Houston/Hamburg. Der deutsche NFL-Profi Sebastian Vollmer über die Faszination Super Bowl und das wachsende Interesse an Football in Deutschland
Es gibt auch in diesen Tagen noch etwas, das die so gespaltene USA vereinigt, die Nation zusammenführt vor den Fernsehgeräten: den Super Bowl. Mehr als 165 Millionen Amerikaner werden am Sonntag einschalten, wenn sich im 51. Finale der National Football League in Houston die Atlanta Falcons und die New England Patriots gegenüberstehen. In Deutschland wird die Partie ab 22.55 Uhr von Sat1 übertragen.
Sollten die favorisierten Patriots zum fünften Mal triumphieren, wird auch Sebastian Vollmer (32) einen Meisterring erhalten, seinen zweiten nach 2014. Der 32 Jahre alte Offensive Tackle ist der einzige Deutsche, der den wertvollsten Preis im US Football bisher gewinnen konnte. Seit 2009 steht der Rheinländer bei den Patriots unter Vertrag. Wegen einer Hüftverletzung konnte er in dieser Saison jedoch kein Spiel bestreiten, ist aber in Houston bei seinem Team dabei.
Herr Vollmer, wie geht es Ihnen? Können Sie Ihre Karriere fortsetzen?
Sebastian Vollmer: Mir geht es ganz gut. Ich arbeite weiter in der Reha. Weil ich die vergangene Saison komplett versäumt habe, stehe ich auch im nächsten Jahr unter Vertrag. Aber mal schauen, was im Frühjahr tatsächlich passiert. Eine Durchschnittskarriere in der NFL dauert zwei bis drei Jahre. Ich werde 33. Man darf sich da nichts vormachen.
Ihr Kampfgewicht ist 145 kg. Sie haben zahlreiche Verletzungen erlitten. Es muss Ihnen doch alles weh tun?
Es ist ein physischer Sport, ein Kontaktsport. Da bleiben Verletzungen und Verschleißerscheinungen nicht aus. Ich kann kaum zählen, wie viele Operationen ich hinter mir habe. Das gehört leider zu meiner Karriere dazu.
Wie muss man sich den Super Bowl vorstellen? Wie empfinden es die Spieler?
Es ist ein Riesenspektakel. Alles in Houston steht eine Woche praktisch auf dem Kopf. Es gibt zahlreiche Attraktionen. Die Medien berichten jede Minute. Für die Spieler ist es ebenfalls anders durch das große Medieninteresse. Erst ab Dienstag beginnt die eigentliche Vorbereitung auf das Spiel.
Können die Falcons Ihren Patriots am Sonntag gefährlich werden?
Die Falcons haben die beste Offensive, und die Patriots haben die beste Defensive. Ich glaube, dass beide Teams viele Punkte erzielen werden. Ich gehe davon aus, dass wir am Ende ein paar Punkte mehr haben werden, glaube aber, dass es knapp wird.
Ihr Superstar-Quarterback Tom Brady ist schon 39 und kann seinen fünften Titel holen. Was macht ihn so einzigartig?
Pures Talent einerseits. Aber er ordnet auch alles dem Sport unter. Wann er zu Bett geht bis hin zu seinen Essgewohnheiten. Er hat eine eigene Diät und ein Trainingsprogramm entwickelt. Er ist immer noch extrem ehrgeizig und so spielintelligent, dass er im Vorhinein schon weiß, was die gegnerischen Abwehrspieler vorhaben.
Wie ist ihr persönliches Verhältnis zu Brady, den sie als eine Art Leibwächter im Spiel schützen müssen?
Generell ist die Offensive ohnehin enger verbunden, auch wenn ich viele gute Freunde auf der Defensive-Seite habe. Mein Spind im Umkleideraum ist direkt gegenüber dem von Tom, man sieht sich jeden Tag, man spricht jeden Tag. Wenn man so lange zusammenspielt, dann entwickelt sich daraus schon eine gute Freundschaft.
Brady ist zuletzt in die Kritik geraten, weil er als Anhänger von Donald Trump gilt. Reden Sie über Politik?
Nein. Politik, Religion und solche Dinge werden im Team nicht diskutiert. Jeder hat seine eigenen Gedanken, das bleibt aber außen vor.
Tom Brady und andere Patriots-Stars treten in einer kleinen Videoreihe mit Ihnen auf und „lernen Deutsch“. Wie ist es dazu gekommen?
Natürlich ist das vor allem ein Spaß. Ich möchte gern dabei helfen, dass die deutschen Fans und auch die Leute, die noch nicht Football kennen, ein bisschen von unserem Sport angemacht werden. Es ist aber auch gut, dass die Fans einen anderen Menschen sehen. Tom wirkt nach außen sehr ernst, sehr ehrgeizig, sehr motiviert und verhalten. Hier sieht man ihn auch mal von seiner lustigen Seite. So, wie er im Privatleben ist.
Reagiert die NFL auf das steigende Interesse in Deutschland?
Die Liga ist sehr daran interessiert, den deutschen Markt weiter auszubauen. Deutschland ist der am schnellsten wachsende Markt im Football.
Die NFL veranstaltet inzwischen Spiele in London und anderswo auf der Welt. Wird es auch wieder NFL-Partien in Deutschland geben?
Ja, davon gehe ich stark aus. Ich denke, das ist nur noch eine Frage der Zeit. Das Medieninteresse ist inzwischen ebenfalls gewachsen. Die Übertragungen bei Pro7/Sat.1 finden großes Interesse. Ich hoffe, der Super Bowl schafft über zwei Millionen Zuschauer.
Sie sind als Deutscher in einem NFL-Team ein Exot. Merken Sie das in den USA?
Das spielt überhaupt keine Rolle. Ich bin ein Teil des Teams. Man trainiert gemeinsam auf das Ziel Super Bowl hin. Das schweißt zusammen. Da interessiert es keinen, woher du kommst oder wie du dorthin gekommen bist, solange man die Leistung bringt.
Außer Ihnen spielen noch ein anderer Deutscher in der NFL, der Hamburger Kasim Edebali in New Orleans. Halten Sie Kontakt untereinander?
Weil wir in unterschiedlichen Clubs spielen, ist das schwierig. Markus Kuhn war vor der Saison im Trainingslager bei den Patriots, mit dem treffe ich mich gern. Kasim habe ich getroffen, als wir in New Orleans trainiert haben. Man wünscht sich gegenseitig viel Glück und wir versuchen, uns gegenseitig zu helfen. Doch, es ist schon eine besondere Gemeinschaft.
Fühlen Sie sich mehr als Amerikaner oder als Deutscher?
Beides. Meine Frau ist Amerikanerin. Ich lebe seit zehn Jahren in den USA. Freunde und Familie hier bedeuten mir sehr viel. Ich habe auch noch einen großen Teil der Familie in Deutschland. Auch diese Menschen sind mir natürlich sehr wichtig. Wenn also die Idee einer Botschafterrolle der NFL für Deutschland klappen würde, wäre ich dabei. Ich könnte dann beide Kontinente und beide Länder miteinander verbinden.