Serravalle. Bremer Länderspieldebütant schießt in der WM-Qualifikation drei Tore zum 8:0-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft
Jörn Meyn
Auch in San Marino gibt es Trophäen. Im Innern dieses kleinen niedlichen Stadions in Serravalle ist eine Vitrine aufgebaut, in der die Errungenschaften der Vergangenheit gehütet werden. Glasskulpturen, Pokale, güldene Teller – aufbewahrt hinter dickem, stoßfestem Glas, um die Schätze gegen die Unwägbarkeiten des Alltags zu schützen. Es sind allerdings keine Pokale des Sieges, sondern lediglich Erinnerungsstücke an internationale Spiele. Teilnahmebestätigungen. Insignien der Niederlage, denn der Fußballzwerg pflegt seine Duelle in erschütternder Zuverlässigkeit zu verlieren. So wie am Freitagabend, als der Weltmeister Deutschland seine Kicker im Rahmen der WM-Qualifikation entsandte. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw gewann wie erwartet das ungleiche Duell mit dem Winzling. Endstand: 8:0.
Spiele gegen Kontrahenten, die von vornherein als Verlierer feststehen, sind in der Bundesliga durchaus wichtigen Menschen ein Ärgernis, weil sie den nationalen Betrieb erneut zum Erliegen bringen und den schönen Rhythmus der Clubs stören. Aber es ist zu vermuten, dass zum Beispiel die Herren Serge Gnabry und Benjamin Henrichs diese Partie keinesfalls würden missen wollen. Bundestrainer Joachim Löw beorderte den Bremer und den Leverkusener in die Startformation und verhalf den beiden Jünglingen zu ihrem Debüt in der Nationalelf. Und das Duo dokumentierte schnell, dass es Freude mit auf den Platz gebracht hatte. Erste Chance: Henrichs, vorbei (3. Minute). Zweite Chance: Gnabry, doch San Marinos Torwart Aldo Simoncini parierte (4.). Kurz danach war es allerdings schon um den Widerstand San Marinos geschehen. Ilkay Gündogan hob den Ball gefühlvoll in den Lauf von Sami Khedira, der den Schlussmann umkurvte und zur Führung traf (7.). Zwei Minuten später schlenzte Gnabry den Ball aus elf Metern ins Tor. 2:0. Selbst die kühnsten sanmarinesischen Optimisten konnten nun das Hoffen einstellen. Aber die Freude an diesem Spiel wich nicht von den Rängen. Was es zur guten Laune braucht? Einen gewonnen Zweikampf von Mattia Stefanelli im Mittelfeld gegen den übergroßen Hummels zum Beispiel. Und als in der 20. Minute der Schiedsrichter auf Eckstoß entschied, brandete Jubel auf.
Das war eine Phase, in der die deutsche Elf große Nachsicht mit dem Gegner übte. Erst nach etwas mehr als einer halben Stunde kombinierte sie sich wieder ins Tor. Mario Götze legte den Ball an der Strafraumgrenze für Jonas Hector auf – und der Kölner traf von der Strafraumgrenze (32.). Es war sein zweites Länderspieltor. Ein weiterer Treffer von Mario Gomez kurz vor dem Halbzeitpfiff wurde wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht anerkannt.
Mit dem glücklosen Stürmer begann auch der zweite Durchgang. Recht frei tauchte er vor dem Tor auf, schoss aber erstaunlich weit drüber (55.). Gnabry machte es besser. Eine Flanke von Joshua Kimmich verwandelte er direkt zum 4:0. (58.). Auf so manche Sache war an diesem Abend einfach Verlass: den absurd ergiebigen Regen, den der Wind bis unter das Tribünendach trug. Und auf Gnabry sowie das Duo Götze/Hector, das in gleicher Rollenverteilung wie in der ersten Halbzeit für den fünften Treffer verantwortlich war. 5:0 nach 65 Minuten. Erneut Gnabry erhöhte nach Vorlage von Thomas Müller per Volleyschuss auf 6:0 (76.). Debüt, Dreifachtorschütze – das geht.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt brachen die wackeren Gastgeber auseinander. Nationaltrainer Pierangelo Manzaroni hatte 90 Minuten lang an der Außenlinie gestenreich versucht, seine Abwehrmauern so zu errichten, dass sie weiteres Unheil vermieden. Aber dann fingen sogar eigene Männer an, Gefahr heraufzubeschwören. Stürmer Mattia Stefanelli überrumpelte seinen Torwart mit einem Schuss, der nach hinten losging. Eigentor (82.). Der eingewechselte Kevin Volland besorgte auf Vorlage von Müller den Endstand von 8:0. Nur jener Müller, der in der Bundesliga seit 682 Minuten auf einen Torerfolg wartet, gehörte zu jenen, die kein Tor erzielen durften. So blieb es beim 8:0. Es ist ein Sieg, der Joachim Löw zu einer weiteren Bestmarke verhilft. Er ist nun der Bundestrainer mit den meisten Siegen (95 in 142 Spielen) und verdrängte Sepp Herberger von der Spitze dieser Rangliste.
San Marino: A. Simoncini – Palazzi, Cesarini, D. Simoncini, F. Vitaioli, F. Berardi – Zafferani (83. Brolli), Gasperoni, Tosi (58. M. Domeniconi), M. Vitaioli (90.+1 Hirsch) – Stefanelli. Deutschland: ter Stegen – Henrichs, Hummels, Hector – Khedira (77. Goretzka), Kimmich – Müller, Götze (71. Meyer), Gündogan, Gnabry – Gomez (71. Volland). Schiedsrichter: Kutschin (Kasachstan). Zuschauer: 3851. Tore: 0:1 Khedira (7.), 0:2 Gnabry (9.), 0:3 Hector (32.), 0:4 Gnabry (58.), 0:5 Hector (65.), 0:6 Gnabry (76.), 0:7 Stefanelli (82., Eigentor), 0:8 Volland (85.).