arbeit vor uns“, sagte Grote dem Abendblatt am Rande des Derbys, „wir wollen den Plan weiter vorantreiben.“ Ganz bewusst zähle das Deutsche Spring- und Dressurderby zu den beiden größten Einzelprojekten im Masterplan „Active City“ der Hansestadt.
Den Verlauf des Derbytages bezeichnete der Senator als „hochklassig“, die Atmosphäre auf der Anlage schlicht als „fantastisch“. Daher überrascht auch nicht sein positives Fazit: „Das Publikum hat ein Gespür für besondere Momente.“