London. Der Mega-Kampf zwischen Wladimir Klitschko und Anthony Joshua in Wembley ist Geschichte – und hat viele offene Fragen beantwortet.
Vor dem Duell der Schwergewichtsboxer Anthony Joshua und Wladimir Klitschko lag der Reiz besonders darin, dass viele offene Fragen beantwortet werden sollten. Nun ist der Kampf Geschichte, und tatsächlich hat er all das gehalten, was er versprochen hat. Es war ein sportlich hochklassiges und dramatisches Treffen zweier Olympiasieger, die einander gebraucht hatten, um das Beste aus sich herauszuholen.
Hätte man sich einen Nachfolger für den mit seiner bedächtigen Kampfführung nicht immer interessanten, aber dennoch über mehr als eine Dekade dominanten Ukrainer bauen müssen, er wäre so wie Joshua zusammengestellt worden. Ein Modellathlet mit enormer Schlagkraft und physischer Härte, zudem des geschliffenen Wortbeitrags ebenso mächtig wie auf dem Feld der Selbstvermarktung einsetzbar. Kurz: Ein Mann mit Sportsgeist und dem richtigen Maß an Showtalent und Verantwortungsbewusstsein für seinen Sport. Dass ein Kampf, der vor, während und nach seiner Durchführung ohne jegliche Verbalinjurien zwischen den beiden Protagonisten auskommen konnte, 90.000 Menschen in ein Stadion und viele Millionen vor die Fernsehschirme gezogen hat, ist ein wichtiges Zeichen für das Berufsboxen allgemein.
Klitschko hat sich erneut bewiesen
Was Wladimir Klitschko angeht, bleibt festzuhalten, dass er mit diesem Kampf mehr gewonnen als verloren hat. Seinen Kritikern hat er bewiesen, dass er aggressiv boxen, schwere Treffer überstehen und auch im Alter von 41 Jahren noch Höchstleistung bringen kann. Es war im 69. Profikampf zwar seine fünfte Niederlage, aber zum ersten Mal hat er nun gegen einen Boxer verloren, der nicht nur an einem Abend besser war als er selbst, sondern der wirklich eine größere Klasse hat. Gegen Anthony Joshua hat Klitschkos Bestleistung nicht gereicht. Das ist die Erkenntnis, die den Briten deshalb auch zum würdigen Nachfolger macht.
Bleibt die Frage nach der Zukunft. Natürlich könnte Klitschko den vertraglich zugesicherten Rückkampf einfordern. Ob er sich dafür in der Form würde motivieren können, wie es ihm diesmal gelungen ist, sei dahingestellt. Wahrscheinlicher ist, dass Joshua, der sehr viel gelernt hat in der Nacht von Wembley, eher noch stärker wird und das Ergebnis noch klarer ausfallen würde. Einen der anderen Weltmeister, Joseph Parker (Neuseeland/WBO) oder Deontay Wilder (USA/WBC), herauszufordern, das könnte Klitschko zwar tatsächlich noch einmal einen WM-Titel bringen. Doch sein Anspruch ist, der Beste der Welt zu sein. Dazu müsste er Joshua schlagen.
Die Erkenntnis, das nicht mehr schaffen zu können, ist dem Doktor der Sportwissenschaften durchaus zuzutrauen. Deshalb sollte er sich nun seinen vielen anderen Fähigkeiten zuwenden und in Würde abtreten, sodass die Fans ihn als den in Erinnerung behalten können, der er ist: Ein großer Champion, der für seinen Sport eine Menge geleistet – und am Ende verstanden hat, dass es einen gibt, der es verdient, seine Nachfolge anzutreten.