Hamburg. Edina Müller und Dorothee Vieth sind zwei von sieben Kandidaten für die anstehende Wahl zu Hamburgs Sportler des Jahres 2016

Am 14. Dezember werden bei der 11. Hamburger Sportgala in der Volksbank-Arena die besten Athleten der Stadt geehrt. Anders als bisher wird es diesmal nur einen Preis für Hamburgs Sportler des Jahres 2016 geben. Eine Jury aus Vertretern der sechs Initiatoren der Sportgala hat sieben Wahlvorschläge gemacht. Und Sie, liebe Abendblatt-Leser, können abstimmen (siehe Infokasten). Heute stellen wir Ihnen Edina Müller und Dorothee Vieth vor, die im September bei den Paralympics in Rio Silber und Gold gewannen.

Edina Müller
Tauchen auf den Malediven. Tiefblaues Meer, noch blauerer Himmel. Unter Wasser das Gefühl von Schwerelosigkeit, ein Gleiten, Freiheit ohne Einschränkungen. Und dann schwebt auch noch ein Mantarochen vorbei. Edina Müller hat sich diesen Traum von einem Urlaub im Oktober erfüllt. Verdienter Lohn für ein außergewöhnliches Sportjahr. „Was für eine Saison!“, sagt sie. Was für eine Saison! Silber im Einerkajak über 200 Meter bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro, aktueller paralympischer Rekord, Weltrekordhalterin, amtierende Welt- und Europameisterin.

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Die Sporttherapeutin am BG Klinikum Hamburg in Boberg ist längst eine der bekanntesten paralympischen Athletinnen überhaupt. Ein gern gesehener Gast auf sportlichen Empfängen, Podiumsdiskussionen und Vorträgen, der sich klar und intelligent für die Belange von Menschen mit Behinderung und den Sport insgesamt einsetzt. Kanu oder auch „Paddeln“ hält sie übrigens für eine der inklusivsten Sportarten überhaupt, „weil Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam in einem Boot fahren können“. Dass sie selbst erst im Herbst 2014 ihr Hobby Kanu zum Leistungssport erkoren hat, nachdem sie vorher höchst erfolgreich Rollstuhlbasketball gespielt hatte (Silber 2008 in Peking, Gold 2012 in London), wurde schon oft ausführlich geschildert.

Das Leistungssportler-Gen, verbunden mit einem natürlichen Talent, sorgte dafür, dass sie auch im neuen Sportgerät schnell erfolgreich war. Bei Wind und Wetter raus auf die Alster oder in den Kraftraum. Dazu Trainer Arne Bandholz, der sich im Hamburger Kanu-Club auf das Abenteuer mit einer querschnittsgelähmten Sportlerin einlassen wollte. „Sie ist sehr zielstrebig, und sie setzt die Dinge, die man ihr erklärt, schnell um“, sagt der Trainer. Das richtige Eintauchen des Paddels, den Druckpunkt setzen, die Technik erarbeiten – das alles ging so schnell so gut, dass die Hamburgerin bereits nach knapp einem halben Jahr in die Weltspitze gefahren war.

Es war ein Experiment, es hätte scheitern können. Jetzt aber folgt eine neue Herausforderung. Die Sommerspiele 2020 in Tokio sind das nächste Ziel. „Nach den Paralympics ist vor den Paralympics“, sagt die 33-Jährige, die im November wieder in das intensive Training eingestiegen ist.

Auf dem langen Weg nach Tokio helfen natürlich Sponsoren, und auch da konnte Edina Müller auf Vermittlung des Hamburger Sport-Social-Media-Awards „Smash“ einen Erfolg feiern: Für die nächsten vier Jahre erhält sie vom Luftfahrtunternehmen Vartan Aviation Group einen mittleren fünfstelligen Betrag. Was für ein Jahr!

Dorothee Vieth
„Ja“, sagt Dorothee Vieth, es sei jetzt endgültig bei ihr eingesackt: „Eine große Sache, nicht zu toppen.“ Die Erfüllung eines Lebenstraums. Die Strecke, die Form, alles passte an diesem 14. September, als die Hamburgerin bei den Paralympischen Spielen in Rio die Goldmedaille im Zeitfahren auf der Straße vor Dauerrivalin Andrea Eskau aus Magdeburg gewann. Was für ein Abschluss: „Es war immer klar, dass dies meine letzten Paralympischen Spiele waren. 2020 in Tokio bin ich nicht mehr dabei.“

Aber nächste Saison, da würde sie gern noch fahren. Gerade ist Vieth wieder ins Training eingestiegen. Obwohl sie es hasst, die Nässe und die Kälte. Drei Weltcups stehen auf dem Programm und die WM in Südafrika. Die Entscheidung, ob sie mitdarf, allerdings fällt der Bundestrainer, mal schauen. Immerhin hat sie im Oktober ihren 56. Geburtstag gefeiert, aber solange die Leistung stimmt ... „In unserem Sport ist die Ausdauer wichtig, und da sind ältere Athleten oft stark – auch bei den Nicht-Behinderten“, weiß sie.

Inzwischen hat Dorothee Vieth nach einem Schnuppertraining des Hamburger Tennisverbandes eine andere, alte Sportleidenschaft wieder für sich entdeckt: Rollstuhltennis. In Stelle bei Winsen gibt es eine Gruppe, in der sie mitspielt. Ganz ohne einen Gedanken an den Leistungssport. „Ach was, es soll nur Spaß machen, und das tut es.“ Und Handbike wird sie weiterfahren, spätestens wenn die Straßenrad-Karriere 2017 wirklich zu Ende ist. Langstreckenrennen sind das neue Ziel. Mehr als 100 Kilometer rund um die Mecklenburger Seen, Rennen in Schweden, Dänemark und der Schweiz hat sie schon mal in die Auswahl genommen.

Dorothee Vieth ist erst 2002 nach einem Unfall mit einem Motorroller und anschließender Lähmung der Bein- und Gesäßmuskulatur links ins Hand­bike gestiegen. Nach der ersten Teilnahme am Hannover-Marathon 2004 war sie angefixt, sie blieb dabei, machte mehr, wurde besser und besser und betrieb den Sport schließlich wie ein Profi.

Die Vorspannung, die Nervosität, der Wettkampf, das braucht sie. Und das kennt Dorothee Vieth irgendwie aus ihrem „bürgerlichen“ Beruf als Geigenspielerin und -lehrerin: „Ein Rennen ist wie ein Solo in einem Konzert. Du übst täglich, du bereitest dich vor, und dann kommt der eine Moment, wo du das Erarbeitete abrufen musst. Dann muss es funktionieren, eine zweite Chance gibt es nicht.“ In Rio hat es funktioniert. Erstmals Gold nach insgesamt einer Silber- und drei Bronzemedaillen 2008 und 2012. Ein ganz großes Solo.