Hamburg. Der Cheftrainer feiert am Sonnabend mit den Hamburg Giants sein Heimdebüt in der Box-Bundesliga.
Als er am 14. Dezember den Sportteil des Abendblatts aufschlug, da wusste Anatoli Hoppe, dass es vorbei sein würde mit seiner Ruhe. Cheftrainer des Bundesliga-Boxteams Hamburg Giants sollte er werden, stand dort zu lesen, nachdem sich der ursprünglich als leitender Coach vorgesehene André Walther mit den Teammanagern Christian und Raiko Morales überworfen hatte. Als ihn kurze Zeit später auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle als Produktionsleiter in einem Beleuchtungsunternehmen Raiko Morales anrief, um zu fragen, ob er sich bereit fühle für diese Aufgabe, da war der 37-Jährige immerhin vorbereitet – und konnte sofort zusagen.
„Eigentlich dachte ich, dass ich diese ganze Aufregung mit dem Ende meiner aktiven Karriere hinter mich gebracht hätte. Aber jetzt habe ich das Ganze wieder an der Backe“, sagt er. Ein verschmitztes Lächeln huscht dabei über sein Gesicht, denn im Grunde genommen ist Anatoli Hoppe natürlich stolz, dass sie ihn gefragt haben. 1998 startete der als 17-Jähriger aus seiner Heimat Kasachstan nach Hamburg gekommene Mittelgewichtler seine Bundesligakarriere bei Sparta Flensburg, das damals mit seinem Verein SV Polizei kooperierte. 2011 beendete er sie nach Stationen in Wismar und Babelsberg als Schwergewichtler.
Trainer schon seit seiner aktiven Zeit
Seinen letzten Kampf gewann er locker, Gegner war Hertha BSC – und der mehrfache norddeutsche Meister sieht das als gutes Omen. Sind die Berliner doch an diesem Sonnabend (19 Uhr, Sporthalle Wandsbek) erster Heimgegner für die Giants, die zu dieser Saison neu gegründet wurden, um dem Hamburger Faustkampf im Jahr der Ausrichtung der Amateur-WM Ende August zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Letztmals hatte der TuS Glinde Anfang der 90er-Jahre für Hamburg eine Bundesligastaffel am Start.
Warum sich der als Walthers Assistenzcoach vorgesehene Hoppe ohne Umschweife für den verantwortungsvollen Posten zur Verfügung gestellt hat, kann er einleuchtend erklären. „Ich habe selbst so viele Erfahrungen gesammelt und durfte in Babelsberg vom damaligen Manager Ralph Mantau all das lernen, was ich jetzt weitergeben möchte“, sagt er. Trainer ist der Vater von Julia (11) und Maxim (7), der seine aus seiner Geburtsstadt Kostanaj stammende Ehefrau Katharina in Hamburg kennenlernte, schon seit seiner aktiven Zeit. „Ich habe den Schein gemacht, als ich noch selbst geboxt habe, und mich in den letzten aktiven Jahren selbst trainiert“, sagt er.
Er versteht sich als Mitglied eines Teams
Bei der SV Polizei gibt es den Posten des Cheftrainers nicht. Hoppes Rat wird dennoch von den Kollegen gesucht. Er selbst legt kaum Wert auf die Bezeichnung „Chef“, er versteht sich als Mitglied eines Teams, das im Zweifel eben Entscheidungen zu fällen hat. Seitdem er bei den Giants Regie führt, trainiert ein Großteil des 20 Kämpfer aus verschiedenen Hamburger Vereinen umfassenden Kaders regelmäßig bei ihm in der Haubachstraße. Zudem gibt er, da im Hamburger Verband die Landestrainerstelle derzeit vakant ist, mittwochs auch Stützpunkttraining.
„So habe ich einen sehr guten Überblick über die Leistungsfähigkeit des Kaders bekommen“, sagt er. Die 11:13-Niederlage zum Saisonstart am Wochenende vor Weihnachten in Schwedt habe gezeigt, wie hart es werde, sich in der Nordstaffel, zu der neben Hertha BSC noch Wismar zählt, zu behaupten. „Aber es ist möglich, denn wir haben eine Menge Qualität“, glaubt der Coach, der in Kapitän Peter Kadiru (Superschwer), der für das Heimdebüt wegen der Vorbereitung auf die U-23-EM Ende Februar in Rumänien keine Freigabe erhielt, dem deutschen Meister Edison Zani (bis 64 kg), Meriton Rexhepi (bis 75) oder Ammar Abduljabar (bis 81) eine Reihe an Toptalenten zur Verfügung hat.
Seine härteste Aufgabe sei es, den Konkurrenzkampf im Team unter Kontrolle und die Sportler bei Laune zu halten. Acht Kämpfe umfasst ein Kampfabend, was bedeutet, dass an jedem der sechs Kampftage zwölf Boxer beschäftigungslos bleiben. Gerade zum Heimdebüt, für das die Giants-Verantwortlichen auf 1000 Besucher hoffen, will natürlich niemand nur als Zuschauer kommen. „Aber die Jungs wissen, dass es nur gemeinsam geht und wir einen guten Teamgeist brauchen“, sagt der Coach, der am meisten Wert darauf legt, dass seine Sportler fleißig sind, lernbegierig, leistungswillig und bereit, sich einzubringen.
Hoppe war im Ring als harter Arbeiter bekannt. „Ich hatte kein Talent, sondern habe mir alles erkämpft“, sagt er. Das begann schon in der Kindheit, als die Mutter in der Wolga ertrank, während sie den vier Jahre alten Anatoli vorm Ertrinken rettete. Der Vater, ein Alkoholiker, schlug den Sohn so lange, bis die Stiefschwester ihn zu den Großeltern brachte, die mit ihm nach Deutschland zogen. In Hamburg schuftete er sich vom Zeitarbeiter zum Produktionsleiter hoch. So einem bringen auch testosteronstrotzende Boxer Respekt entgegen.
Einzelgespräche mit jedem Boxer
Mit gemeinsamen Trainingseinheiten mit den Bundesliga-Footballern der Huskies oder den Zweitliga-Basketballern der Towers sorgt Anatoli Hoppe, der mit seiner Familie in Alt-Osdorf lebt, für die Auflockerung, die er für unabdingbar hält, um Topleistungen zu zeigen. Vor dem Heimdebüt will er mit jedem seiner Boxer Einzelgespräche führen, um unnötige Aufregung oder störende Übermotivation in den Griff zu bekommen. Dabei muss er selbst mit seinen eigenen Emotionen kämpfen. „Aber das ist normal. Ich bin froh, wieder mittendrin zu sein“, sagt er.