Paris/Köln. Nach der 4:0-Gala gegen Barca verneigt sich selbst die spanische Presse vor Julian Draxler. Für Lionel Messi hagelt es dagegen Kritik.
In der Gewissheit seiner wohl schmerzhaftesten Pleite keilte Luis Enrique aus. Mit starrem Blick fixierte der Trainer des FC Barcelona einen Reporter des katalanischen TV-Senders TV3 und ließ seinem Unmut freien Lauf: "Mir gefällt der Ton nicht. Ich würde mir wünschen, dass die Fragen im gleichen Ton wie nach Siegen gestellt werden", blaffte der 46-Jährige in Richtung des Journalisten, der ihn für die blamable Vorstellung seiner Mannschaft bei der deftigen 0:4 (0:2)-Schlappe bei Paris St. Germain deutlich kritisiert hatte.
Das Klima könnte noch frostiger werden, sollte die Katalanen im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals (8. März) kein Fußball-Wunder schaffen. Schon nach dem eklatanten Auftritt Barcas im Hinspiel laufen die spanischen Medien großflächig Sturm.
Vom größten "Debakel im 21. Jahrhundert" schrieb die Marca, "die größte Niederlage in der Ära Luis Enrique" nannte es El Mundo Deportivo. Beim deutschen Klassentreffen im Prinzenpark-Stadion stand Barca-Keeper Marc-André ter Stegen angesichts der Gegentorflut deutlich im Schatten von Keeper Kevin Trapp aufseiten von PSG.
Pressestimmen zur Barca-Pleite
Gerrard und Ferdinand kritisieren Messi
Erschreckend war der blutleere Auftritt von Barca-Superstar Lionel Messi. "Er zeigte null Einsatz. Keine Reaktion das ganze Spiel über", sagte Liverpool-Ikone Steven Gerrard beim englischen TV-Sender BT Sports. Auch sein ehemaliger Nationalmannschaftskollege Rio Ferdinand hielt sich mit Kritik nicht zurück: "Seine Reaktion war armselig. Er spielte die ganze Zeit über schlampig."
Tatsächlich ist die Lage ernst für die Katalanen. Die Pleite in Paris war für Barcelona die höchste Auswärts-Niederlage in der Königsklasse seit 1393 Tagen. Damals setzte es im Halbfinale bei Bayern München ebenfalls ein 0:4. Nun droht erstmals seit der Saison 2006/2007 das Achtelfinal-Aus. "Es ist extrem schwierig für uns jetzt, aber wir gehen nun zurück in unser Stadion, und dort brauchen wir eine wahrlich heroische Leistung. Aber warum nicht träumen?", sagte Luis Enrique auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Draxler mit wunderschönem Treffer
Anlass zur Hoffnung gab seine Mannschaft im Duell mit den Franzosen nahezu keine. Paris sezierte die Reihen des fünfmaligen Champions-League-Siegers nach Belieben und erzielte in Person von Weltmeister Julian Draxler (40.), des Argentiniers Angel Di Maria (18., 55.) und des Torjägers Edinson Cavani (71.) wunderschöne Treffer.
Bis zum Rückspiel kann sich Barcelona nun ganz auf die heimische Primera División konzentrieren. Dort liegt das Team mit 48 Punkten einen Zähler hinter dem Erzrivalen Real Madrid auf Rang zwei und hat seit Oktober nicht verloren, auch im Pokalfinale Ende Mai ist man vertreten.
Doch ohne die Erfolge auch europäischer Ebene wird die Luft - auch für den Coach - schnell dünn. Das zweite Duell mit Paris hat richtungweisenden Charakter für den Trainer, der 2015 mit dem Verein bereits die Champions League gewonnen hatte. "Diese Spieler haben all die Jahre gezeigt, dass sie großartige Resultate erzielen können. Unsere Chancen sind klein, aber es gibt sie", sagte Luis Enrique aufmunternd.
Dennoch hat PSG nun beste Aussichten, sich für die Viertelfinal-Pleiten gegen Messi & Co. von 2013 und 2015 zu revanchieren. Ein wichtiger Baustein ist der spanische Trainer Unai Emery, der seine Mannschaft bestens auf den FC Barcelona einstellte und in seinem 24. Spiel gegen die Katalanen den zweiten Sieg feiern durfte.
Stolz war Emery, vor den Qualitäten des wütenden Kontrahenten ist er aber gewarnt. „Es sind immer noch 90 Minuten zu spielen, und wir wissen, dass wir dort leiden werden“, mahnte der Pariser Coach, der im Tor Trapp den Vorzug vor Alphonse Areola gab. „4:0 ist ein super, super Ergebnis, wir sind aber gewarnt“, sagte Draxler. „Im Camp Nou sind schon andere Dinge passiert. Wir sind noch nicht durch.“
Draxler schwärmt von "unglaublicher Nacht"
Trotzdem genoss auch der Winter-Neuzugang auch die Hochgefühle nach der Hinspiel-Gala. "Das war wirklich eine unglaubliche Nacht für uns“, fasste Draxler bei "Sky" die Lehrstunde der Franzosen für den überforderten fünfmaligen Champions-League-Gewinner zusammen.
Für den 23-Jährigen war es das erste Spiel in der Königsklasse für PSG. Und wie schon bei seinem Pokal- und Liga-Debüt für die Franzosen konnte er sich in die Torschützenliste eintragen. Es war bereits sein fünfter Treffer im neunten Pflichtspiel für Paris. Zuvor war er in 14 Spielen für Wolfsburg ohne Torerfolg geblieben.
"Es war eine nahezu perfekte Nacht für uns“, ergänzte der offensive Mittelfeldspieler, der an Weihnachten für mindestens 42 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg an die Seine gewechselt war. "Es war ein perfekter Tag, es hätte nicht besser sein können“, meinte Doppeltorschütze Ángel Di María nach dem denkwürdigen Duell an seinem 29. Geburtstag.