Hamburg. Franzisca Hauke kehrt für die Hallenhockeysaison zum HTHC zurück – und wird von Bruder Tobias trainiert
Dass es eine harte Saison werden könnte für sie, das ahnte Franzisca Hauke bereits nach den ersten Trainingseinheiten. Nicht dass sie sportlich Probleme gehabt hätte, mitzuhalten mit den Hockeydamen des Harvestehuder THC. Als Nationalspielerin, die seit 2009 für den Topclub Rot-Weiß Köln aufläuft, konnte sie selbst das Programm des als Schleifer geltenden HTHC-Cheftrainers Tomek Laszkowski nicht schocken.
Vielmehr ist es die persönliche Abneigung dagegen, im Mittelpunkt zu stehen, die der 27-Jährigen die Rückkehr zu ihrem Heimat- und Herzensclub zu erschweren droht. Denn angesichts ihrer Fähigkeiten wird sie kaum verhindern können, dass sie alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Der HTHC kennt es nicht, eine A-Nationalspielerin im Kader zu haben. In Köln bin ich eine von vielen, hier gibt es viele, die zu mir aufschauen. Nun liegt es an mir, diese Rolle anzunehmen und damit klarzukommen“, sagt sie.
Die Rückkehr der verlorenen Tochter ist zur Hallensaison 2016/17 in der Nordgruppe der Bundesliga, die für die HTHC-Damen an diesem Sonnabend (16.30 Uhr, Barmbeker Straße) mit einem Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig startet, der spektakulärste Transfer. Seit vielen Jahren schon versuchten zuvorderst Haukes Eltern und Geschwister, aber auch der Verein, das Eigengewächs von der Heimkehr zu überzeugen. Möglich wurde diese nun, weil die Wirtschaftsjuristin eine Festanstellung als Assistentin des IT-Geschäftsführers im Jahreszeiten-Verlag gefunden hat.
„Natürlich habe ich all die Jahre überlegt, ob ich zurückkommen soll, aber ich habe mich in Köln sehr wohlgefühlt und bin dort dank der Unterstützung von Trainer Markus Lonnes und meines damaligen Partners Thilo Stralkowski menschlich und sportlich immens gereift“, sagt die Mittelfeldregisseurin. Der sportliche Aufschwung der zuvor dauerhaft abstiegsbedrohten HTHC-Damen unter dem im Sommer 2015 verpflichteten Laszkowski hat sicherlich auch zum Stimmungsumschwung beigetragen, auch wenn Franzisca Hauke versichert, dass trotz mehrfacher Anfragen kein anderer Hamburger Club für sie infrage gekommen wäre. „Auch wenn ich mit Köln meine Damenkarriere verbinde, ist der HTHC immer meine Hockeyheimat geblieben“, sagt sie.
Und dann ist da noch diese besondere Geschichte. Ihr Bruder Tobias (29), Welthockeyspieler von 2013 und das Gesicht im Herrenkader des HTHC, der am Freitag (20 Uhr, Barmbeker Straße) gegen den Klipper THC die Saison eröffnet, ist bei den Damen als Co-Trainer engagiert – und gewillt, diesen Posten weiter zu bekleiden, auch wenn er in seinem Hauptberuf beim Fußball-Bundesligisten HSV jüngst vom Assistenten des Mediendirektors zum Teammanager befördert worden ist und deshalb in Verein und Nationalteam kürzertreten muss. „Von Tobi trainiert zu werden, das ist für mich ein besonderer Reiz“, sagt sie.
Wer ihr zuhört, wenn sie über ihren Bruder spricht, der kann das verstehen. Obwohl die beiden noch zwei ältere Schwestern haben, verbindet sie das innigste Verhältnis, das aus Kinderzeiten herrührt. „Damals standen wir oft stundenlang auf dem Hockeyplatz, und Tobi hat mit mir geschimpft, wenn ich etwas nicht konnte. Dann hat er mir es aber mit viel Geduld beigebracht. Einmal haben wir ein ganzes Wochenende lang die argentinische Rückhand geübt, bis ich sie konnte. Heute schieße ich fast nur noch so aufs Tor“, sagt sie.
Als die Geschwister im August in Rio de Janeiro ihre ersten gemeinsamen Olympischen Spiele erlebten – für Franzisca war es das Debüt, Tobi hatte 2008 und 2012 bereits Gold gewonnen –, tauschten sie sich jeden Tag aus, diskutierten über alles, was sie bewog. „Das ist das, was uns verbindet“, sagt sie, „wir betrachten uns gegenseitig als wichtigste Ratgeber.“ Wäre sie ein Junge, hätte es sicherlich sein können, dass sie unter seinen Erfolgen gelitten hätte. „Dadurch dass wir uns sportlich aber nie vergleichen konnten, habe ich von seiner Präsenz profitiert und mich nie gefühlt, als würde ich in seinem Schatten stehen“, sagt sie.
Der Bruder ist Vorbild und größter Kritiker gleichzeitig
Realismus hilft ihr dabei, die Dinge einzuordnen. „Ich werde nie das erreichen, was er erreicht hat. Aber ich bin total stolz auf ihn und weiß, dass ich auch einen Anteil daran habe, dass er sich so entwickelt hat.“ Wie sich das Verhältnis entwickeln wird, wenn der Bruder als Trainer der größte Kritiker ist, bleibt abzuwarten. „Aber Tobi kritisiert nie grundlos, sondern nur, um zu verbessern. Und damit kann ich umgehen“, sagt Franzisca Hauke, die sich auf den Dreikampf um den Nordtitel mit dem Uhlenhorster HC und dem Club an der Alster sehr freut.
Ob ihr Engagement in Hamburg nur eine Rückkehr auf Zeit ist, macht sie nicht von familiären Banden abhängig, auch wenn sie sich als „totalen Familienmenschen“ bezeichnet. In ihrem Alter sind berufliche Aussichten wichtiger, deshalb wird sie in den kommenden Monaten schauen, wie sich Job und Sport vereinbaren lassen. Mit Köln ist fest vereinbart, dass sie die Feld-Rückrunde dort spielen wird, so wie es die Regeln vorsehen. Was dann kommt, will sie abwarten. Wahrscheinlich wird sie bis dahin Gefallen daran gefunden haben, im Mittelpunkt zu stehen.
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