Hamburg. Am Freitag startet der Club an der Alster in die Bundesliga-Saison. Warum es in Hamburg schwer ist, Top-Spielerinnen zu verpflichten.
Manchmal wird JCE, wie sie ihn vereinsintern nennen, trotz aller hanseatischen Zurückhaltung drastisch in seiner Wortwahl. „Bundesliga Damentennis interessiert hier in Hamburg traditionell kein Schwein“, sagt er. „Dabei bieten wir echt hochklassigen Sport. Trotzdem kommen maximal 200 Zuschauer bei den Punktspielen, mehr nicht. Wir haben in den vergangenen Jahren schon alles versucht.“
JCE, das ist Dr. Jan-Christian Engelke (56), im Berufsleben anerkannter HNO-Arzt, in seiner Freizeit engagierter Hobby-Tennisspieler und mit viel Herzblut Vorstand im feinen Club an der Alster, Schwerpunkt Leistungstennis.
Die Fans blieben aus
Freier Eintritt, Würstchenbuden, Livemusik und mehr – sie haben viel getan, um Zuschauer zu den Damenspielen an den Rothenbaum zu locken. Doch selbst als sie 2015 in die höchste Klasse aufgestiegen waren und ein Jahr später den umjubelten Verbleib in der Bundesliga geschafft hatten, blieben die erhofften Fans des weißen Sports aus. „Es ist so schade“, sagt Engelke.
An diesem Freitag geht die neue Saison los, und es wird sein wie in den vergangenen Jahren. Wen Trainer Sönke Capell (46) im ersten Heimspiel am Rothenbaum gegen den TC 1899 Blau-Weiss Berlin (ab 13 Uhr) aufstellen kann, weiß er frühestens Donnerstagnachmittag. Erst dann ist klar, welche Spielerinnen tatsächlich nach Hamburg gereist sind.
Die zumeist ausländischen Leistungsträgerinnen, Profis auf der WTA-Tour, orientieren sich an ihrem eigenen Turnierplan, und nur wenn es passt, sie also beispielsweise früh ausgeschieden sind, kommen sie ihrer Verpflichtung nach. „Das ist in jedem Jahr ein neues Puzzle, von dem man nie weiß, wann man welche Teile zur Verfügung hat“, sagt Vorstand Engelke.
Basis sind die Witthöft-Schwestern
Mit diesem Problem steht er nicht allein da. Bundesliga-Mannschaften sind Reiseteams. Die gut bezahlten Einsätze in der höchsten deutschen Liga sind eine Art Grundgehalt, das gern auch von den internationalen Spielern mitgenommen wird, um die Saison mit den teuren Reisekosten zu finanzieren. „Das hat sich in Deutschland über die Jahre so eingespielt“, sagt Trainer Sönke Capell. Aktuell sind 50 Profis aus den besten 150 der Welt in den Spitzenteams gemeldet.
Basis für das Damen-Bundesligateam des Clubs an der Alster und sozusagen die lokale Dimension der internationalen Auswahl sind in diesem Jahr erneut die Witthöft-Schwestern Carina (22) und Jennifer (24) aus Wentorf. Carina, die seit ihrem 13. Lebensjahr für den Hamburger Club spielt, ist inzwischen Profi, belegt Platz 78 der Weltrangliste und gehört zum Fedcup-Team, gewissermaßen der Nationalmannschaft. Ihre ältere Schwester Jennifer betreibt den Tennissport weniger professionell.
Sie studiert Modemanagement, ist eine begeisterte Fußballspielerin. Wie im vergangenen Jahr wurde die Mannschaft mit internationalen Größen verstärkt. Die Weltranglisten-18. Barbora Strycova aus Tschechien beispielsweise steht ebenso im Team wie vier weitere Spielerinnen aus den ersten 100 der Weltrangliste. Drei weitere sind unter den ersten 200 der Welt zu finden – ein sportlich attraktives Aufgebot, zumal mit der Hamburgerin Tamara Korpatsch (21), WTA-Newcomerin 2016, ein weiterer Identitätsfaktor mit Lokalkolorit verpflichtet werden konnte.
Zu viele Sportevents konkurrieren miteinander
Trainer Sönke Capells Aufgabe ist es nun, an den sechs Spieltagen eine Mannschaft zu coachen, deren Mitglieder nicht über die sonst übliche „Wir sind ein Team“-Vereinsideologie kommen. Für die meisten jungen Frauen ist der Bundesliga-Auftritt ein gut bezahlter Job, den sie möglichst professionell erledigen. 11 Ausländerinnen sind in diesem Jahr für den Club an der Alster gemeldet. „Die größte Aufgabe ist die Motivation“, sagt Capell.
Dass die Aufgabe Klassenerhalt auch in dieser zweiten Bundesligasaison schwierig sein wird, liegt vor allem am Etat. „Wir haben 150.000 Euro zur Verfügung“, sagt Engelke. „Das ist nichts im Vergleich zu dem, was andere ausgeben können.“ Der deutsche Meister Eckert Tennis Team Regensburg beispielsweise leistet sich in dieser Saison die Weltranglistenzweite Angelique Kerber sowie die Fedcup-Spielerinnen Julia Görges, Weltranglisten-47. und Annika Beck, derzeit auf Rang 65 positioniert. „Zwischen 10.000 und 20.000 Euro kostet die Verpflichtung einer dieser deutschen Topspielerinnen“, sagt Engelke. „Das sind Dimensionen, die wir nicht ermöglichen können.“
Der Grund für die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen ist simpel. Wie in anderen Großstädten gibt es auch in Hamburg zu viel Konkurrenz an sportlichen Events. „Ein Großsponsor wäre ein Traum“, sagt Engelke. „Aber realistisch betrachtet bestreiten wir unseren Etat weiterhin nur mit Bordmitteln und Spenden. Kleinere Städte wie Regensburg haben es leichter, großzügige Geldgeber zu finden.“
Da passt es, dass der Gegner als Aufsteiger aus der Hauptstadt ähnliche Probleme hat. „Wir sollten gewinnen“, sagt Capell. „Ob Carina dabei ist, wird sich zeigen.“ Die Lokalheldin ist in dieser Woche auf der ITF-Tour in Frankreich unterwegs. Immerhin hat der Trainer schon vier Zusagen von Spielerinnen. „Wir werden auf jeden Fall eine schlagkräftige Truppe zusammenhaben.“
Aber egal, was passiert, einer wird der Mannschaft die Zuneigung nicht entziehen: JCE ist Tennisfan alter Schule. „Diese Mannschaft ist das Privatvergnügen von Engelke“, sagt er selbstironisch. „Und dessen Einsatz stelle ich weiterhin kostenfrei zur Verfügung.“